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Zurückgedrängt, ausgesetzt, ins Wasser geworfen
Im vergangenen Jahr gab es in der Ägäis über 10 000 Pushbacks von Geflüchteten - Konsequenzen fehlen
Mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr: Menschen, die aus afrikanischen und arabischen Ländern versuchen, in der Europäischen Union Schutz zu suchen, werden regelmäßig und brutal davon abgehalten, Grenzen zu überqueren oder werden wieder zurück auf Territorien außerhalb der EU gedrängt. Obwohl das illegal ist, hat sich die Anzahl der dokumentierten Pushbacks im Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 kaum verändert.
»Wir gehen von über 10 000 Menschen aus, die von Griechenland zurückgedrängt wurden«, sagt Saskia Berger von Mare Liberum zu »nd«. Sie ist Mitautorin des am Donnerstag veröffentlichten Pushback Reports 2021. Im Bericht selber findet sich diese Zahl nicht. »Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, eine Zahl zu veröffentlichen, weil die Datenlage sehr schwierig ist«, so Berger. Sie beruft sich auf Beobachtungen verschiedener Nichtregierungsorganisationen sowie auf Zahlen der türkischen Küstenwache. Letztere seien mit Vorsicht zu genießen. Außerdem sei die Überwachung des militarisierten Gebiets erschwert. Die Organisation geht von einer hohen Dunkelziffer aus.
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Der Fokus des Berichts liegt daher weniger auf Zahlen denn auf Zeugenaussagen von Betroffenen. »Der Zugang zu regulären Asylverfahren in Griechenland wird für Geflüchtete immer schwieriger«, sagt Berger. Außerdem werden Unterstützer*innen weiter kriminalisiert, vieles könne daher unbemerkt passieren. Bekannt wurde Mare Liberum dennoch, dass fast 5000 Menschen 2021 auf Rettungsinseln in türkischen Gewässern zurückgelassen wurden. Seit vergangenem Jahr werde außerdem verstärkt beobachtet, dass Menschen im Zuge von Pushbacks von griechischen Behörden in der Nähe der türkischen Küste einfach ins Wasser geworfen würden.
Während die meisten der Betroffenen sich schwimmend ans türkische Ufer, beziehungsweise auf kleine Inseln retten konnten, seien mindestens vier Personen bei solchen Pushbacks gestorben. Im Bericht ist dokumentiert, wie ein Geflüchteter aus Gaza berichtet, dass er von uniformierten Männern mit einer Rettungsweste ausgestattet und etwa 100 Meter vor einer kleinen, unbewohnten Insel, ins Wasser geworfen wurde. Die Menschen in seiner Gruppe haben alle nicht schwimmen können. Auf der Insel hätten sie drei Tage verweilt: »Wir waren so hungrig und durstig, dass wir Wasser aus dem Meer tranken und Zweige von Sträuchern aßen«, berichtet der 20-Jährige.
Laut Bericht werden die Geflüchteten bei fast allen Pushbacks von Griechenland in die Türkei von der griechischen Küstenwache, Polizei oder Militär ihrer Besitztümer, ihres Geldes, ihrer Papiere beraubt. Einige Zeug*innen berichten von sexuell übergriffigem Verhalten der Beamten sowie Gewalt bis hin zu Folter. »Diese Grenzgewalt muss sichtbar gemacht werden und Konsequenzen haben«, sagt Berger von Mare Liberum.
In die Türkei würden die Geflüchteten fast immer temporär in Detention Centern festgehalten und anschließend ohne Zugang zu staatlichen Unterstützungsstrukturen entlassen. »Uns wurde berichtet, dass Menschen in diesen Detention Centern unwissentlich oder unter Druck das ›Voluntary return‹-Dokument unterschreiben, durch welches ein Einverständnis zur Deportation ins Herkunftsland gegeben wird«, heißt es in dem Bericht. Unter diesen Ländern sei auch Syrien.
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Die Organisation kritisiert, dass den ausführenden Organen der griechischen Küstenwache und Frontex keine realen Konsequenzen drohten. Statt Pushbacks zu verfolgen, wachse das Bestreben mehrere EU-Mitgliedsstaaten, Pushbacks zu legalisieren. Auch die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, warnte zuletzt davor, dass sich die illegale Zurückweisung von Schutzsuchenden an den europäischen Außengrenzen zu verfestigen drohe. »Letztlich sind sichere Fluchtwege die einzige Möglichkeit die Gewalt und das Sterben an den EU-Außengrenzen zu verhindern«, sagt Berger. Pushbacks dürften auf keinen Fall als legitimes Mittel des EU-Grenzschutzes akzeptiert werden. »Solange die EU keine wirklichen Anstrengungen unternimmt, diese Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, zu ahnden und zu verhindern, braucht Griechenland dringend einen unabhängigen Überwachungsmechanismus an seinen Grenzen«, sagt Berger.
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