- Berlin
- Betriebskostenabrechnung
Gewobag hat exorbitant zu viel berechnet
Heizkosten für 1700 Wohnungen in Staaken nach monatelanger Prüfung um zwei Drittel reduziert
Über 2150 Euro weniger als zunächst von der landeseigenen Gewobag in Rechnung gestellt muss Petra Winter für Heizung und Warmwasser zahlen. Sie ist Mieterin in der Obstallee in der Siedlung Heerstraße Nord in Berlin-Staaken. Statt der ursprünglich mit der Betriebskostenabrechnung 2020 geforderten 490 Euro Nachzahlung erhält sie über 870 Euro zurück. Eine große Erleichterung für die Rentnerin, die im November 2021 gegenüber »nd« von einem Riesenschock sprach.
Für insgesamt fast 1700 Wohneinheiten in der Siedlung, die mit elektrisch betriebenen Nachtspeicheröfen beheizt werden, hat die Gewobag Ende April 2022 korrigierte Nebenkostenabrechnungen verschickt. In einem »nd« vorliegenden Anschreiben des Unternehmens heißt es, dass »ein falscher Grund für die erhöhten Stromkosten angegeben« worden sei. Der städtische Stromnetzbetreiber Stromnetz Berlin GmbH habe falsche Daten an den Energieversorger Vattenfall übermittelt, heißt es weiter. Im Zuge eines »zielorientierten Austauschs« habe Stromnetz Berlin den Fehler erkannt. Man bedaure »zutiefst die Verunsicherung, die hierdurch entstanden ist«.
Der Fehler war, dass Stromkosten wie für einen regulären Stromanschluss berechnet worden sind, für Nachtspeicherheizungen als sogenannte steuerbare Verbrauchseinheiten aber deutlich geringere Netzentgelte und Konzessionsabgaben anfallen. Allein für die Wirtschaftseinheit, in der Petra Winter lebt und die 412 Wohnungen umfasst, sind die abgerechneten Stromkosten für 2020 von knapp 775 000 Euro auf rund 224 000 Euro gesunken - zwei Drittel weniger.
Es sei zwar »äußerst erfreulich«, dass die Gewobag nun korrigierte Abrechnungen verschickt habe, sagt Marcel Eupen zu »nd«. »Erledigt ist der Vorgang deshalb aber noch lange nicht, da die Angaben der Gewobag noch nicht überprüft werden konnten und dafür in der Vergangenheit die Begründung der Kostensteigerung zu oft gewechselt hat«, so der Erste Vorsitzende des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes.
»Die Kostenerhöhung resultiert daraus, dass in dem neuen Vertrag von Stromerzeugung aus Kernenergie auf Ökostrom gewechselt wurde. Außerdem haben sich mehrere Kostenbestandteile der Rechnungen von der Firma Vattenfall Real Estate Energy Sales GmbH erhöht«, hieß es in der fehlerhaften Abrechnung vom November 2021. »Die Veränderung der Kosten ist nicht auf eine Umstellung auf Ökostrom zurückzuführen«, erklärte das Unternehmen später auf nd-Anfrage. Vor allem gestiegene Steuern und Abgaben seien dafür verantwortlich.
»Es ist erschreckend, dass der Fehler in der vorliegenden Größenordnung von mehreren Hunderttausend Euro nicht bereits im Rahmen der Erstellung der maßgeblichen Abrechnungen aufgefallen ist«, sagt Marcel Eupen. Eine gewissenhafte Kontrolle sei »offensichtlich unterblieben«. Er zweifelt, ob die Abrechnung für 2019 überhaupt korrekt ist, denn trotz höheren Verbrauchs 2020 wurde im Jahr zuvor mit 495 000 Euro mehr als doppelt so viel für den Strom berechnet. »Ich erwarte von der Gewobag nach wie vor eine lückenlose Aufklärung«, fordert Eupen. »Eine fehlerhafte Abrechnung 2019 können wir ausschließen«, heißt es auf nd-Anfrage knapp von der Gewobag.
Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger findet es »gut, dass knapp 1700 Mietparteien aufatmen können, weil die Gewobag den Fehler bei der Betriebskostenabrechnung gefunden und korrigiert hat«. Allerdings bleibe das Unternehmen »noch Antworten schuldig«. Schmidberger habe bereits vor Wochen Akteneinsicht beantragt, sagt sie zu »nd«. »Auch deshalb ist es nach wie vor zentral, eine unabhängige Ombudsstelle für die Mieter*innen der landeseigenen Wohnungsunternehmen einzurichten«, so die Politikerin.
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