Mehr Gehalt, sichere Dienstpläne

Ärzte der kommunalen Krankenhäuser untermauern ihre Tarifforderungen mit einem Warnstreik

Am OP-Tisch oder am Patientenbett: Wer Tag und Nacht fehlerfrei im Einsatz sein soll, braucht sichere Erholungspausen.
Am OP-Tisch oder am Patientenbett: Wer Tag und Nacht fehlerfrei im Einsatz sein soll, braucht sichere Erholungspausen.

An diesem Donnerstagmittag werden nicht nur mehrere Tausend Ärztinnen und Ärzte in Frankfurt am Main für einen besseren Tarifvertrag demonstrieren, auch in vielen Bundesländern gibt es parallel Warnstreiks an kommunalen Krankenhäusern, etwa in Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Ausgenommen sind hier wegen tariflicher Sonderregelungen Berlin und Hamburg. Die Kernforderungen der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB): 5,5 Prozent mehr Gehalt, weniger Belastungen und verlässliche Ruhezeiten.

Die Tarifverhandlungen zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und dem MB laufen bereits seit dem 14. Oktober. Die Gewerkschaft hatte ihre Forderungen schon drei Wochen vor Beginn der Verhandlungen unterbreitet, damit ohne Zeitverzug in konstruktive Gespräche eingestiegen werden kann. Schon diese Erwartung wurde enttäuscht, wie Hans-Jörg Freese vom MB berichtet. Inhaltlich konkreter wurde es erst in der dritten Verhandlungsrunde im Dezember - aber völlig unzureichend aus MB-Sicht. Denn die VKA scheint die Rückabwicklung schon geltender Regelungen etwa zu den Bereitschaftsdiensten anzustreben. Die Gewerkschaft will maximal vier solcher Dienste im Monat - das wird aber schon jetzt unter Verweis auf mögliche Patientengefährdung häufig überschritten. Der Maßstab werde sehr großzügig angelegt, so Freese. Die Ausnahmen würden häufiger oder sogar zur Regel.

Aus diesem Grund strebt der MB auch an, dass der Bezugszeitraum für die Bereitschaftsdienste der Kalendermonat sein sollte - und nicht das durchschnittliche Kalenderhalbjahr, wie die kommunalen Arbeitgeber vorschlagen. In der Praxis würden dann Überhänge immer weiter mitgeschleppt, das Abgelten würde immer schwieriger. Die VKA vertritt überdies die Position, die Ärztinnen und Ärzte sollten sieben Bereitschaftsdienste im Monat bestreiten, zusätzlich noch weitere »freiwillig«. Die Gewerkschaftsforderung zu den Bereitschaftsdiensten ergab sich aus den Umfragen unter ihren Mitgliedern.

Der 24-stündige Bereitschaftsdienst umfasst einen Regelarbeitstag von neun Stunden und noch einmal 15 Stunden in Rufbereitschaft. Eine weitere Forderung lautet, dass es regelhaft nicht mehr als zwölf Rufbereitschaften im Monat geben sollte. Mehr Sicherheit verlangen die Ärztinnen und Ärzte auch bei der Dienstplanung. Sollte die zu spät kommen oder zu häufig »gerissen« werden, also das Einspringen aus dem Frei erfordern, will der MB für solche Fälle eine höhere Bewertung der Bereitschaftsdienste auf 25 Prozentpunkte. Auch der Zuschlag zum Rufbereitschaftsentgelt soll um 25 Prozent steigen, wenn die einmonatige Frist zur Dienstplanaufstellung nicht eingehalten wird. Die VKA bietet hier nur jeweils knapp die Hälfte.

Die Beschäftigten brauchen natürlich Verlässlichkeit für Erholungszeiten bis hin zur Urlaubsplanung. Aber, so schränkt MB-Sprecher Freese ein, auch das ärztliche Personal stecke hier in einer Ethikfalle. Es sei selbstverständlich, dass die Patientenversorgung Vorrang hat. Der Marburger Bund verlangt zudem 5,5 Prozent mehr Gehalt. Diese Forderung stammt vom Oktober, als die heute bekannten Preiserhöhungen noch nicht absehbar waren. Die VKA hingegen lockt zwar mit einer einmaligen Corona-Prämie von 1200 Euro, will aber zugleich, dass es in den ersten 15 Monaten der von ihr angestrebten Tariflaufzeit von 39 Monaten gar keine Gehaltserhöhung gibt. Erst ab dem 1. Januar 2023 soll es laut VKA-Angebot 1,65 Prozent mehr geben, ab 2024 noch einmal 1,65 Prozent. Unter dem Strich liefe das für den Gesamtzeitraum auf ein Prozent mehr Gehalt hinaus, »Reallohnverlust pur«, nennt das Freese.

Ärztinnen und Ärzte unter anderem an kommunalen Krankenhäusern versuchen, die zunehmende Belastung aufzufangen, indem sie in Teilzeit wechseln. Statt der Regelarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche nehmen sie einen Gehaltsverzicht in Kauf, um mit 32 Stunden ein erträgliches Belastungsniveau zu erreichen. Ein ähnliches Vorgehen ist von Pflegekräften bekannt. »Damit ist aber noch kein Problem gelöst«, meint MB-Sprecher Freese. Lösungen könnte es mit mehr Personal geben. Ein solches Herangehen ist aber nur denkbar, wenn die Krankenhausfinanzierung insgesamt reformiert wird. Damit kommen der ökonomische Druck durch die Fallpauschalen in den Blick wie auch die notorisch unzureichenden Investitionen der Bundesländer in den Bereich. Bislang versuchten die Krankenhausträger, fehlende Einnahmen über Druck auf die Beschäftigten zu kompensieren.

»Neues Personal lässt sich aber nur gewinnen, wenn die Arbeitsbedingungen verbessert werden«, sagt Freese. Sonst werde sich kein Nachwuchs einstellen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wächst die Zahl der angestellten Ärzte im ambulanten Bereich kontinuierlich. 2020 waren das schon 40 000 Mediziner, die für Gehalt in Medizinischen Versorgungszen-tren arbeiteten. Auch das müssen die Krankenhäuser im Blick haben, wenn sie ihre Versorgungsangebote aufrechterhalten wollen. Der Marburger Bund will mit der tariflichen Verbesserung auch erreichen, dass die ärztlichen Beschäftigten nicht ständig als Einzelne ihre Interessen gegenüber den Arbeitgebern durchsetzen müssen. Da die VKA in vier Verhandlungs- und zwei Sondierungsrunden keine Einigungsbereitschaft gezeigt habe, sei die Streikbereitschaft unter den Beschäftigten nun ausgesprochen hoch.

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