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Die Zukunft wird zu knapp geplant
Die neue U-Bahn-Flotte nimmt Gestalt an - Zweifel an angekündigter Bestellmenge
»Für uns ist der ÖPNV das Rückgrat der Verkehrswende, und entscheidend ist, dass er attraktiv ist«, sagt Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne). Links und rechts von ihr in der Werkhalle stehen zwei Wagenkästen, die zusammen mit zehn anderen bis Jahresende auf U-Bahn-Gleisen rollen sollen. Die zwei Wagen sind die ersten in der gelben Reihe, die schon ein Gesicht haben, bei denen also die Front angebracht wurde. Innen sind sie noch ziemlich kahl. Bis auf beeindruckende Kabelstränge - insgesamt 42 Kilometer müssen pro Einheit verlegt werden - ist kaum mehr als die Karosserie zu sehen. Keine Räder, keine Kupplungen, keine Sitze und Türen - nur einige Fenster sind montiert.
Doch Jarasch ist bei dem Termin am Montagnachmittag im Werk des Herstellers Stadler Deutschland in Berlin-Wilhelmsruh in feierlicher Stimmung. Denn mit dieser Flotte soll auf den meisten U-Bahn-Linien der Hauptstadt künftig in Stoßzeiten das Angebot um die Hälfte aufgestockt werden. Statt alle fünf Minuten, wie seit Jahren üblich, soll dann alle drei Minuten und 20 Sekunden ein Zug kommen.
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die zwölf Wagen, die als zwei Vier-Wagen- und zwei Zwei-Wagen-Einheiten ausgeliefert werden sollen, sind die Vorhut einer ersten Tranche von 376 Fahrzeugen, die auf die Typbezeichnungen J und JK getauft wurden. Diese ersten vier Züge sind für das wegen schmalerer Tunnel Kleinprofil genannte Teilnetz der Linien U1 bis U4. Ein Jahr sollen sie erprobt werden, bevor sie spätestens im Jahr 2024 tatsächlich in den Fahrgasteinsatz kommen - wahrscheinlich auf der U3. Im Sommer 2023 sollen die zwölf weiteren Wagen für das sogenannte Großprofil der restlichen Linien im Netz ankommen. Auch sie werden erst ohne Fahrgäste auf der U5 erprobt.
»Das hat einen ganz praktischen Grund«, sagt BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt. »Wir nehmen uns erst mal das Schwierigste vor. Was in ein kleines Fahrzeug reinpasst, passt auch in ein größeres Fahrzeug rein«, erläutert Erfurt. Denn die Kleinprofilfahrzeuge sind mit 2,30 Metern Breite nicht nur 35 Zentimeter schmaler als jene des Großprofils, sondern auch über drei Meter kürzer. Außerdem liegt der Wagenboden tiefer, weil auch die Bahnsteige niedriger sind.
Weil erstmals Fahrzeuge für beide Profile der Berliner U-Bahn gleichzeitig entwickelt werden und die BVG für eine rationellere Instandhaltung möglichst viele identische Ersatzteile gefordert hatte, ist diese Reihenfolge logisch, auch wenn im Großprofil der Wagenmangel deutlich dramatischer ist. Dementsprechend fällt für die Linien U5 bis U9 die Erstbestellung mit 236 Wagen deutlich üppiger aus als im Kleinprofil mit 140 Wagen. Ausgeliefert werden soll diese Tranche bis Ende 2025.
Der Vertrag zwischen Hersteller Stadler und den Berliner Verkehrsbetrieben sieht eine Mindestbestellmenge von 606 Wagen vor. Maximal 1500 Wagen können bis 2035 abgerufen werden - inklusive einer Ersatzteillieferung für 32 Jahre. Bei den teilweise über 50 Jahre alten Bestandsfahrzeugen muss die BVG oftmals Teile in den eigenen Werkstätten von Hand fertigen.
Doch Senatorin Jarasch macht wenig Hoffnung, dass tatsächlich 1500 Fahrzeuge abgerufen werden. »Konkret vorgesehen im BVG-Verkehrsvertrag sind gut 1000 Wagen, die nach und nach, je nach finanzieller Kapazität, kommen«, sagt sie. Konkret 756 Stück für das Großprofil und 262 für das Kleinprofil. »Die Verkehrsverträge sind fix, daran wird nicht gerüttelt. Aber ob wir darüber hinausgehen, dazu müssen wir uns neue Möglichkeiten erarbeiten«, sagt Jarasch angesichts des eingeläuteten Konsolidierungskurses beim Landeshaushalt. Die Ausgaben seien stärker gestiegen als die Einnahmen, so Jarasch.
Das weckt Zweifel, ob die versprochene Taktverdichtung im U-Bahn-Netz tatsächlich so kommen kann. Denn laut BVG stehen im Großprofil derzeit 792 Wagen zur Verfügung. Der Wagenpark ist so überaltert, dass in den nächsten Jahren auf U5 bis U9 für jedes neu gelieferte Fahrzeug eines aus dem Bestand verschrottet werden soll. Die Züge der jüngsten Großprofilbaureihe sind inzwischen auch 20 bis 27 Jahre alt. Weil Fahrzeuge über die Jahrzehnte mit immer sparsamerem Materialeinsatz gebaut worden sind, dürfte auch diese Baureihe bis 2035 ausgemustert sein.
»Das ist alles nur auf Knirsch«, kritisiert Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbands IGEB, gegenüber »nd«. Auch wenn Neufahrzeuge weniger in der Werkstatt stehen, glaubt er nicht, dass so eine Taktverdichtung dauerhaft möglich ist. »Die angekündigten Beschaffungszahlen sind für die Verkehrswende zu wenig«, so Wieseke weiter.
»Die Bestellung von 1500 neuen U-Bahn-Wagen ist elementar für unsere gemeinsames Ziel als Koalition, den Nahverkehr für die Fahrgäste in Berlin spürbar zu verbessern«, sagt auch Kristian Ronneburg zu »nd«. Nur mit neuen Wagen und dem fahrbaren Material des alten Fuhrparks sei es zu schaffen, in den nächsten Jahren sukzessive auf allen Linien Taktverdichtungen umzusetzen und so die U-Bahn noch attraktiver zu machen, erklärt der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion. »Davon würden im Übrigen viel mehr Fahrgäste deutlich schneller profitieren als von langwierigen Verlängerungsplänen der U-Bahn, von denen einige frühestens in den 2030er, eher in den 2040er Jahren realisiert werden könnten«, sagt Ronneburg.
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