Lasst uns in Frieden (27): FUUUUCK

Ein Song auf dem Woodstock-Festival ist eine Erinnerung daran, welche Verantwortung Eltern tragen

  • Frank Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Einer der frühen Höhepunkte des Woodstock-Festivals ist Country Joe McDonalds »I-Feel-Like-I’m-Fixin’-To-Die Rag«. In der Studioversion von Country Joe and the Fish beginnt der Song mit einem Cheerleader-Call-and-Response-Spiel, das den Bandnamen F-i-s-h buchstabiert. Live hatte sich längst eine andere Variante durchgesetzt, und die bewährt sich einmal mehr in Woodstock: »Gimme an F!« - »FFFFFF.« - »Gimme an U!« - »UUUUU.« - »Gimme a C!« - »CCCCCCC.« - »Gimme a K!« - »KKKKKKK.« - »What’s that spell?« - »FUUUUCK.« - »What’s that spell?« - »FUUUUCK.« - »What’s that spell?« - es könnte ewig so weitergehen. Auf einmal ist die Menge wach und singt die sarkastische Vietnam-Anklage aus vollem Hals mit. Die letzte Strophe ist die beste, mit einer Schelte an jene Eltern, die ihre Kinder in den Krieg schicken.

Michael Wadleighs »Woodstock«-Film zeigt etwas später den Port-o-San-Toilettenmann, wie er minutenlang die mobilen Latrinen reinigt. Man lobt seine Arbeit. Er freut sich sichtlich darüber und so kommt er ins Plaudern. Er mache seinen Job gern, denn einer seiner Söhne sei auch gerade hier auf dem Festival. Und dann mit elternstolzem Lächeln: »Der andere ist in Vietnam, fliegt einen Helikopter.« Es ist genau diese gedankenlose Dummheit, die McDonald hier aufs Korn nimmt. Die Eltern haben ihre Fürsorgepflicht auf fatale Weise verletzt, das war mal communis opinio in der Counterculture.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Der US-Romancier Tobias Wolff hat in seinen Erinnerungen »In der Armee des Pharaos« die fatale Gemengelage aus Idealismus, Abenteuerlust und bloßer Dummheit beschrieben, die ihn in den Krieg geführt hat. Sein Buch kennt nur einen Helden, jenen verärgerten und besorgten Vater, der seinen Sohn am Abend vor der endgültigen Verlegung nach Vietnam ins Gebet nimmt und zur Desertion überredet.

Wolff träumt daraufhin, wie bewaffnete Entführer seinen Bus zum Militärflughafen überfallen, wo die Maschine wartet, die ihn und die anderen jungen Männer an die Front bringen soll: »Der Fahrer hält an. Die Entführer hämmern auf die Tür ein, bis er sie öffnet. Sie kommen die Stufen hoch und den Gang entlang, leuchten jedem Einzelnen ins Gesicht, bis sie diejenigen finden, nach denen sie suchen. Sie rufen unsere Namen, und dann wissen wir, wer hinter den blendend hellen Lampen steckt. Unsere Väter. Unsere Väter, die gekommen sind, um uns nach Hause mitzunehmen. Verrückt. Aber nicht so verrückt wie das, was sie wirklich taten – nämlich uns gehen zu lassen.«

Jene, die jetzt jubeln und so furchterregend einverstanden sind mit dem starken Mann im Kanzleramt, der mit »100 Milliarden Euro als Sondervermögen« und »mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts« aus der Bundeswehr im Handstreich wieder eine schlagkräftige Truppe machen will, müssen wissen, dass man die nur braucht, wenn man sich wirklich schlagen will. Es werden eure Söhne, Töchter, Enkelkinder sein, die in einem Zinksarg zurückkommen.

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