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Die Rendite steht über der Gesundheit von Mietern
Seit zwei Wochen müssen die Bewohner eines Wilmersdorfer Hauses frieren. Der Eigentümer ist ein berüchtigter Fonds
Kurz nach dem Besuch in der Wilmersdorfer Wohnung schickt der 49-jährige Mieter per E-Mail ein Foto vom blutunterlaufenen rechten Auge seiner 78-jährigen Mutter. »Vor einigen Minuten habe ich das an ihrem Auge entdeckt«, schreibt er. Das sei »zweifellos eine Folge vom andauernden Stress durch die angespannte Wohnsituation«. »Sie hätte tot sein können, wenn in ihrem Gehirn eine Ader geplatzt wäre«, schreibt er weiter. Seine Mutter leidet unter schwerem Bluthochdruck.
Die Wohnsituation in der Güntzelstraße 48 ist angespannt wegen fehlender Wärme. Am 30. März wurde die Heizung abgestellt, mitten in einer sehr kalten Periode mit Nachtfrösten. Der Mieter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, führt durch die großbürgerlich eingerichtete Wohnung, die 165 Quadratmeter groß ist. Wilmersdorf eben. Am Eingang reicht er Plastiküberzieher für die Schuhe, um das Parkett zu schonen. »Fassen sie die Heizungen an«, fordert er auf. Die ersten beiden Rippen sind heiß. Spätestens ab der fünften Rippe unterscheidet sich die Temperatur des Heizkörpers überhaupt nicht mehr von der Umgebung. Ein lautes Plätschern ist zu vernehmen. »Nachmittags, wenn die Bauarbeiten in den Gewerberäumen beendet sind, wird die Heizung wieder angeschaltet«, berichtet er. Weil offenbar zu wenig Wasser im Rohrleitungssystem ist, gluckert es und die Heizleistung reicht bei Weitem nicht aus.
Angekündigt wurden die Arbeiten von der Hausverwaltung Ernst G. Hachmann GmbH Ende Januar. »Im Rahmen der Umbauarbeiten im Erdgeschoss starten in der Woche ab 21.02.2022 die Arbeiten an der Heizungsanlage. Es ist leider nicht zu vermeiden, dass das Heizungsnetz komplett entleert werden muss«, heißt es lapidar in dem »nd« vorliegenden Schreiben. Schon damals stellte sich der Mieter auf die Hinterbeine und alarmierte den Mieterschutzbund, der die Hausverwaltung an die Pflicht erinnerte, innerhalb der bis 30. April laufenden Heizperiode eine Heizmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Arbeiten wurden aufgeschoben.
»Es gab keinen ersichtlichen Defekt an der Heizanlage. Sie wollten einfach nur die Arbeiten im Erdgeschoss schneller vorantreiben«, sagt der Mieter. Von dem Lärm, den die unangekündigt im Dezember begonnenen Bauarbeiten in den Gewerberäumen ausüben, ganz zu schweigen. »Die Auswirkungen auf uns sind ihnen egal.«
Das überrascht nicht, wenn man sich anguckt, wem das Haus gehört. Als Eigentümerin firmiert die Berlin Project-5 Property III S.à.r.l. mit Sitz in Luxemburg. Sie gehört zu den Optimum Evolution Fonds, die vom luxemburgischen Unternehmen Optimum Asset Management SA gemanagt werden. Laut einem Bericht der »taz« von 2018 werde hier eine exorbitante jährliche Rendite von zehn Prozent erzielt, die Fondsmanager können sich über 20 Prozent Gewinnbeteiligung freuen.
Zu den Tausenden dem Fonds gehörenden Wohnungen in Berlin zählte bis Ende 2020 auch ein Komplex am Kreuzberger Mehringplatz, über den »nd« berichtete. Das heruntergewirtschaftete Ensemble sei von der Hausverwaltung wegen der vielen Lecks »Wasserschlösschen« genannt worden, so Mieter. Von den über 300 Wohnungen standen mindestens 30 leer. »Die Eigentümer scheinen keinerlei Interesse daran zu haben, dass hier Menschen wohnen, für sie sind die Häuser ein reines Spekulationsobjekt. Sie üben Druck aus, um Kosten zu sparen, alles rauszuholen«, berichtete Mieterin Daniela Berger damals. Schließlich hat die landeseigene Howoge den Komplex übernommen.
Von Leerstand berichtet auch der Mieter aus der Güntzelstraße 48. Seinen Angaben zufolge sind vier der acht Wohnungen in seinem Aufgang unbewohnt. Die zuständige Hausverwaltung reagiert nicht auf eine schriftliche Anfrage von »nd«. Gut möglich, dass auch hier entmietet werden soll. Schließlich ist der Mieter bereits vor zehn Jahren eingezogen, mit einem neuen Vertrag ließe sich die Miete sicherlich deutlich nach oben schrauben.
Enttäuscht ist der Mieter auch von der bezirklichen Bau- und Wohnungsaufsicht. Bereits im Februar hatte er sie kontaktiert wegen der anstehenden Heizungssperrung, später erneut. »Von der Wohnungsaufsicht wurde am 08.04.2022 die Hausverwaltung per Mail angeschrieben und um Stellungnahme gebeten sowie um Mitteilung, wann die Heizanlage wieder in Betrieb genommen wird. Eine Stellungnahme der Hausverwaltung ist kurzfristig angekündigt «, heißt es nun auf nd-Anfrage vom zuständigen Bezirksstadtrat Fabian Schmitz-Grethlein (SPD). Die Hausverwaltung habe sich am Montag bemüht, Zutritt zur Wohnung bekommen.
»Heute hatte ich Kontakt zu einem Heizungsmonteur«, bestätigt der Mieter am Dienstag. Inzwischen geht die Heizung alle halbe Stunde an und dann wieder aus, berichtet er, der inzwischen eine einstweilige Verfügung erwirkt hat. »Die Hausverwaltung arbeitet nachweislich daran, den Mangel abzustellen, daher werden wir als Wohnungsaufsicht vorerst nicht tätig werden«, schreibt Stadtrat Schmitz-Grethlein.
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