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Nur Platz drei für linken Kandidaten
Jean-Luc Mélenchon verpasste die Stichwahl in Frankreich um wenige Prozent
Lange schien alles sprichwörtlich klar, was den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Frankreich betrifft. Obwohl sich der amtierende Präsident erst in letzter Minute, knapp vier Wochen vor der Wahl, öffentlich zur Kandidatur bekannte, die alle Welt und fast die ganze Öffentlichkeit als natürlich gegeben annahm. Denn wer mit dem Beinamen »Jupiter« durch die Zeiten läuft, gibt nicht einfach auf nach dem ersten Versuch.
Ein echter Wahlkampf fand dennoch nicht statt: Anstelle eines Programms präsentierte Macron einen unverbindlichen Katalog von »Projekten« wie schon 2017 vor der letzten Wahl. Zudem hatte er als EU-Ratspräsident und diplomatischer Vermittler im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine viel und anderes zu tun, als den heimischen Wahlkampf zu befeuern. Fernsehdebatten mit den elf übrigen Kandidaten entzog er sich ebenso wie Großveranstaltungen seiner Partei. Das Ausbleiben einer politischen Debatte über die Zukunft der V. Republik beförderte auch die Kandidatin der konservativen Republikaner, die lieber mit den Rechten kokettierte, als eigene Ideen gegen Macron zu präsentieren.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Da die Rechten gespalten sind in die Nationalisten vom »Rassemblement National« (RN) unter Marine Le Pen und den rechtsradikalen Hassprediger Éric Zemmour, hatte Macron sehr gute Chancen, dass es in einer Stichwahl zu einem Duell zwischen ihm und Marine Le Pen kommen würde. Dabei wurde ein Sieg der Nationalistin vom RN außer von einem Teil der deutschen Presse überall so gut wie ausgeschlossen, denn die Nationalisten versuchen seit über 30 Jahren vergeblich, die Hürde von 26 bis 30 Prozent Stimmenanteil zu überwinden.
Doch die politische Lage für den zunächst als sicher geltenden Sieger Macron und seine Partei hat sich wohl nicht zuletzt durch die gut besuchte Wahlveranstaltung Jean-Luc Mélenchons vom linkssozialistischen Bündnis La France Insoumise am 20. März in Paris verändert. Mélenchon präsentierte nämlich ein Wahlprogramm, das alle Kandidaten unerwartet traf: einige Hundert Projekt- und Reformvorhaben für alle Bereiche der Politik, darunter die Rente mit 60, die Erhöhung des Mindestlohns, die Schaffung von Chancengleichheit im Bildungswesen, eine Million neuer Beamtenstellen sowie einen Preisstopp für Grundnahrungsmittel und Benzin. Damit mutierte der bisher flaue Wahlkampf in einen Richtungsstreit über den Vorrang des Sozialen vor dem (Neo-)Liberalen.
Mit der Verschiebung des Wahlkampfs vom Terrain des Liberalen auf das Soziale erreichte Mélenchon, dass sich die konservativen Republikaner im ersten Wahlgang entscheiden mussten zwischen Marine Le Pen und ihm - womit seine Chancen eigentlich stiegen, anstelle von Marine Le Pen in die Stichwahl zu gelangen. Allein das Erreichen der Stichwahl für einen Linken hätte das »Projekt Macron« schwächen und den Raum für Alternativen wieder öffnen können. Dem Präsidenten gelang seit 2017 mindestens eines gründlich: die Entbeinung der Demokratie durch die faktische Lähmung der konservativen, linken und liberalen Parteien. Die dezimierte und zersplitterte Linke hätte so wieder Luft zum Atmen und damit Chancen zur Erholung gewonnen.
Doch nun stehen sich Le Pen und Macron in einer Stichwahl am 24. April gegenüber. Mélenchon landete am Sonntag mit 21,95 Prozent auf Platz drei. Die Wahl war - auch unabhängig vom Ausgang des Kampfes um die Teilnahme an der Stichwahl - ein Debakel für die Demokratie: Die Wahlbeteiligung lag laut einer Schätzung des Umfrageinstituts Ipsos kurz nach Schließung der Wahllokale bei 74 Prozent. Bereits vorherige Prognosen, wonach zwar fast 80 Prozent der Wähler Macron als Wahlsieger sahen, aber nur knapp die Hälfte davon sich dessen Sieg wünschte (also im Prinzip bereit wären, ihn wenigstens im zweiten Wahlgang zu wählen), legten angesichts von zwölf Kandidaten den Schluss nahe, dass die faktische Wahlbeteiligung gering ausfallen werde.
Demokratische Mehrheiten kommen nach fünf Jahren Macron-Regime, welches die Parteien im politischen Betrieb bis zur Funktionslosigkeit verurteilte und im Gegenzug dazu private Politikberatungsfirmen mit staatlichen Millionenaufträgen unterstützte, nur noch als schwach legitimierte Minderheiten zustande. Mélenchon verringerte den Abstand zu Marine Le Pen stark und verpasste die Teilnahme an der Stichwahl nur um 1,5 Prozent. Eine Niederlage und ein Achtungserfolg für die Linke gleichermaßen.
Rudolf Walther ist Historiker und freier Autor.
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