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Der Dutertismo lebt fort
Ferdinand Marcos und Sara Duterte wollen wie ihre berüchtigten Väter ins Präsidentenamt einziehen
Am Montag stimmen die Filipinos darüber ab, ob »Bongbong« Marcos, der Sohn des früheren Diktators, neuer Präsident wird und den Haudegen Rodrigo R. Duterte beerbt. Ferdinand Marcos tritt dabei zusammen mit Sara Duterte an, der Tochter des autoritären Präsidenten Rodrigo Duterte. Sie haben beste Chancen zu gewinnen.
Gemessen an den hochtrabenden Zielen, die Rodrigo R. Duterte im Frühjahr 2016 während der heißen Phase seines Wahlkampfs proklamierte, bedeutete die Amtszeit des 16. Präsidenten der Philippinen eine tiefe gesellschaftliche Polarisierung im Klima systematisch geschürter Angst und Furcht. Hier seien nur einige, wiewohl markante und von Duterte selbst als prioritär eingestufte Eckpunkte seiner Administration hervorgehoben und mit der Wirklichkeit konfrontiert.
Antidrogenkrieg und unerbittlicher Kampf gegen Kriminalität und Korruption: Drei bis maximal sechs Monate brauche er zur Ausrottung dieser Übel, hatte der Präsident zum Auftakt seiner Amtszeit verkündet. Sollte er dieses Ziel verfehlen, so Duterte, verdiene er es, selbst umgebracht zu werden! Der Antidrogenkrieg mit seinen Abertausenden an Opfern – die Zahlen schwanken zwischen »offiziell« etwa 7000 bis über 30 000 Toten – entpuppte sich rasch als gnadenloser Feldzug gegen städtische Arme und Marginalisierte. Gegen sie galt die präsidiale »shoot to kill«-Order, wobei Duterte die Exekutoren dieses Befehls, Mitglieder der Nationalpolizei (PNP), mehrfach öffentlich vor Strafverfolgung schützte. Was ihn jedoch nicht daran hinderte, die PNP als nationale Institution wiederholt als »bis ins Mark korrupt« zu brandmarken. Kein »großer Fisch« ist jemals während Dutertes Amtszeit gefasst worden. PNP-Chefs gaben sich die Klinke in die Hand und zumindest einer von ihnen musste demissionieren, da er selbst in dubiose Drogengeschäfte verwickelt war.
Erster sozialistischer Präsident der Philippinen wollte er sein, der die fünf Jahrzehnte währende kommunistische Rebellion im Lande durch Friedensverhandlungen mit dem im politischen Untergrund agierenden Bündnis der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) – mitsamt ihren bedeutsamsten Mitgliedsorganisationen der Kommunistischen Partei (CPP) und ihrer Guerillaorganisation Neue Volksarmee (NPA) – ein für alle Mal beendet: Da er ausgerechnet als einen seiner vormaligen Lehrer den Gründungsvorsitzenden der CPP, José Maria Sison, hatte, brüstete sich Duterte mit seiner Nähe zu den Linken und versprach ihnen sogar Kabinettsposten. Die NDFP lehnte dies ab und empfahl stattdessen Personen aus dem fortschrittlichen politischen Lager, die allerdings nach nur kurzer Amtszeit ihre Posten aufgeben mussten, weil die zuständige Ernennungskommission des Kongresses ihre Bestallung hintertrieb.
Während Duterte die Linke(n) vereinnahmen wollte, ging/en Letztere davon aus, den Präsidenten ihrerseits für ihre Agenda zu gewinnen, ein Poker, den Duterte eindeutig zu seinen Gunsten entschied. So euphorisch Friedensverhandlungen zwischen beiden Seiten im Sommer 2016 wieder aufgenommen wurden, so jäh endeten sie bereits im Frühjahr 2017 im niederländischen Noordwijk aan Zee. Nunmehr zieh Duterte die NDFP-Verhandlungsführung des Vertragsbruchs und warf NPA-Kommandeuren in der Manier eines feudalen Warlords Übergriffe gegen »seine« Soldaten vor. Mit seiner Unterschrift unter Presidential Proclamation 360 beendete Duterte am 23. November 2017 formell die Friedensgespräche mit der NDFP.
Ende 2018 dann der Donnerschlag, als am 4. Dezember dieses Jahres qua präsidialer Exekutivorder Nr. 70 die Nationale Task Force zur Beendigung lokaler kommunistischer bewaffneter Konflikte (NTF-ELCAC) gebildet wurde. Seitdem ward eine landesweite Aufstandsbekämpfung exekutiert, die manisch-repressives red-tagging – gezieltes Denunzieren von Sozialaktivisten als »Kriminelle« und/oder »Terroristen« – zur Tagesordnung werden ließ. So sind unter Duterte mehr Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten, kritische Journalisten und Ärzte sowie Führer indigener Gemeinschaften ums Leben gekommen als während der gesamten Marcos-Ära (1965–86). Schließlich unterzeichnete Duterte am 3. Juli 2020 das Republikgesetz Nr. 11479, besser bekannt unter dem Namen Anti-Terrorism Act of 2020 (ATA), das Verstöße dagegen drakonisch ahndet und unter anderem eine bis zu 24-tägige Inhaftierung verdächtiger Personen ohne Haftbefehl und Rechtsbeistand vorsieht.
Abkehr von Washington und stattdessen die Formierung einer neuen Achse Manila-Beijing-Moskau: Diese zu Beginn seiner Amtszeit verkündete außenpolitische Kehrtwende zielte ebenfalls darauf ab, linke und fortschrittliche Kräfte an sich zu binden. Dabei bediente sich Duterte zeitweilig antiimperialistischer Rhetorik, indem er US-Kolonialmassaker in den Südphilippinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts anprangerte und gemeinsame philippinisch-US-amerikanische Truppenmanöver, die unter der harmonischen Bezeichnung »Balikatan« (»Schulter an Schulter«) firmieren, für passé erklärte. Am Ende seiner Amtszeit hat Duterte in puncto Moskau so gut wie nichts vorzuweisen, China profitierte im bilateralen Verhältnis ungleich mehr als die Philippinen.
Keine Kontraktarbeit mehr, Lohnerhöhungen, verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen inklusive kürzere Anfahrwege zu Arbeitsplätzen durch ein effizienteres Transportsystem: Publicityträchtig lud Duterte zu Beginn seiner Amtszeit schon mal Arbeiter- und Gewerkschaftsführer in den Präsidentenpalast ein. Doch letztlich fuhr Duterte einen knallharten neoliberalen Kurs, Kontraktarbeit blüht – erst recht im Schatten der Covid-19-Pandemie – wie eh und je und ein effektives staatliches Gesundheitswesen blieb für diese Wählerklientel unerschwinglich.
- Rainer Werning ist u. a. Ko-Herausgeber des mittlerweile in 6. Auflage vorliegenden Handbuch Philippinen (Berlin: regiospectra Verlag, 2019).
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