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Kaffeeküche der Selbstdarsteller
Leo Fischer hofft, dass der Niedergang der Linkspartei wenigstens kathartische Wirkung hat
Die Wahl im Saarland zeigt eine Partei im freien Fall: In ihrem westlichen Kernland ist Die Linke auf spektakulär niedrige Werte gestürzt. Auch sonst verheißen die Umfragen nichts Gutes. Und selbst hartgesottene Stammwähler*innen fragen sich, ob die Partei in ihrem jetzigen Zustand überhaupt in die Parlamente sollte, so völlig richtungslos zeigt sie sich. Da ist natürlich der Krieg, der jahrzehntelang gehegte Überzeugungen in Frage stellte - wie »Friedenspolitiker« auseinanderfallen, die Verständnis für jedes beliebige diktatorische Regime haben, solange es bloß nicht der Nato angehört, konnte man mit heißer Scham beobachten.
Da sind auch die Sabotagebemühungen des Ehepaars Wagenknecht, die spätestens mit der »Aufstehen«-Bewegung offenkundig waren und jetzt, mit Lafontaines Austritt direkt vor der Wahl, ihren Höhepunkt erreichten. Die Parteispitze war chronisch unfähig, Sabotage Sabotage zu nennen, zu sehr schielte man auf die Medienpräsenz des Paares - man machte sich von ihrem Ruhm abhängig wie das Land vom russischen Gas.
Das Problem der Partei liegt freilich tiefer, sogar das Agieren ihrer Gründer*innen-Gestalten ist dafür nur Symptom: Zu lange schon war die Partei selber nur Sammlungsbewegung, ja fast nur mehr Plattform. Eine gemeinsame Stimme war schon lange nicht mehr zu hören. Fast jeder Landesverband war ein abgezirkelter, sektiererischer Verein, über den sich die anderen Landesverbände das Maul zerrissen. Charismatische Einzelpersonen sammelten mit wirren Manifesten und Social-Media-Agitation ihre eigene Clique; meist zentriert um Themen wie »Israel-Kritik«, subtiles Corona-Geschwurbel oder weltpolitische Analysen an der Grenze zur Verschwörungstheorie - hinter allem steckt die CIA! Das war nicht das Problem von »ein paar Idioten«, die »jede Partei nun mal hat«, sondern ein Haltungsschaden: Viele öffentlich wirksamen Personen in der Partei kochten ihr Süppchen, sahen sich als raffinierte Entristen in eigener Sache und nahmen die seltenen Einheitsappelle der Führung achselzuckend zur Kenntnis. Es gab zuletzt kein Thema der Partei - hier konnten Familien Kaffee kochen oder Selbstdarsteller*innen beliebige Ressentiments aufbrühen.
Hatte sie schon kein Thema, wurde ihr auch noch die Ästhetik weggenommen - von SPD und Grünen. Mit dem Aufstieg des Twitter-Sozialismus pflegt eine ganze Generation sozialdemokratischer Patrizier, grüner wie roter, eine Rhetorik der Radikalität, die die der Linken oft überholt. Man liest von SPDlern plötzlich wieder Marx-Zitate, sieht rote Fahnen und bedrohliches Fuchteln in Richtung Monopolkapital. Freilich bleiben all diese Gesten auf eine rein ästhetische Ebene beschränkt. Die aktuelle Programmatik der Ampel ist die der FDP - Vorfahrt für die Industrie, geht krank zur Arbeit! Das rohe sozialdemokratische Einerlei wird lediglich »anders kommuniziert«: Hartz IV soll zum x-ten Mal einen neuen Namen kriegen; die komplette Aufweichung des Seuchenschutzes heißt Hotspot-Regelung, und Habeck schwört das Volk auf naturgesetzartig steigende Lebensmittelpreise ein.
Man könnte den Niedergang der Linken schade finden - die im Zuge von Krieg und Seuche drohende Verarmung großer Teile der Bevölkerung hätte eine linke Partei verdient, die Protest organisiert und verkörpert. Gleichzeitig: Eine Partei, die am liebsten Weltgewissen spielt, sich mit außenpolitischen Ferndiagnosen überhebt und einen Blödelbarden wie Dehm über »Menschheitsfeinde« schwadronieren lässt, hat ihren Niedergang auch ein bisschen verdient. Vielleicht ist er ja kathartisch.
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