Wenn Scheitern keine Chance ist

Er galt als der talentierteste deutsche Rapper, dann aber tauchte MC Rene ab. Eine Doku erzählt seine Geschichte

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.

Bevor Rap die deutschen Charts stürmte, bot die Importware aus den Vereinigten Staaten vor allem Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine halbwegs sichere Homebase. Zerrissen zwischen zwei unterschiedlichen Welten, materiell ausgeschlossen von den Segnungen der deutschen Mittelschicht, bot sich die amerikanische Subkultur als Anker in einer ansonsten haltlosen Welt. René El Khazraje, später bekannt unter dem Namen MC Rene, kam in den 80er Jahren erstmals mit der Musikform in Berührung und tauchte schon als Kind tief in diese neue Welt ein.

Nach einem verheißungsvollen Start seiner Karriere, Anfang der 90er Jahre galt MC Rene als eines der größten Talente im deutschsprachigen Rap, dann folgte aber der langsame Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Anstatt wie Jan Philipp Eißfeldt aka Jan Delay, mit dem El Khazraje 1993 noch im ZDF Freestyle performte, im deutschen Hip-Hop-Olymp zu landen, arbeitete er zeitweise in einem Callcenter unter falschem Namen. Und das trotz - beziehungsweise wegen - seines großen Talents im Sprechgesang.

Der gebürtige Braunschweiger musste sich mit dem unlauteren Geschäftsgebaren seines Labels genauso herumschlagen wie mit der kollektiven Ablehnung der Szene wegen seiner Tätigkeit für den Musiksender Viva. Die kommerzielle Erfolglosigkeit beendete Mitte der 2000er vorübergehend seine Karriere. Zuvor schuf er aber gemeinsam mit dem Plattengott Grandmaster Flash, Flava Flav von Public Enemy, Jazzy Jeff, DJ Tomek und Afrob mit »1, 2, 3… Rhymes Galore« einen der heutzutage unterbewertetsten Klassiker der deutschen Rap-Geschichte.

Nun zeichnet eine knapp halbstündige Dokumentation den Werdegang des ehemaligen Mitbewohners von Klaas Heufer-Umlauf in einem sehr persönlichen Setting nach. Schwarz-weiß gehalten, erinnert sich El Khazraje in der Reportage an die Anfänge in der Weststadt von Braunschweig, seine Rückkehr zum Rap, nachdem er vier Jahre lang ohne festen Wohnsitz durch Deutschland als Stand-up-Comedian tingelte, und die Beziehung zu seinem Vater. Die Kamera begleitet den 46-Jährigen dabei, wie er in der tristen Plattenbausiedlung bedächtig seine alte Hood durchschreitet, genauso wie den entspannten Auftritt im Zuschauerrang des Braunschweiger Staatstheaters.

Dort sinniert El Khazraje dann darüber wie es ist, wenn die eigene Karriere als extrem talentierter Sprechgesangsinterpret zwischen Bordstein und Skyline beinahe hoffnungslos stecken geblieben ist. Die Reflexion seines Scheiterns, die offene Art des Oldschool-Rappers, über die eigenen Dämonen zu reden, macht den Reiz der etwas zu kurz geratenen Dokumentation aus. Es ist letztlich ein beeindruckendes Stück Zeitgeschichte über einen Mann, der als hervorragender Battle-Rapper nur selten unter der Gürtellinie landete, sondern mit Charme und Chuzpe seine Skills zum Besten gab.

Das Erstaunlichste an der Reportage ist aber eigentlich, dass all jene, die Ende der 90er Jahre die Auftritte von El Khazraje als Discjockey in der Viva-Show von Oliver Pocher sowie seiner Mitwirkung in einer Ausgabe des »Tatortes« zum Thema Hip-Hop als ästhetischen Verrat und somit Angriff an der eigenen Subkultur verstanden haben, sich jetzt mit ihm versöhnen können. Seine Liebe zum Rap, sein Wissen über die Hip-Hop-Kultur, das alles unterscheidet ihn von jenen aggressiven Grabschändern, die nach ihm folgten und mit mittelmäßigem Rap die deutschen Charts stürmten.

El Khazraje prägte jene Zeit im deutschsprachigen Rap, als dieser noch klar links konotiert und antirassistisch motiviert war. Neonazis fassten die afroamerikanische Musik nicht mit der Kneifzange an, Macker und Gangster galten längst noch nicht als Helden in der Szene. Do it yourself war damals als Credo ein Aufruf zur selbstbestimmten Aneignung von Technik und Kultur. Heute wird es als Aufforderung zur maximalen Selbstbefriedigung missverstanden. Diese grundlegenden Veränderungen innerhalb der Szene werden in der Dokumentation nicht vordergründig, aber dafür subtil, immer wieder deutlich.

Die bis heute fehlende Anerkennung des deutschen Rapzirkus wird MC Rene wohl nicht mehr erhalten, das vermag die Reportage nicht zu leisten. Die Wertschätzung einer Generation von Fans, die zum Glück noch ohne den Maskenmann aus dem Märkischen Viertel aufgewachsen ist und deren Beziehung zu Rap keine neurotische ist, hat er allerdings mehr als verdient.

Verfügbar auf: www.krekpek.com/anomalie

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