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Partei auf Strategiesuche
Alternative für Deutschland setzt auch bei der NRW-Wahl ihren Niedergang in Westdeutschland fort
Es ist ein blaues Auge für die AfD. Eine Woche nachdem die Rechtsaußenpartei bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein den Wiedereinzug ins Kieler Parlament verpasste, blieb ihr solch eine Niederlage in Nordrhein-Westfalen knapp erspart. Mit 5,4 Prozent zieht die AfD das zweite Mal in ihrer Geschichte in den Düsseldorfer Landtag ein. Gemessen am eigenen Minimalziel, das Wahlergebnis von 2017 mit damals 7,4 Prozent zu halten, kann die Partei allerdings nicht zufrieden sein.
Markus Wagner verkauft das Resultat dennoch, als habe die AfD am Sonntag einen Erfolg verbuchen können. Er sei »froh und glücklich« und auch »ein bisschen stolz«, so der NRW-Spitzenkandidat. Überhaupt hätten es kleine Parteien im Wahlkampf schwerer gehabt, FDP und Die Linke habe es viel härter getroffen, für die eigene Partei hätte er sich »natürlich mehr erhofft«.
Wagners Äußerungen sind typisch für einen Spitzenfunktionär, der nach einer Wahlniederlage verzweifelt Gründe dafür sucht, warum das Ergebnis doch nicht ganz so schlecht sei, wie es den nüchternen Zahlen nach aussieht. Dabei müsste sich der 58-Jährige selbstkritisch fragen, was er in den vergangenen Jahren womöglich falsch gemacht hat. Immerhin führt Wagner die Landtagsfraktion seit Oktober 2017. Politisch blieb er allerdings blass. Außerhalb von NRW ist Wagner praktisch unbekannt, in der Bundespartei tritt er kaum in Erscheinung. Das ist schon etwas ungewöhnlich, immerhin vertritt er mit mehr als 5000 Mitgliedern den größten AfD-Landesverband.
Dieser leidet unter den gleichen Problemen wie alle Strukturen der Partei in den westdeutschen Bundesländern. Marktradikale und völkische Nationalisten liefern sich erbitterte Machtkämpfe, hinzukommen persönliche Feindschaften und die mittlerweile gerichtlich für zulässig erklärte Überwachung der Gesamtpartei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Auch haben AfD-Schwerpunkte wie Migration und die Kritik an der Coronapolitik aktuell keine politische Konjunktur, beim Thema Ukraine-Krieg kann sich die Partei auf keine klare Linie verständigen.
Insbesondere mit ihrer unklaren Haltung zum russischen Angriffskrieg schadet sich die Partei, wie Analysen zeigen. Während 93 Prozent der AfD-Wählenden in NRW laut Infratest dimap die flüchtlingsfeindliche Haltung der Partei teilen, finden es lediglich 43 Prozent richtig, dass die AfD Verständnis für die russische Position im Ukrainekrieg zeigt.
Das alles führt dazu, dass sich jene von der Partei abwenden, die nicht zu ihrer harten Kernwählergruppe gehören. Rund 160.000 Stimmen verlor die AfD an das Lager der Nichtwähler*innen, erst mit weitem Abstand dahinter folgen 20.000 Abgänge in Richtung CDU. In ihren bisherigen Hochburgen Gelsenkirchen, Duisburg und Oberhausen fallen die Verluste mit vier Prozentpunkten im Vergleich zum landesweiten Ergebnis überdurchschnittlich hoch aus, auch wenn die Partei in diesen Wahlkreisen noch immer knapp zweistellige Ergebnisse erzielt.
Inzwischen dämmert auch dem AfD-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla, dass er den Niederlagen seiner Partei und insbesondere dem Niedergang in den westdeutschen Bundesländern nicht mehr tatenlos zusehen kann. Am Ende geht es für ihn auch darum, wie seine Chancen auf eine Wiederwahl auf dem Bundesparteitag Mitte Juni im sächsischen Riesa stehen. Statt wie bisher die Schuld für Rückschläge vor allem in den Landesverbänden selbst zu suchen, stellt Chrupalla nun auch Fragen nach der richtigen Gesamtstrategie. Die Partei müsse »die regionalen Unterschiede besser im Blick haben und analysieren«, erklärte der AfD-Bundesvorsitzende am Montag. »Wir müssen wahrscheinlich auch unterschiedliche Wahlkämpfe machen in Ost und West«, so Chrupalla.
Neu ist dieser Ansatz nicht, sondern viel mehr ein Zurück zu früheren Überlegungen. Bereits für den Bundestagswahlkampf 2017 hatte der Parteivorstand ein Strategiepapier beschlossen, dass man auf regionale Unterschiede in der Wählerschaft achten müsse und daher unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte zu setzen habe. In den westdeutschen Bundesländern kann die AfD beispielsweise mit russlandfreundlichen Positionen nicht punkten. In Ostdeutschland wiederum funktioniert eine nationalistisch gefärbte Sozialstaatsrhetorik, während besonders im Süden und Südwesten der Bundesrepublik marktradikale Töne deutlich mehr Zuspruch finden.
Dass die AfD einen Kurswechsel vornimmt, ist jedoch mehr als fraglich. Die völkischen-nationalistischen Kräfte um Björn Höcke sehen sich nach den Wahlniederlagen im Saarland, Schleswig-Holstein und nun in Nordrhein-Westfalen noch deutlicher als bisher in ihrer Forderung bestätigt, die Partei weiter zu radikalisieren. Bei den Neuwahlen des Bundesvorstandes in wenigen Wochen wird sich zeigen, ob sie sich mit diesem Kurs durchsetzen können.
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