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Ein süßes Geschäft
In der Dominikanischen Republik können Touristen mit Öko-Bauern die Plantagen erkunden
Gestern Abend war Emilio Perez noch schnell in der Banca. Allerdings wird hier kein Peso vermehrt, zumindest nur selten. In den bunten Häuschen, die ein wenig an Bushaltestellen erinnern, und in jedem noch so kleinen Dorf in der Dominikanischen Republik stehen, geht den meisten das Geld nur durch die Lappen. Auch Emilio hatte kein glückliches Händchen. Eigentlich zieht er immer nur Nieten. Aber irgendwann könnte er ja den ultimativen Treffer landen.
Er hofft auf das große Geld in einer der unzähligen Losbuden. Viele Bauern wie Emilio verzocken allmonatlich einen Teil ihres Einkommens, das sie sich mit viel Schweiß erarbeitet haben. Jeden Morgen steht der 36-Jährige um fünf Uhr auf, die Temperaturen auf den Kakaofeldern sind noch halbwegs erträglich. Für Emilio ist das die einzige Einnahmequelle, und sein Glück ist, dass die Dominikanische Republik die Nase vorn hat in Sachen Bio-Kakao. Nicht, was die Menge betrifft. Aber die Qualität ist Weltspitze. Das behaupten nicht nur die vielen Hundert Kleinbauern, die sich der Ökoproduktion verschrieben haben. Auch europäische Bio-Firmen wie Demeter und Rapunzel bestätigen dies. Die Bauern verzichten auf die chemische Keule und bekämpfen die Ratten, den Hauptfeind der Kakaobohne, mit einem Gemisch aus Kern und Korn. Weizen oder Hafer vermengt mit geschredderten Avocadokernen schmeckt den Nagern, bekommt ihnen aber nicht. Für die Pflanzenwelt hingegen ist der Köder kein Problem. Auch die Düngung, die auf Bio-Basis erfolgt, ist für Emilio nichts Besonderes mehr, er kennt es nicht anders.
Einreise: Derzeit benötigen EU-Bürger kein Visum. Ein Reisepass genügt. Die Kosten für die verpflichtende »Touristenkarte« sind in das Flugticket eingepreist. Am Einreiseflughafen werden stichprobenartig Coronatests durchgeführt. Weitere Infos zum Thema Einreise und Covid: www.godominicanrepublic.com
Anreise: Die Dominikanische Republik gehörte zu den ersten Ländern weltweit, die die Grenzen für Reisende im Corona-Zeitalter wieder geöffnet haben. Entsprechend groß ist das Angebot an Flügen, beispielsweise ab Berlin, Frankfurt oder München.
Hotels: In Santo Domingo findet man Luxushotels der großen Ketten. Die einheimischen Betriebe haben aber in den vergangenen Jahren stark aufgeholt, was Komfort und Sauberkeit betrifft. Es gibt mehr und mehr Mittelklassehotels mit akzeptablen Zimmern, ebenfalls unter: www.godominicanrepublic.com
Kakao-Tour: Yamasá liegt rund 60 Kilometer nördlich von Santo Domingo. Geführte Kakaotouren (6 Stunden) ab Santo Domingo kann man buchen unter: www.tequiaexperiences.com
Die Recherche wurde unterstützt vom dominikanischen Tourismusministerium.
Mittlerweile fährt er auf der Bio-Schiene sogar doppelspurig, indem er nicht nur mit dem Verkauf seiner Bohnen verdient, sondern auch Touristen in sein süßes Geschäft reinschnuppern lässt. Vor allem europäische Gäste begleiten ihn und staunen über sein wichtigstes Handwerkszeug: die lange Machete, die auch aus einem Bruce-Lee-Film stammen könnte. Mit kurzen Hieben hackt er die Kakaofrüchte, die in Form und Größe an eine Mango erinnern, von den Bäumen. Es ist nicht mehr dunkel, aber auch noch nicht hell, und er muss Acht geben, dass er nicht unreife Früchte zu Fall bringt oder die Bäume verletzt. »Mein Freund Carlo hat sich schon den Daumen abgehackt«, sagt er und lächelt trotzdem. Kakao ist Handarbeit, da braucht man jeden Finger.
Die Ernte ist eingefahren, jetzt wird sie heimgefahren. In einem Handkarren schiebt Emilio Perez die Früchte durch sein Dorf nahe der Stadt Yamasá, deren gut 80 000 Einwohner der Kakao ernährt. Die Häuser mit ihren blauen Mauern und grünen Türen, roten Fensterläden und gelben Blumentöpfen sind so bunt wie der Werbeprospekt eines Farbenhändlers. Nur manchmal geht dem karibischen Malkasten der Stoff aus und so stehen ein paar graue Hütten herum, die wie Trauergäste bei einem Karnevalsumzug wirken. Die Region 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santo Domingo gilt als zweitgrößtes Kakaoanbaugebiet der Insel. Im Rücken der Kakaobäume ragt das Zentralmassiv der Dominikanischen Republik mit Riesen über 3000 Metern auf, die ihre Spitzen so lange in die Wolken piksen, bis es regnet. Und zwar regelmäßig. Ideales Klima für 70 000 Tonnen Bohnen pro Jahr.
Als Emilio in seinem kleinen Hof ankommt, fallen erste Tropfen vom Himmel, ehe bald ein prasselnder Regen die schwül-karibische Luft durcheinanderwirbelt. Nach zehn Minuten ist der Schauer vorüber, nach 15 Minuten der Boden wieder trocken. Längst hat der 36-Jährige begonnen, die Früchte zu zerteilen. Die Machete in der Linken, das gute Stück in der Rechten, macht er einen schnellen Schnitt und zieht anschließend das Innere heraus. Er reicht einen Strang, der aus weißen, klebrigen Bohnen besteht und fordert seine Gäste auf, davon zu probieren. Die Mutigen haben schon ein Stück im Mund und kauen, bevor Emilio erklärt, dass man nur lutscht. »Sonst sind die Bohnen bitter und schaden dem Magen.« Wer sich an seine Regeln hält, schmeckt nicht etwa Schokolade, sondern eine Mischung aus Vanillecreme und zuckersüßem Pudding. »Es dauert noch eine Weile, bis daraus Kakao wird.«
Mindestens fünf Tage müssen die Bohnen trocknen. Sie erhalten zuerst eine Schwitzkur unterm Dach, ehe sie ins Freie gelangen. Aber bei 30 Grad Durchschnittstemperatur von Januar bis Dezember ist auch das eine Hitzestube. Bis vor ein paar Jahren hat das noch jeder Bauer bei sich zu Hause gemacht. Dann kamen die ersten auf die Idee, dass sich diese Arbeit besser organisieren lässt, indem man große Anlagen baut und eine Genossenschaft gründet, die den Verkauf regelt. Emilio ist Mitglied beim Zusammenschluss Conacado, der unweit seines kleinen Hofes residiert. Den ganzen Tag fahren hier Autos oder Motorräder vor, laden Männer große Säcke ab und warten, bis sie ihren Lieferschein bekommen. Diese Genossenschaften sind der Glücksfall für ganze Regionen, die vom Staat vernachlässigt werden. Mit dem Gewinn können sie Schulen und Krankenhäuser bauen. Und das, obwohl auch die Bauern nach Angaben der Genossenschaften gut verdienen. Angeblich bleibt 72 Prozent des Gewinns beim jeweiligen Erzeuger hängen. Kakao ist ein gutes Geschäft. Die Preise steigen mit der Nachfrage und die hat in den vergangenen Jahren weltweit angezogen - vor allem für Bioware. Europa ist der größte Abnehmer. Pralinen in der Schweiz. Schokoriegel in Deutschland. Bio-Kakao aus der Karibik.
Während Emilio seine Säcke abgeliefert hat, hat seine Frau Arancha über der Feuerstelle im Garten eine Portion getrocknete Bohnen geröstet und bittet auch die Gäste, beim Schälen zu helfen. Mit einem Megamörser zerstampft sie anschließend die Menge zu Pulver. Kakao in seiner reinsten Form. Und gut. Vermischt mit Wasser und Zucker duftet in den Tassen ein Weihnachtstrunk mit Nuancen von Zimt und einer feurigen Note im Abgang. Kakao soll ja angeblich glücklich machen. Ob er auch Glück bringt? Wir haben es am Abend auch noch in der Banca versucht. Leider nur Nieten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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