Kilometerweit den Strom teilen

Viele Haushalte könnten laut einer neuen Studie Stromerzeuger werden und Energie billiger erhalten

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Ostern ist vorbei und ab nächster Woche wird das vom Wirtschaftsminister gelieferte »Osterpaket« vom Bundestag aufgeschnürt. Was darin für die Bürgerenergie verpackt ist, ist eher enttäuschend. Bisher sollen Wind- und Solarprojekte von Bürgerenergiegesellschaften lediglich von Ausschreibungen ausgenommen werden. Den für Bürgerprojekte wichtigsten Punkt hat auch die Ampel-Regierung bisher nicht voll umgesetzt, und zwar die Erneuerbaren-Richtlinie RED II der EU. Diese verlangt seit 2019 von den EU-Staaten, einen regulatorischen Rahmen zu schaffen, damit Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften sich bilden und wirtschaftlich arbeiten können. Für ihren Strom sollen diese auch das Stromnetz nutzen können und einen finanziellen Vorteil davon haben, Energie aus »ihrer« Anlage zeitgleich und regional zu verbrauchen.

Was mit einem so gedachten Energy Sharing bundesweit möglich wäre, zeigt eine jetzt veröffentlichte und auf den Berliner Energietagen präsentierte Analyse des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Energy Sharing könnte demnach etwa ein Drittel vom Ausbauziel des »Osterpakets« – 80 Prozent Ökostrom – erbringen.

Laut der Studie entspricht das einer Leistung von rund 75.000 Megawatt, die bis 2030 durch direkte Beteiligung von Bürgerinnen geschaffen werden könne. Dafür könnten bundesweit rund 5900 neue Energiegemeinschaften geschaffen werden, die rund 66.000 Megawatt Windkraft an Land und 9000 Megawatt Photovoltaik neu installieren würden. Der eigene Strom, so eine Hauptannahme, soll dabei aus einer Entfernung von bis zu 25 Kilometern von dort installierter Windkraft oder Photovoltaik bezogen werden können. Das Energy Sharing erlaube auch Haushalten mit geringen finanziellen Mitteln, an der Energiewende teilzunehmen, betonen die Autorinnen und der Auftraggeber, das Bündnis Bürgerenergie.

So ließe sich laut der Studie das Ausbauziel von 75.000 Megawatt erreichen, wenn sich jede*r erwachsene Bürger*in mit 100 bis 200 Euro an den Investitionen beteiligte. Das würde etwa ein Achtel der gesamten Investitionskosten abdecken; der »Rest« soll von Unternehmen, privaten Investoren, öffentlichen Kassen sowie mit Krediten aufgebracht werden. Als Beteiligte an einer Energy-Sharing-Gemeinschaft hätte die Bürgerin dann auch das Recht zu einem verbilligten Strombezug. Bei den Ergebnissen der Studie sind allerdings weniger die Ausbauzahlen wichtig, sondern vielmehr, dass die Grundidee, den erzeugten Strom teilen zu können, endlich gesetzgeberisch umgesetzt wird. 

Damit sich Bürger*innen aus ihren eigenen Anlagen übers Verteilnetz selbst versorgen können, sei auch ein genügend großes Beteiligungsgebiet nötig, das einen wirtschaftlichen Betrieb ermögliche, betonte Viola Theesfeld vom Bündnis Bürgerenergie im Rahmen einer Diskussion. Das Mitmachen beim Sharing müsse ähnlich einfach sein wie der Wechsel eines Stromtarifs, so Theesfeld. »Ich werde einfach Mitglied in dieser Gemeinschaft, und dann habe ich das Recht auf einen günstigeren Stromtarif. Es muss einfach, machbar und händelbar sein.« Aus »anonymen« Windparks würden damit Projekte, mit denen sich die Leute identifizieren können.

Bessere Regelungen zum Energy Sharing würden aber auch der Energiewende generell helfen, erklärte Carolin Dähling vom Ökostromanbieter Green Planet Energy. Strom zu teilen sei derzeit gar nicht möglich. Bisher könne der Bürgerstrom, sofern EEG-gefördert, übers Energy Sharing auch nicht als Ökostrom vermarktet werden, weil er den Weg über die Strombörse nehmen müsse und so seine »grüne« Eigenschaft verliere.

Dass sich in dieser Richtung am »Osterpaket« noch etwas ändert, konnte Wirtschaftsstaatssekretär Oliver Krischer (Grüne) bei der Diskussion nicht zusichern. Er verwies auf ein geplantes Förderprogramm, um Bürgergesellschaften bei den Projekt-Vorlaufkosten zu unterstützen. Auch sei im neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine Regionalkennzeichnung für Strom vorgesehen.

Der Frage, wann die Erneuerbaren-Richtlinie der EU vollständig umgesetzt sein wird, wich Krischer am Ende aus. An der Ressortabstimmung zum Regierungsentwurf des neuen EEG seien auch Leute beteiligt gewesen, die Energy Sharing kritisch sehen, ließ Krischer durchblicken. Im Wirtschaftsministerium hätte aber niemand etwas dagegen, wenn der Bundestag noch den einen oder anderen zusätzlichen Punkt ins »Osterpaket« hineinbringe.

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