Werbung

Russische Luxusprobleme

Oligarchen aus Russland retten ihren Reichtum vor den Sanktionen

  • Hermannus Pfeiffer, Hamburg
  • Lesedauer: 5 Min.
Nicht mehr für die Öffentlichkeit bestimmt: Die Megajacht »Dilbar« liegt verhüllt im Dock bei Blohm+Voss in Hamburg.
Nicht mehr für die Öffentlichkeit bestimmt: Die Megajacht »Dilbar« liegt verhüllt im Dock bei Blohm+Voss in Hamburg.

Schon seit Monaten liegt die Megajacht »Dilbar« komplett verhüllt im Dock bei Blohm+Voss fest. Mittlerweile hat die Hamburger Werft nach Berichten lokaler Zeitungen ihre Reparaturarbeiten unterbrochen. Das mehr als 500 Millionen Euro teure Luxusschiff gehört mutmaßlich dem Oligarchen Alischér Usmánow, der wie Dutzende andere russische Geschäftsleute mit Milliardenvermögen auf der Sanktionsliste der Europäischen Union steht.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Doch wie konnten eigentlich einige wenige russische Männer nach dem Zerfall der Sowjetunion einen derart ungeheuren Reichtum anhäufen? »Was Gorbatschow versäumt hatte, holte Jelzin allzu schnell nach«, analysierte Manfred Hildermeier, Russlandkenner und Geschichtsprofessor an der Universität Göttingen, im Jahr 2011. »Die Marktwirtschaft kam von einem Monat auf den anderen in Gestalt der neoliberalen Lehre US-amerikanischer Prägung.« Die rasche Privatisierung erfolgte durch Anteilsscheine an Staatsbetrieben, die an jeden volljährigen Bürger ausgegeben wurden. Das hatte die auch vom russischen Präsidenten Boris Jelzin vorhersehbare Folge, dass einige wenige mit diesen Aktien mehr anfangen konnten als die meisten anderen. Und weil sie über genügend Geld verfügten, konnten sie armen Ahnungslosen die vermeintlich nutzlosen Papiercoupons abkaufen. Plötzlich gehörten zahlreiche große Unternehmen einzelnen Personen. So entstanden märchenhafte Vermögen und jene winzige, aber einflussreiche Schicht, für die man in Russland und anderen postsowjetischen Ländern die Bezeichnung »Oligarch« prägte.

Zu den nötigen Rubeln waren Rädelsführer wie Michail Chodorkovskij noch als Teil von spätsozialistischen Netzwerken gekommen, die Banken gründeten. Der Staat stärkte diese Moskauer Finanzszene mit öffentlichen Mitteln, die teils in dunkle Geschäfte flossen. Dadurch entstand das Kapital, mit dem diese Unternehmer Mitte der 90er Jahre bei der Privatisierung von Erdölfeldern und Rohstofflagerstätten jenseits des Urals mitbieten konnten. So ersteigerte Chodorkovskijs Bank Menatep auf einer Privatisierungsauktion den Ölkonzern Yukos – zu einem Spottpreis.

Präsident Jelzin ging ein Bündnis mit diesen Neureichen ein, die auch die Medien beherrschten. Dieser politisch-wirtschaftlichen Oligarchie (altgriechisch für »Herrschaft der wenigen«) verdankt auch Wladimir Putin zumindest teilweise seinen Aufstieg. Erst einmal im Amt, beschnitt der neue Präsident aber deren politischen Einfluss. Einige flohen ins Ausland, und der einst reichste Russe, Chodorkovskij, saß für Jahre hinter Gittern – wegen angeblicher Steuervergehen. Die Wirtschaftsordnung und ihre Profiteure ließ Putin jedoch in Ruhe, wenn sie sich für ihn aussprachen oder wie Roman Abramovič zumindest aus der Politik raushielten.

Russland stolperte in den 90er Jahren auch durch dieses unselige Bündnis in die strukturelle Falle einer rohstoffbasierten Exportwirtschaft. Erdgas, Rohöl und einige Metalle dominieren den Handel, dagegen liegt selbst die traditionsreiche Flugzeugindustrie heute am Boden. Derweil häuften die neuen Eigentümer der Wirtschaft, Oligarchen wie Usmánow, durch Rohstoffe immer mehr Reichtümer an, die sie in exzessiven Konsum fließen ließen, aber auch in Fußballklubs und Immobilien in den teuersten Städten, darunter London, Miami oder Dubai.

Anfang März hatte US-Präsident Joe Biden im US-Kongress angekündigt, dass die USA und Europa gemeinsam Jachten, Luxusapartments und Privatjets von putinnahen russischen Oligarchen beschlagnahmen würden. Die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen bestätigte, dass sämtliche Vermögenswerte eingefroren würden. Die Sanktionen beträfen neben dem russischen Präsidenten, Außenminister Sergej Lawrow und zahlreichen Politikerinnen und Politikern auch zwei Dutzend Oligarchen.
Einer von ihnen ist Usmánow. Er versucht derweil, den Sanktionen zu entkommen: Der usbekisch-russische Milliardär behauptet, dass die meisten Vermögenswerte – darunter auch Villen am Tegernsee – gar nicht ihm, sondern einer Stiftung zugunsten seiner Familie gehören. Damit ein Vermögenswert unter Sanktionen fallen könne, so ein Anwalt gegenüber dem britischen Sender BBC, müsse er der sanktionierten Person gehören. Was im Einzelfall schwierig nachzuweisen ist.

So soll der frühere Eigentümer des Fußballklubs Arsenal London seine Beteiligungen schon immer in einem Geflecht aus Firmen, Trusts und Partnerschaften wie mit dem Eigentümer des Fußballklubs aus Everton, dem iranisch-britischen Milliardär Farhad Moshiri, versteckt haben. Die diversen Puzzleteile sind wiederum auf den Britischen Jungferninseln, Malta oder Zypern gemeldet, die als undurchdringliche Schwarzgeld-Dschungel gelten. Dort werden auch die China-Unionpay-Kreditkarten gefüllt, mit denen weltweit bezahlt oder Bargeld abgehoben werden kann, solange China nicht sanktioniert wird.

Schneller als die EU mit der Verhängung von Sanktionen reagierte derweil der Tui-Großaktionär Alexei Mordashov. Von seiner bisher 34-prozentigen Beteiligung an dem weltgrößten Reisekonzern mit Sitz in Hannover überführte er einen kleinen Teil an eine russische Holding und verkaufte seine persönlichen Anteile, die er über zwei Tochtergesellschaften hielt, an eine Firma namens Ondero Limited auf den Britischen Jungferninseln. Eigentümerin von Ondero ist laut Tui-Mitteilung seit dem 28. Februar seine Ehefrau Marina Mordashova – sie steht nicht auf der Brüsseler Sanktionsliste.

Eine Hilfe für die Absetzbewegungen der Oligarchen sind auch die sogenannten Goldenen Pässe, die viele Staaten jahrelang an Millionäre aus aller Welt vergaben. An diesem Montag forderte die EU-Kommission die Mitgliedstaaten auf, »alle bestehenden Staatsbürgerschaftsregelungen für (russische) Investoren umgehend aufzuheben«. Das würde Noch-Chelsea-Eigentümer Abramovič treffen, der einen portugiesischen Pass besitzt, neben einem israelischen. In Israel dürften seine Bankkonten bis auf Weiteres ebenso sicher sein wie die 142 Meter lange Megajacht »Nord« von Tui-Eigner Mordashov. Sie war nach Angaben des Schiffsradars »Marinetraffic« am Dienstag in internationalen Gewässern vor der Küste Japans unterwegs. Das Ziel dürfte Russland gewesen sein.

Andere der schwimmenden Luxusprobleme sollen die Seychellen oder arabische Länder ansteuern, die keine Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Das hat Deutschland zwar getan, doch der hiesige Zoll hat die »Dilbar« bislang nicht an die Kette legen können – zu undurchsichtig sind auch hier die Eigentumsverhältnisse. Formal gehört das Schiff der Klaret Continental Leasing. Diese Briefkastenfirma hat ihren Sitz auf Zypern – das EU-Mitglied gilt seit einigen Jahren als besonders beliebter Parkplatz der riesigen Vermögen russischer Oligarchen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.