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Dem Energie-Rollback widerstehen
HEISSE ZEITEN - Die Klimakolumne: Das derzeitige energiepolitische Rollback erwischt die Klimabewegung in ihrem schwächsten Moment seit Langem
Gleich zu Beginn des Ukraine-Kriegs zeichnete sich in Deutschland ein klimapolitisches Rollback ab. Wieder einmal waren fossile Interessen am besten auf die Krise vorbereitet. Rationale Argumente dafür, durch lokale erneuerbare Energien und Energiesparen - also effektive Klimapolitik - die Abhängigkeit von russischen Importen zu verringern, nützen erst einmal ebenso wenig wie hilflose Verweise auf die rituelle Dringlichkeitsrhetorik im neuen IPCC-Weltklima-Teilbericht.
Denn zum einen spielt das politische Klima der beschworenen »Zeitenwende« fossilen Interessen in die Karten - Härte, Männlichkeit, kühle Vernunft der Sicherheitsexperten seien jetzt gefragt, keine Öko-Träumereien. Der Griff in diese rhetorische Mottenkiste ist für den Moment hocheffektiv, egal wie planlos und widersprüchlich die starken Männer handeln mögen.
Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.
Zum anderen erwischt dieses Rollback die Klimabewegung in ihrem schwächsten Moment seit Langem, ausgezehrt von zwei Jahren Pandemie, die sich weit über Beschränkungen zur Infektionsvermeidung und private Zusatzbelastungen hinaus auswirkt. Vor allem ging der Glaube an die eigene Wirkmächtigkeit verloren. Zu tief sitzt die kollektive Erfahrung progressiver Ohnmacht, während die Corona-Politik nur zwischen voranstolpernder Technokratie und diffus rechten Gegenbewegungen verhandelt wurde.
Dazu kommt der demobilisierende Effekt der grünen Regierungsbeteiligung. Statt einer klimaprogressiven parlamentarischen Opposition - davon hat sich auch die Linksfraktion weiter entfernt - gibt es jetzt eine Regierungspartei, die umso wortreicher erklärt, warum das mit dem Klimaschutz Zeit brauche. Weite Teile der grünen Wähler*innenschaft scheinen damit beeindruckend ruhiggestellt. Viele folgen der Sachzwanglogik, akzeptieren Putin als dankbares Totschlagargument für neue fossile Energieimporte.
Auch Umweltverbände zögern mit Kritik. Täglich regnet es in Presse und sozialen Medien artige Danksagungen für den »neuen Stil«, in dem alte Sachzwänge nun aufbereitet werden. Natürlich wird dabei auch eine beschleunigte Energiewende gefordert, aber ernsthafte Gegenwehr sähe anders aus. Stattdessen erfolgt der vielleicht ehrenhafte, aber vor allem entpolitisierende Rückzug ins private Energiesparen.
Beim globalen Klimastreik Ende März fehlten so etwa in Berlin im Vergleich zur Großdemo vor der Wahl 90 Prozent des Publikums. Ohne diese Massen ist der harte Kern der Klimabewegung aufgeschmissen. Unter diesen Kräfteverhältnissen ist kurzfristig keine konstruktive Wendung der Energiepolitik in Sicht. Eine Ratlosigkeit macht sich breit, die ich in der Bewegung vielleicht zuletzt nach dem Desaster des UN-Gipfels in Kopenhagen 2009 erlebt habe.
Was also tun? Um Boden gutzumachen, bietet sich die Chance, die für drei Monate ab Juni versprochenen günstigen bundesweiten ÖPNV-Tickets als Appetitmacher in eine breite Bewegung für ihre Verstetigung zu übersetzen. Dabei könnten Initiativen von der lokalen bis zur Bundesebene wirksam werden. Es mag nach Strohhalm klingen, verspricht aber als klima- und sozialpolitischer Konflikt wesentlich mehr als die Endlosschleifendebatte ums Tempolimit.
Vor allem aber stehen jetzt Abwehrkämpfe gegen das fossile Rollback an. Zentral wird dabei für die Klimagerechtigkeitsbewegung, die Deutungshoheit insbesondere in grünen-nahen Milieus von der Ampel zurückzuerobern, um kurzfristige Sachzwänge nicht als Rechtfertigung für langfristiges fossiles Faktenschaffen gelten zu lassen. Der Umgang mit Engpässen wäre als Industrie-Einspardebatte zu diskutieren.
Eiligste Aufgabe ist, den Bau neuer Terminals für Importe von Flüssiggas (LNG) zu verhindern. Für die LNG-Branche, die in Deutschland bisher kaum Fuß fassen konnte, ist der Ukraine-Krieg ein Geschenk. Das grüne Wirtschaftsministerium plant plötzlich immer mehr LNG-Anlagen entlang der Küsten für Importe vom neuen Lieblingspartner Katar - und für Fracking-Gas aus Nord- und Südamerika. Einmal gebaut, werden sie als Argument dienen, klimaschädliches Erdgas auf Jahrzehnte weiterzuverfeuern; Menschenrechte in den Fördergebieten stehen hintenan. Dagegen hat das Aktionsbündnis Ende Gelände für August Massenproteste rund um Hamburg angekündigt. Die Bewegung ist nicht gewillt, sich unterkriegen zu lassen - allen Umständen zum Trotz.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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