Ein heilig Kreuz mit der Garnisonkirche

Antimilitarist veröffentlicht Chronik des Widerstands gegen den Wiederaufbau

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Für den umstrittenen Wiederaufbau des Turms der Potsdamer Garnisonkirche steht der Rohbau. Statt des Kirchenschiffs soll später zwischen dem barock anmutenden Turm und dem in der DDR gebauten Rechenzentrum ein modernes Gebäude entstehen. Das ist der Stand der Diskussion. Allerdings will die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche unter ihrer neuen Chefin Maike Dencker unverändert Spenden für das Kirchenschiff sammeln, obwohl bereits für den Turm zu wenig Spenden eingingen und das Projekt auf Millionensummen des Bundes angewiesen ist.

»Mit ihren Ankündigungen steuert Maike Dencker die Fördergesellschaft mit Volldampf zurück in die Konfrontation«, kommentiert Potsdams Linksfraktionschef Stefan Wollenberg. »Es ist bedauerlich und schon fast bizarr, wie wenig die Diskussionen der Stadtgesellschaft der letzten Jahre offenbar wahrgenommen werden.« Gut, dass wenigstens die Stiftung Garnisonkirche zu dem ausgehandelten Kompromiss stehe, findet Wollenberg.

An Warnungen, dass eine Wallfahrtsstätte für Neonazis entsteht, fehlte es nicht. Auch nicht an Warnungen, dass ein mit Spenden begonnener Bau am Ende mit Steuergeldern vollendet wird. Eindrucksvoll belegt dies die Chronik »Das Widerstandsprojekt Garnisonkirche«, verfasst von Carsten Linke vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam.

Für den 2. Dezember 1990 vermerkt die Chronik: Uwe Dittmer, Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde, warnt vor dem Wiederaufbau und verweist auf Äußerungen von Max Klaar, in denen dieser für ein Deutschland in den Grenzen von 1937 plädiert habe. Der Kommandeur eines Falschirmjägerbataillons der Bundeswehr hatte 1984 die Traditonsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel gegründet und Kopien der Glocken der Garnisonkirche anfertigen lassen. 1990 bot er das Glockenspiel der Stadt Potsdam an, die es aufstellen ließ.

2002 fordert die Traditionsgemeinschaft den Verzicht auf Kirchenasyl, auf Segnung von Homosexuellen und Beratung von Kriegsdienstverweigerern in der Garnisonkirche. Ferner sollten an der Kirche keine pazifistischen Symbole angebracht werden. Im Gespräch war, das Nagelkreuz der im Zweiten Weltkrieg von deutschen Bombern ausradierten englischen Stadt Coventry auf den Turm zu setzen. Das wäre ein pazifistisches Zeichen gewesen.

Carsten Linke schildert auch, wie es zur Sprengung der Garnisonkirche kommt, die im April 1945 ausbrannte: Für Gottesdienste wurde seit 1950 eine Kapelle im Turm genutzt – von der Heilig-Kreuz-Gemeinde, deren Pfarrer Uwe Dittmer war. 1964 und 1965 werden zur Sicherung des Turms 100 000 Mark eingesetzt. Doch 1965 lässt der spätere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe in seinem damaligen Amt als Referent des evangelischen Generalsuperintendenten Günter Jacob wissen, sein Chef habe kein besonderes Interesse an der Garnisonkirche, so Linke. Der Tag von Potsdam sei »auch uns bekannt«, habe Stolpe formuliert. Am 21. März 1933 schüttelte Adolf Hitler vor der Kirche dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Hand und versinnbildlichte damit die Allianz von Faschisten und Militaristen. Das war der Tag von Potsdam.

1966 werden die Bauarbeiten an der Garnisonkirche abgebrochen. Als Staatschef Walter Ulbricht (SED) 1967 Potsdam besucht, ist bereits alles geklärt. 1968 wird die Ruine gesprengt. Die Heilig-Kreuz-Gemeinde erhält damals knapp 600 000 Mark Entschädigung, und ihr neues Domizil in der Kiezstraße wird für 300 000 Mark umgebaut. Carsten Linke merkt an: »In der alten Bundesrepublik wurden ebenfalls des Stadtumbaus willen Kirchen abgerissen.« Dort habe die SED nichts zu sagen gehabt. Und von 1990 bis 2015 wurden in Deutschland 105 evangelische Kirchen abgerissen, seit dem Jahr 2000 auch 160 katholische.

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