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Auf den Spuren von »Werner«
Wie die SPD in Schleswig-Holstein Regierungschef Daniel Günther herausfordert
Auch als zweite Siegerin könnte es zum Regieren reichen – das ist es, was die schleswig-holsteinische SPD im Landtagswahlkampf antreibt. Der Spitzenplatz hingegen scheint außer Reichweite: Zu schlecht sind mit 20 Prozent die Umfragewerte der Sozialdemokraten vor der Wahl am 8. Mai, zu groß scheint laut Infratest dimap der Zuspruch für Daniel Günthers CDU (36 Prozent). Und zu beliebt ist der Ministerpräsident, der in seiner Partei nicht gerade zu den Lautsprechern gehört, sondern liberal und pragmatisch wirkt.
Die SPD hingegen setzt auf einen in der Bevölkerung weitgehend unbekannten Spitzenkandidaten, der diesbezüglich nicht nur hinter Günther, sondern auch noch hinter Monika Heinold (Grüne) und Bernd Buchholz (FDP) rangiert. Fachlich und thematisch kann Thomas Losse-Müller der Konkurrenz gewiss das Wasser reichen, doch die fehlende Bekanntheit ist wohl sein derzeit größtes Handicap.
Der 48-Jährige besaß bis zum Herbst 2020 noch das Parteibuch der Grünen, war als Bankenfachmann unter Finanzministerin Heinold von 2012 bis 2014 zunächst Wunsch-Staatssekretär und mit der Abwicklung der den Landeshaushalt belastenden HSH Nordbank beschäftigt. Später wurde Losse-Müller von Günthers Vorgänger Torsten Albig (SPD) in die Staatskanzlei berufen. Er war bis zuletzt ein Mann der zweiten Reihe, nun drängt er nach vorn.
Das Wahlprogramm der SPD trägt den Titel »Sozial – digital – klimaneutral«. Und Losse-Müller legt großen Wert darauf, dass das Soziale ganz vorn steht: Den Aufmerksamkeitsthemen Corona, Energie und Ukraine zum Trotz rückt er die Wohnungspolitik in den Fokus. »Wenn wir das bezahlbare Wohnen nicht in den Griff kriegen, fliegt uns der ganze Laden auseinander«, sagte der Spitzenkandidat jüngst bei einem Wahlkampfabend in Neumünster. Er verspricht die Schaffung von 100 000 neuen Wohnungen, davon 30 000 Sozialwohnungen. Außerdem will er die von der jetzigen Jamaika-Koalition gekippte Mietpreisbremse wieder einführen.
Immerhin besagt die Statistik, dass in keinem anderen Bundesland die Regierungschefs so oft abgewählt werden wie in Schleswig-Holstein. In größeren Städten hat die SPD ein deutliches Übergewicht, im ländlichen Raum tut sie sich hingegen traditionell schwerer. Doch auch wenn sie am Ende – wie zu erwarten ist – hinter der CDU zurückbleiben sollte, hat Losse-Müller Chancen auf das Regierungsamt: Neben der Fortsetzung einer von Günther geführten Regierung könnte möglicherweise auch eine Ampel als Koalitionsoption ins Spiel kommen. Unter Umständen könnte auch ein Mitwirken des von der Fünf-Prozent-Hürde befreiten Südschleswigschen Wählerverbandes SSW den Spitzengenossen in die Staatskanzlei hieven.
Punkten will die SPD in der Bildungspolitik, in der CDU-Ministerin Karin Prien in der ablaufenden Legislaturperiode immer wieder Fehltritte vorgehalten wurden. In der Verkehrspolitik bekennt man sich zum Weiterbau der unter Klimaschutzaspekten umstrittenen Autobahn A20 und flirtet mit FDP und SSW, die sich eine bessere Anbindung des westlichen Landesteils versprechen.
Zur SPD-Forderung nach beitragsfreien Kitas wie in allen anderen norddeutschen Nachbarländern legte bisher Grünen-Finanzministerin Monika Heinold ihr Veto ein: Das sei nicht finanzierbar, hieß es aus ihrem Haus. Davon abgesehen weiß man sich in der SPD in vielen Fragen einig mit den Grünen.
Derweil beweist die SPD auch Humor: Auf allen Plakaten und Flugblättern der Partei ist der Leitspruch »Besser ist das« zu lesen – dieser stammt ursprünglich von der Comic-Kultfigur »Werner«.
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