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Kindeswohl als Nebensache
Studie über Trennungspolitik belegt »handfesten rechtsstaatlichen Skandal«
Pädophile Neigungen des Vaters und sogar der begründete Verdacht sexuellen Missbrauchs »rechtfertigen nicht von sich aus einen Ausschluss des Umgangs«. Auffällige Verhaltensweisen des Kindes »könnten nicht hinreichend mit einer Traumatisierung des Kindes als Folge miterlebter häuslicher Gewalt erklärt werden«. Es sind erschütternde gerichtliche Urteilsbegründungen zu Verfahren zum Umgangs- und Sorgerecht, die in einer in dieser Woche veröffentlichten Studie zitiert werden.
In der von dem Soziologen Wolfgang Hammer, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Kinderhilfswerks, durchgeführten Studie wurden über 1000 Fälle »problematischer Inobhutnahmen und Fremdunterbringungen« untersucht. Hammer wertete zudem 92 familienrechtliche Fälle im Zeitraum von 1998 bis 2021 aus, die beim Bundesverfassungsgericht und beim Bundesgerichtshof anhängig waren. Es werden eklatante Schwachstellen in den Familiengerichten sowie in der Kinder- und Jugendhilfe sichtbar. So kommt es teils trotz Gewalthintergründen zu Sorgerechtsübertragungen an den Täter, gerichtlich herbeigeführten Wechselmodellen oder Inobhutnahmen von Kindern.
»Vielfach erfolgt eine Täter-Opfer-Umkehr. Besonders deutlich wird dies in den Fällen, in denen Pädophilie beziehungsweise pädophile Neigungen den Hintergrund bilden. Selbst hier wird von einem Elternkonflikt gesprochen«, kommentiert der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland die Studienergebnisse. Eine besondere Aufmerksamkeit erfährt in der Studie auch die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells. In diesem Modell teilen sich die Eltern nach der Trennung die Betreuungszeit der Kinder zu gleichen Anteilen. Internationale Studien würden zeigen, dass für ein Funktionieren eines solchen Wechselmodells mehrere Faktoren stimmen müssen, etwa wenig persönliche Probleme, ausreichende finanzielle Mittel, räumliche Nähe und vor allem wenig Elternkonflikte. Gerichtlich aufgezwungen könne ein solches Modell nicht zum Wohl des Kindes funktionieren.
Die Ampel-Regierung will das Wechselmodell künftig »in den Mittelpunkt« stellen, wie es im Koalitionsvertrag formuliert ist. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte schon 2018 einen Antrag zur Einführung des Wechselmodells als Regelfall im Familienrecht gestellt. Dieser wurde damals jedoch noch von allen anderen Parteien abgelehnt. Auch in jüngster Zeit wurden Anträge für das Wechselmodell als familienrechtlichen Regelfall gestellt. Zuletzt etwa von der Hamburger AfD-Fraktion.
Doch schon heute wird von Jugendämtern, in gerichtlichen Gutachten und von Verfahrensbeiständen immer wieder auf das Wechselmodell gedrängt. Das wurde in der Studie und auch in dem am Donnerstag stattgefundenen Pressegespräch zu der Untersuchung deutlich. »Wenn sie kein Wechselmodell wollen, dürfen sie sich nicht trennen«, zitierte etwa Sybille Möller von der Mütterinitiative für Alleinerziehende (Mia) entsprechende Aussagen.
Ein großes Problem sind der Studie zu Folge Lobbyorganisationen, die das familienrechtliche Umfeld und die Rechtsprechung in hohem Maße beeinflussen würden. Vielmehr noch: Deren Narrative hätten sich zu einer Doktrin in der Aus- und Fortbildung familienrechtlich Beteiligter entwickelt und würde bundesweit von wenigen Beteiligten dominiert werden. »Die Studie macht deutlich, wie eine Lobby und nahestehende Akteure diese antifeministischen Narrative, die sich vor allem gegen alleinerziehende Mütter wenden, nutzt, um über Weiterbildungen (...) Einfluss auf familiengerichtliche Verfahren zu nehmen«, erklärte Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbands Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). Die Studie zeige, dass sich familiengerichtliche Entscheidungen oft nicht am Wohl des Kindes orientieren, sondern an ideologischen Leitbildern.
Neben dieser Lobbyarbeit werden in der Studie aber auch strukturelle Mängel des familiengerichtlichen Systems als Ursache für Urteile gegen das Kinderwohl gesehen. So gibt es etwa bei Familienrichtern eine besonders hohe Fluktuation. Lange Verfahrensdauern und vielfache Begutachtungen der Kinder führen zu Verhaltensauffälligkeiten und seelischen Verletzungen. Ein Problem sei auch, dass verbindliche Kriterien bei den Begutachtungen zur Ermittlung des Kindeswillens fehlten. Eine ergebnisoffene Beratung bei Trennungen sei das richtige Modell, sagte Ludwig Salgo bei dem Pressegespräch. »Der Staat soll hier keine Prioritäten oder Vorgaben machen«, so der Familienrechtler. »Sämtliche Erkenntnisse internationaler Forschung und der Runden Tische zum sexuellen Kindesmissbrauch werden nicht nur ignoriert, sondern teilweise ins Gegenteil verkehrt«, so das Fazit von Hammer.
Er forderte, dass bei der von der Regierung geplanten großen Familienrechtsreform möglichst wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde gelegt werden, um zum Schutz der Kinder strukturellen Defiziten und der kinder- und frauenfeindlichen Ideologie entgegenzuwirken. »Wir haben es mit einem handfesten rechtsstaatlichen Skandal zu tun, der sofortiges Handeln der politischen Verantwortungsträger erforderlich macht.«
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