Kurdischer Aktivist vor Gericht

Viele Verfahren und Verurteilungen aufgrund der 129er-Paragrafen in jüngster Vergangenheit

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn man die Parole »Freiheit für Abdullah Öcalan« hört, denken alle sofort an den seit über 22 Jahren in der Türkei inhaftierten Vorsitzenden der kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Doch passt sie auch auf einen aktuellen Fall hierzulande: Am 11. April wurde vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) die Hauptverhandlung gegen einen in Deutschland lebenden Abdullah Öcalan eröffnet, der mit dem PKK-Vorsitzenden nicht verwandt ist. Der Name ist in Kurdistan häufig. Was beide Öcalans eint, ist ihr Engagement für die kurdische Bewegung.

Deswegen wird Abdullah Öcalan von der Anklage beschuldigt, Mitglied in einer »terroristischen« Vereinigung im Ausland zu sein. Von August 2019 bis zu seiner Festnahme am 11. Mai 2021 soll der 58-Jährige unter dem Namen »Xebat« mehrere PKK-Gebiete, unter anderem in Hessen, im Saarland und in Baden-Württemberg, geleitet haben. Dabei sei er verantwortlich gewesen für die Koordination organisatorischer, personeller und propagandistischer Angelegenheiten, habe Anweisungen erteilt, sich über die Situation und Entwicklung der jeweiligen Sektoren berichten lassen und Spendensammlungen für die politische Arbeit durchgeführt.

Öcalan ist seit elf Monaten unter erschwerten Bedingungen inhaftiert, wie es bei Angeklagten nach den entsprechenden 129er-Paragrafen üblich ist. Dazu gehören eine Trennscheibe bei Besuchen sowie eine Postkontrolle. In einer Erklärung wies er am ersten Prozesstag die Anklage zurück. Terrorismus sei für ihn die Politik der türkischen Regierung. Die kurdische Bewegung hingegen strebe nach Demokratie und Frieden und verteidige damit eigentlich europäische Werte, so Öcalan. Sein Anwalt Stephan Kuhn stellte einen Antrag, das Verfahren einzustellen, weil eine Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium dafür erforderlich sei. Dafür gebe es angesichts der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei keine Grundlage, so die Argumentation des Juristen.

Im Gespräch mit dem »nd« gab er dem Antrag, über den beim nächsten Prozesstermin am 13. April entschieden wird, jedoch selbst keine Chancen. Letztlich sei es eine politische Frage, die Verfolgungsermächtigung nicht mehr zu erteilen, so Kuhn. Das Thema spielte allerdings bei der Bildung der neuen Regierung keine Rolle - so dass die entsprechende Verfolgungsermächtigung weiterhin gilt.

Aktivismus als Straftat
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Generell ist festzustellen, dass Anklagen und auch Verurteilungen gegen kurdische Aktivist*innen in letzter Zeit in Deutschland zugenommen haben. So verurteilte das Oberlandesgericht Koblenz im Februar 2022 einen 60 Jahre alten Mann zu zwei Jahren und drei Monaten Haft, der das PKK-Gebiet Mainz geleitet haben soll. Zweieinhalb Jahre hatte im August 2020 ein türkischer Staatsangehöriger aus Hessen vom selben Gericht bekommen, der nach der Anklage 2018 für das Gebiet Mainz verantwortlich gewesen sein soll. Das Oberlandesgericht Celle verurteilte im April 2021 einen angeblichen Gebietsleiter zu einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung.

Auch die Abschiebung kurdischer Aktivist*innen aus Deutschland in die Türkei nimmt wieder zu. So wurde am 7. April ein in Ulm lebender Kurde zwangsweise in das Land deportiert, in dem ihm, so ist zu befürchten, Verfolgung droht. Der Mann hatte sich über Monate gegen die Abschiebung gewehrt und wurde dabei auch von Politiker*innen von Linkspartei und Grünen unterstützt. Sie kritisieren die Abschiebung scharf, auch weil der Mann angeboten hatte, freiwillig in ein sicheres Drittland auszureisen.

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Während in Deutschland die Verfolgung von Kurd*innen und die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden der Türkei sich noch verschärft hat, gibt es auf EU-Ebene durchaus andere Signale. Selbst die konservative »Frankfurter Allgemeine Zeitung« konstatierte, dass sich dort die Stimmen mehren, die die Einordnung der PKK als terroristische Organisation politisch für falsch halten. Bereits im Januar 2020 entschied das belgische Kassationsgericht, die PKK sei keine Terrororganisation, sondern »eine Partei in einem bewaffneten Konflikt«, die für die Rechte der Kurden kämpfe und auf die Gewalt des türkischen Staats antworte.

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