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- Film "Loving Highsmith"
Verdammt zu ewiger Geheimhaltung
Der Dokumentarfilm »Loving Highsmith« ergründet das lesbische Doppelleben der Autorin Patricia Highsmith
Jeder kennt die Krimiautorin Patricia Highsmith, deren Bücher millionenfach verkauft und etliche Male verfilmt wurden. Doch kaum einer weiß Bescheid über das Leben dieser ungewöhnlichen Frau, das mindestens genauso spannend und durch ihr Doppelleben bestimmt war, wie ihre Romane.
Zu ihrem 100. Geburtstag im Herbst letzten Jahres erschienen ihre Tage- und Notizbücher. Im Dokumentarfilm »Loving Highsmith« gelingt es der Schweizer Regisseurin Eva Vitija auf der Grundlage dieser Aufzeichnungen, das Doppelleben der genialen Autorin psychologischer Kriminalromane zu einem fesselnden Gesamtbild zusammenzufügen. Ein Leben, das zudem leider exemplarisch für das Leid und die Unterdrückung lesbischer Frauen steht.
Aufgewachsen ist Highsmith bei ihrer geliebten Großmutter in Texas, wegen der sie vermutlich im fortgeschrittenen Alter zu rassistischen Äußerungen neigt. In Vitijas vielschichtigem Porträt wird diese Tatsache glücklicherweise nicht unter den Teppich gekehrt. Highsmith› Mutter Mary wollte kein Kind, wollte eigentlich abtreiben, wie sie ihrer Tochter in jungen Jahren ungerührt zu verstehen gab. Auch der Vater, von dem Mary sich neun Tage vor der Geburt scheiden ließ, hatte auf eine Abtreibung gedrungen. Die ersten sechs Lebensjahre der kleinen Patricia glänzt die Mutter dann durch Abwesenheit, zieht mit ihrem neuen Mann nach New York. Das Kind wächst bei der Oma zunächst unter »Rindern und Rodeos« auf.
Die hinreißende 95-jährige Autorin Marijane Meaker, die zwei Jahre ihre Geliebte war, konstatiert im Interview trocken, dass Highsmith‹ Mutter ein Biest war, ihre Tochter sie jedoch aufrichtig liebte. »Ich frage mich, was meine Mutter an mir so furchtbar findet«, schrieb Highsmith in ihr Tagebuch. Doch ihre verzweifelte Liebe wurde nie erwidert. Stattdessen putzt die Mutter das 14-jährige Mädchen runter, sich nicht wie eine Lesbe zu benehmen. Mit 16 zwang sie ihr gar einen Freund auf. Meaker erzählt, dass Highsmith – wie viele Frauen damals – verzweifelt versuchte, ihre lesbische Neigung abzulegen. Sie ging deshalb sogar zur Psychoanalytikerin.
1952 veröffentlicht Highsmith ihr »Mädelsbuch«, wie sie es nannte, »Salz und sein Preis«, unter dem Pseudonym Claire Morgan. Erst wenige Jahre vor ihrem Tod traute sie sich, den von einer lesbischen Liebe handelnden Roman unter ihrem echten Namen herauszubringen, nun mit dem Titel »Carol«. 2015 wurde dieses Kultbuch, das es wagte, ein Happy End zu haben – lesbische Romane dieser Zeit mussten eigentlich immer unglücklich enden –, von Todd Haynes mit Cate Blanchett in der Hauptrolle verfilmt.
»Schreiben ist der einzige Weg sich respektabel zu fühlen«, notiert Highsmith einmal. Im Original der Doku werden die Tagebuch-Passagen sehr passend von Gwendoline Christie vorgelesen, die in »Game of Thrones« die wackere Brienne of Tarth gespielt hat. In der deutschen Synchronisation leiht Maren Kroymann – ebenfalls sehr überzeugend – Highsmith ihre Stimme.
Auch die Filmemacherin selbst kommt zu Wort, erzählt wie sie sich bei der Lektüre der Tagebücher mehr und mehr in die 1995 in der Schweiz gestorbene Autorin »verliebt«.
Highsmith ist häufig umgezogen; oft hing das mit ihrem schwierigen Liebesleben zusammen, das natürlich unter der strikten Geheimhaltung ihrer sexuellen Orientierung litt. Ihre texanischen Verwandten können es heute noch sichtlich kaum fassen, dass Patricia lesbisch war.
Mit Meaker und fünf Katzen kehrte Highsmith Ende der 50er Jahre New York den Rücken und wohnte zwei Jahre auf dem Land. Auch mit der Französin Monique Buffet verband die Krimiautorin eine lebenslange Freundschaft. Buffet erzählt von Patricias geheimnisvoller großen Liebe – eine verheiratete Frau, wegen der sie später nach England zog, um in ihrer Nähe zu sein. Jahrelang forschte Vitija nach dieser mysteriösen Unbekannten, als sie sie endlich fand, war sie leider schon verstorben.
Highsmith beendete nach einiger Zeit die zur ewigen Geheimhaltung verdammte Beziehung. Laut ihrem Tagebuch war das »die schlimmste Zeit ihres Lebens«. Daraufhin zieht sie in das Dorf Montcourt nach Frankreich. Dort wird Highsmith auch einmal von einem unsensiblen Reporter interviewt, der sie fragt, warum sie eigentlich allein lebe. Dies sei ihr häufig passiert, erzählt sie und dass sie sich dann fühle »wie eine Patientin, die krank auf dem Tisch liegt«.
Gegen Ende der Doku sehen wir Highsmith, deren Bücher nicht nur von Hitchcock verfilmt wurden, als Juryvorsitzende der Berliner Filmfestspiele. Bei dieser Gelegenheit verliebte sie sich in eine Mitarbeiterin von Ulrike Ottinger, die 2020 verstorbene queere Berliner Punk-Ikone Tabea Blumenschein, die Vitija aber glücklicherweise noch interviewen konnte. Die Beziehung mit Blumenschein verarbeitet Highsmith in ihrem vierten Ripley-Roman, der auch auf der Berliner Pfaueninsel spielt, wo die beiden öfter gemeinsam spazieren gingen.
»Ripley, das ist Patricia«, behauptet Buffet einmal. Nach Genuss dieses sehenswerten Dokumentarfilms, der sich jedes küchenpsychologischen Kommentars enthält, bekommt man große Lust, zumindest ihre fünf Ripley-Romane noch einmal mit diesem Wissen zu lesen.
»Loving Highsmith«, Schweiz/Deutschland 2021. Regie und Drehbuch: Eva Vitija. 83 Minuten. Start: 7.4.
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