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Kubas Leid geht weiter
Unternehmen und Agrarsektor auf der Karibikinsel erleiden Verluste
Sie sind ebenso begehrt wie rar auf Kuba - Kartoffeln. Und auch im laufenden Jahr wird die nationale Kartoffelproduktion nicht in der Lage sein, die Inlandsnachfrage zu decken. Das räumte das kubanische Landwirtschaftsministerium Ende vergangener Woche ein. Im günstigsten Fall wird das Niveau von 2021 erreicht, als eine der schlechtesten Kartoffelernten der letzten 20 Jahre verzeichnet wurde. Als Grund nennen staatliche Medien vor allem den Mangel an Betriebsmitteln. In der Folge erhalten die Einwohner*innen in den sechs kartoffelproduzierenden Provinzen im Zentrum Kubas über das staatliche Verteilungsprogramm in diesem Jahr 14 Pfund Kartoffeln pro Kopf; im Rest des Landes sind wie im vergangenen Jahr drei Pfund pro Person vorgesehen.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Doch die miese Kartoffelernte ist nur eine von vielen schlechten Nachrichten für Kubas Wirtschaft. Für den Agrarbereich war das Jahr 2021 eines der schlechtesten in der letzten Dekade. Das sagte Landwirtschaftsminister Ydael Pérez Brito bei der Vorstellung des Jahresberichts seines Ressorts. In vielen Bereichen blieb die Produktion hinter dem Plan zurück. Besonders besorgniserregend sei die Krise in strategisch wichtigen Bereichen, so bei Zucker und Tabak. So steuert die kubanische Zuckerindustrie auf ihre bisher schlechteste Saison zu. Gerade einmal 70 Prozent der 2021 für die Zuckerproduktion vorgesehenen Flächen wurden bestellt. Auch die Tabakanbaufläche für die Kampagne 2021 bis 2022 wurde um zehn Prozent reduziert, da es an Dünger und anderen für den Anbau erforderlichen Mitteln mangelt. Insgesamt schlossen in der Landwirtschaft 180 Unternehmen das Jahr 2021 mit Verlusten von zusammen mehr als neun Milliarden Pesos (rund 90 Millionen US-Dollar) ab, so Pérez Brito.
Dabei versucht die Regierung seit Beginn der Pandemie mit zahlreichen Maßnahmen, die Lebensmittelproduktion zu steigern - von freieren Vermarktungsmöglichkeiten über die Senkung der Strom- und Wassertarife für Landwirte bis hin zur Bereitstellung von Finanzierungsinstrumenten. Zudem wurden die Preisobergrenzen für landwirtschaftliche Erzeugnisse aufgehoben. Ende Februar stellte die Regierung einen Plan zur Ernährungssicherheit vor, der die landwirtschaftlichen Erträge steigern und die Importabhängigkeit verringern soll.
Wie andere Wirtschaftsbereiche auch hatte der Agrarsektor im Jahr 2021 mit der Verschärfung der US-Blockade, der Pandemie, der Wirtschaftskrise und der Umsetzung der Währungsneuordnung zu kämpfen, so Pérez Brito. Mit der Anfang 2021 vollzogenen Währungsreform wurden die verschiedenen Wechselkurse beseitigt. Gewinn- und Verlustrechnungen der Unternehmen lassen sich nun realistischer darstellen. So haben im Januar laut Wirtschaftsminister Alejandro Gil mehr als ein Viertel, das heißt 457 kubanische Unternehmen rote Zahlen geschrieben, davon 446 Staatsbetriebe. »Die Planung von Verlusten«, so Gil bei einem Treffen der Regierung mit Vertretern der Wirtschaft in Havanna, »ist eine Strategie, die nicht fortgesetzt werden kann«, denn die Unrentabilität stehe im Widerspruch zu den Maßnahmen, die für den Staatssektor ergriffen worden seien, um Produktivkräfte zu mobilisieren und die Autonomie zu fördern.
Die Regierung werde verlustbringende Staatsunternehmen einzeln analysieren, um geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. Es müssten Entscheidungen getroffen werden, so Gil, »die vor allem mit der Senkung der indirekten Ausgaben, der Verringerung der Kosten und der Suche nach mehr Effizienz verbunden sind, ohne zu versuchen, das Problem der Verluste durch die Übertragung aller Kosten auf die Preise zu lösen, was eine inflationäre Wirkung hätte«. Denn der Preisauftrieb ist ohnehin schon hoch - unabhängige Ökonomen sprechen von bis zu 400 Prozent - und wird durch die Auswirkungen der Pandemie, US-Sanktionen und die geringe Produktivität noch verschärft.
Ein Bereich, der im Januar zulegte, war der Tourismus. Laut offiziellen Zahlen kamen 86 483 Touristen ins Land, fast viermal so viele wie ein Jahr zuvor. Doch der leichte Aufschwung könnte schon wieder vorbei sein. Denn die Sanktionen gegen Russland wegen des Einmarsches in der Ukraine beginnen sich auch auf Kuba bemerkbar zu machen. Die Sperrung des EU-Luftraumes für russische Flugzeuge bedeutet die Streichung der Linienflüge zwischen Moskau und Havanna sowie das Ende der Touristenreisen aus Russland. Die aber sind im letzten Jahr zur Lebensader für Kubas Tourismussektor geworden. Während die Besucherzahlen 2021 um 70 Prozent einbrachen, verdoppelte sich der russische Tourismus nach Kuba. Russische Besucher*innen machten im vergangenen Jahr 40 Prozent aller Kuba-Touristen aus.
Seit Anfang März werden die verbliebenen knapp 5500 russischen Tourist*innen ausgeflogen. Expert*innen schätzen, dass rund 30 000 Reisen aus Russland storniert werden, was zu einem Verlust von mehreren Millionen US-Dollar führen wird - in einer Zeit, in der jeder US-Dollar auf Kuba zählt.
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