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»Jeder Satz ist Politik pur«
Aus der Sprachapokalypse: Robert Habeck tritt ab, doch Markus Söder redet weiter
In den letzten Tagen seiner segensreichen Amtszeit hat er noch mal hingelangt, unser Robby-Bär. Beim Länderrat der Grünen am 6. April zelebrierte der fugendicht verblendete geschäftsführende Bundeswirtschaftsminister das Motto, man müsse »das, was man sieht, aussprechen« (Was gewahrt der Mann? Blühende Windradplantagen?) und schwadronierte über den »mündigen Bürger«, der »selbstbestimmt Entscheidungen trifft« und der »der Souverän« der »offenen Gesellschaft« sei. Und weil das nicht reichte, pries der Anzeigenweltrekordsteller »Bündnis 90/Die Grünen als […] freiheitsliebende, Selbstbestimmtheit liebende Zentrumspartei, die die Republik zusammenhält«.
Man rieb sich die Ohren in Anbetracht dieser der Wirklichkeit nicht zwei Sekunden lang standhaltenden Selbstbeweihräucherung – sowie ob Habecks delirierender Wortkreationen (»pomanatische Weiterarbeit«), die denen der »Bundesaußenmutter« und »rhetorischen Trümmergranate« (Friedrich Küppersbusch) A. Baerbock (»um Dinge zu veränderen« und zu »verenden«, und sei’s im Interesse der »SteuerInnenzahler«) locker den Weißwein reichen.
Schwer zu eruieren, wer den Niedergang des sprachlichen Ausdrucksvermögens eingeleitet hat: das Fernsehen oder die Politik. Die Moderatoren – von der ARD über Phoenix bis zum ZDF – jedenfalls schaffen es seit Jahren allesamt nicht mehr, freihändig einen halbwegs korrekten Satz zu formulieren. Dauernd »hat« jemand »einen Punkt« oder »wird gechallenged« – woraufhin »er« eventuell »eskaliert« –, und zwar »absolut«, »mega«, »total«, was natürlich »superspannend« ist und voll »reinkickt«, halt aufgrund der »Performance« und des krassen »Commitments«. Darauf reduziert sich »am Ende des Tages« das »kreative« »Wording«, das TV-Journalisten, die größten Nulpen des Öffentlichkeitsbetriebs, »auf dem Zettel haben«.
Gut möglich, dass sich Robert Habeck zu oft mit den in Berlin abhängenden, mattscheibengestählten, reflexionsabstinenten und wortfindungsgestörten Pfeifen unterhält oder unterhalten und das abgefärbt hat. Einen weiteren Höhepunkt erklomm er am 3. April bei seinem finalen Auftritt in der Bundespressekonferenz, als er bereits im ersten Satz »die disrumptivsten Zollerhöhungen seit neunzig Jahren« beklagte, sogleich »die Parallele zählen« wollte – die multipel singuläre Parallele zu irgendwas – und mahnte, »dass wir nicht den Fehler machen sollten, die Grundeinnahme von Donald Trump zu teilen«.
Dieser ostentativ übellaunige Schauspieler hat Kunstwerke des verhaspelten Herumeierns und des zerfaserten Zirkulärgeschwafels geschaffen. Noch mal aus der BPK: »die Beschlüsse, die bekannt geworden wurden«; Bestimmungen »müssen vereinhaftlicht werden« (Vorsicht, Hausdurchsuchung!), nämlich in den geilen »Sektorenbereichen«. Oder es gelte, »eine gemeinsame Linie aufzubauen«, das »nutzt dem Steigen des volkswirtschaftlichen Wohlstands«. »Wir sollten jetzt nicht auf Feuer als Erstes Feuer legen«, da dann »daraus eine Spirale in Gang gesetzt wird«. Nein, nein: »Radikale Wirklichkeitsannahme«, wenn nicht Wirklichkeitseinnahme: »Das ist das Paradigma, an dem sich die neue Regierung handeln muss.«
Die permanente artikulatorische und semantische Schmelze – das ist das Vermächtnis des Ökonomiepräzeptors Robert Habeck, des bleizüngigen Reiters der Sprachapokalypse. Wer indes glaubt, dass sich nun, da er des Hofes verwiesen ward, zumindest lingual einiges zum Besseren wendet, hat die Rechnung nicht mit dem ideellen Wirtshausschläger Markus Söder gemacht. »Das Bemühen muss zum Ende geführt werden«, kauderwelschte Söder am 3. April bei Frau Illner, »wir müssen dem Land nutzen und mehren«. Anders gebrabbelt: »Wir müssen uns einfach auch commiten.«
Zu vermuten ist, dass der bayerische Ministerpräsident, der einen persistenten Feldzug gegen die unbestimmten und die bestimmten Artikel führt (Warum fällt niemandem außer mir auf, dass der rhetorische Areabomber die schönen kleinen Wörter konsequent ausradiert, sofern er sie nicht falsch verwendet?), ebenfalls ein mimetisches Verhältnis zu den Gänsen und Gantern aus dem Fernsehlimbus unterhält. Zu bedenken sei, »dass die Arbeitsplätze gefährdet ist«, stolpert der manisch in sich kreiselnde Dampf- und Qualmplauderer über die eigene Zunge, egal, wo er aufschlägt. »Wir starten ’nen Aufholplan«, und das sei »so ein spannendes Gefühl«, bekennt er etwa am 9. April bei Welt-TV.
Von den ständig hervorgekramten ranzigen Fußballanalogien abgesehen, lehrt uns der fränkische Bratwurstinfluencer, dass heute in der Sphäre der medialen Mitteilung alles egal ist. Den »neuen deutschen Deal« und »das Deutschlandpaket« kündigte Söder nebst »einer echten Technikattacke« bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages an. Und: »Der Gastrosteuer wird gesenkt.«
Ich senke das müde Haupt angesichts von Äußerungen gleich diesen »spontanen Schnellschüssen« (Söder): »Es durchziehen sich auch Prinzipien«; »ob sie unserm Land sich zu unseren Werten bekennen und einen wichtigen Beitrag zum Stärke unseres Landes leisten«; »Es wird ein kleiner und kann ein kleiner Bestseller werden, denn jeder Satz ist Politik pur.« Und dem vermag kein anderer als der Nürnberger Schlaukopf in einem Satz Unterschlupf zu gewähren.
Doch Trost spendet und Rettung verheißt die Sprache dort, wo sie sich verschmitzt gegen die dröhnende Dummheit wendet. Als Dr. Markus Söder über »Summen, die da rumkursieren«, referierte, über Sondervermögenszahlen, »wie alle kursiert haben«, fuhr mir ein Diktum des Jahrtausendgenies Heino Jaeger ins gebeutelte Gehirn: »Das kursiert auf Wahrheit.«
Und gut war wieder alles.
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