- Berlin
- Demonstrationsverbot
Kein Gedenken, kein Protest
Um antisemitischen Vorfällen vorzubeugen, darf nicht öffentlich an die Nakba erinnert werden
Die Verbote propälestinensischer Demonstrationen am Wochenende anlässlich des Nakba-Gedenktages haben keine Auseinandersetzungen nach sich gezogen. Nur eine »Handvoll Menschen« sei am Samstag an den ursprünglichen Versammlungsorten aufgetaucht, so eine Polizeisprecherin am Sonntagvormittag zu »nd«. »Wer das Verbot nicht mitbekommen hatte und trotzdem gekommen ist, wurde von uns darauf hingewiesen.« Relevante Konflikte habe es dabei nicht gegeben. Zu den für den Nachmittag terminierten verbotenen Veranstaltungen machte die Sprecherin im Vorfeld keine Angaben.
Fünf propalästinensische Veranstaltungen waren für Freitag, Samstag und Sonntag in Kreuzberg, Neukölln und Mitte geplant, um gegen die israelische Siedlungspolitik zu demonstrieren und an den Tag der Vertreibung 1948 zu erinnern. Die Polizei begründete die Verbote am Donnerstag unter anderem mit zu erwartenden »volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen«. Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht wiesen Klagen gegen die Verbote ab und bestätigten die Einschätzung der Sicherheitsbehörde.
»Die Erfahrungen mit gleichartigen Versammlungen aus dem Vorjahr sowie aus April und Mai 2022 ließen befürchten, dass von den Versammlungsteilnehmenden Gewalttaten ausgehen werden«, hieß es in einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtes von Freitag. Und weiter: »Zu erwarten seien außerdem aller Voraussicht nach Äußerungen seitens der Teilnehmenden, die als öffentliche Aufforderung zu Straftaten beziehungsweise als Volksverhetzung strafbar seien.« Bei der Entscheidung habe zudem die voraussichtlich große Mobilisierung zum Nakba-Tag eine Rolle gespielt.
Polizei wie Gerichte bezogen sich in der Risikobewertung auf eine propalästinensische Demonstration Ende April, wo es zu Gewalt gegen Journalist*innen gekommen sein soll. Jörg Reichel, Chef der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU), hatte im Anschluss von körperlichen Angriffen auf drei Pressevertreter*innen berichtet.
Ferat Koçak, Mitglied der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus aus Neukölln, verurteilte in einer Pressemitteilung vom Freitag die Verbote als Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. »Das nehmen wir nicht widerspruchslos hin«, so Koçak. Er wies außerdem auf die historische Bedeutung des Datums für »Zehntausende Menschen mit palästinensischer Migrationsgeschichte« hin. Vor 74 Jahren entbrannte nach Israels Staatsgründung der erste Nahost-Krieg. Arabische Nachbarländer griffen den jungen Staat an, im Zuge der Kämpfe flohen rund 700 000 Palästinenser*innen oder wurden vertrieben.
Auch sein Kollege Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Berliner Linken, bezeichnete die Verbote gegenüber »nd« als »hochproblematisch«: »Ich habe den Eindruck, dass die Praxis in der Versammlungsbehörde restriktiver geworden ist. Das finde ich besorgniserregend, weil das natürlich auch andere Versammlungen treffen kann.« Er sehe zwar durchaus ein Antisemitismus-Problem in Teilen der untersagten Veranstaltungen, »aber da muss die Polizei mildere Mittel finden als Verbote«.
Eine für Sonntag geplante und mittlerweile abgesagte Veranstaltung gegen Antisemitismus der Landeskampagne »Solidarisch gegen Hass« sorgte ebenfalls für Aufregung in den sozialen Medien. Auf dem Werbeplakat war ein Eselhintern vor einer Wüstenlandschaft abgebildet, darüber der Aufruf, Antisemiten in die Wüste zu schicken. Im Kontext des Nakba-Gedenktages nahmen Twitter-Nutzer*innen das Bild als Lächerlichmachung der palästinensischen Vertreibung wahr.
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