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Böse Briten

In der dritten Staffel von »Das Boot« gibt es wieder massig deutsche Oper, aber kaum deutsche Täter

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.
Mach Fernsehen über Nazis so, dass Guido Knopp was dagegen hätte. Das schafft die Serie leider nicht.
Mach Fernsehen über Nazis so, dass Guido Knopp was dagegen hätte. Das schafft die Serie leider nicht.

Krieg, Putins Angriff auf die Ukraine zeigt das aufs Schmerzlichste, ist als Mittel der Politik stets präsent im Weltgeschehen. Männer in Uniform sind wieder satisfaktionsfähig und schwere Waffen ebenso; da war der Sender Sky Anfang 2018 ein wenig prophetischer als andere. Damals kam »Das Boot« als Serie aufs Portal und dann ins ZDF, wo das Regietrio Prochaska/Glasner/Ostermann mit großer Freude am Pulverdampf den Zweiten Weltkrieg nachspielte. Vier Jahre später nun übernehmen zwei Neue das Ruder.

Vier Jahre, in denen rechte Autokraten von Ungarn über Russland bis in die USA ihre Demokratieverachtung institutionalisiert haben. Und was machen Hans Steinbichler und Dennis Gansel aus Wolfgang Petersens Original: ein revisionistisches Machwerk, das Orbán, Putin, Trump gefallen könnte. Schon wegen des Einstiegs: Anfang 1943, Goebbels hat grade den totalen Krieg erklärt, steigt Navy-Kapitän Swinburne in ein erobertes U-Boot, knallt zwei wehrlose Wehrmachtsoldaten ab und wirft das Telegramm mit der Todesnachricht seines Ältesten auf die Leichen.

Rachsüchtige Briten, böse Briten, belastete Briten?! Dass Zeitgeschichtsexperten wie Steinbichler (»Das Tagebuch der Anne Frank«) und Gansel (»Napola«) frühzeitig die Schuldfrage umdrehen, legt einen Verdacht nah. Die dritte Staffel »Das Boot« macht ungefähr das Gleiche wie die 2. Staffel auch, als der Krieg zur Folge einer kosmopolitischen Weltverschwörung verwässert wird und die deutsche Alleinverantwortung für die Zivilisationsbrüche zwischen 1933 und 1945 ein bisschen AfD-tauglicher gemacht wurden.

Dahinter steckt die Strategie des ZDF-Historikers Guido Knopp, Deutsche als Opfer einer Handvoll Nazis im Kampf gegen Alliierte darzustellen, die auch nicht besser sind. Fertig war, fertig ist quotenstarker Eskapismus mit SS-Thrill. Zehn neue von nunmehr 26 Teilen aus Tony Saints Writers Room betonen schließlich abermals die menschlichen Aspekte des mörderischen Systems. Nach üblichem Schlachteinstieg auf tobender See, unter der deutsche Seeleute zitternd den Angriff englischer Streitkräfte erdulden, verfolgen wir also ein paar alte und sehr viel neue Protagonisten dabei, Nationalsozialismus light zu simulieren.

Der nette Ingenieur Ehrenberg (Franz Dinda) soll mit dem noch viel netteren Offizier Erdmann (Artjom Gilz) schwere Jungs wie Pauli (Allessandro Schuster) auf der U-949 rehabilitieren, muss aber bald den verzagten Kapitän Buchner (Konstantin Gries) ersetzen, obwohl es ihn doch zur zauberhaften Greta (Elisa Schlott) heim nach Kiel zieht. Nazis an Bord? Leider nein. Zumal sich Gestapo-Mann Forster (Tom Wlaschiha) nach Lissabon absetzen konnte, wo er nun Raubgold statt Regimegegner jagt, während Commander Swinborne (Ray Stevenson) im dritten Handlungsstrang zum verbissenen Halali auf die Mörder seines Sohnes bläst.

Irgendwann taucht auch noch die totgeglaubte Hauptfigur Hoffmann (Rick Okon) auf, dessen Schwester (Luise Wolfram) vom Karrieristen (Florian Panzner) im eigenen Bett missbraucht wird. Sex und Crime unterm Hakenkreuz: Damit hat die Adaption von Lothar-Günther Buchheims Feindfahrt zweimal für Aufsehen gesorgt. Jetzt wird das männliche Schlachtengemälde wieder mit weiblichem Ergänzungspersonal gegendert.

Anders als zu Beginn ist das allerdings nicht überraschend, sondern berechnend und nervt überdies durch karnevalistische Ausstattung. Schwer zu sagen, was am dritten Tauchgang schlimmer ist: die Reduktion systemischer Schuld auf eine Frau (Fritzi Haberlandt als stolze Mutterkreuzträgerin), das Künstliche der Optik oder der klägliche Versuch, die psychedelische Atmosphäre von »Apokalypse Now« vom Dschungel nach Europa zu importieren? Antwort: alles für alle außer Marineveteranen, Uniformfetischisten und Alexander Gauland gleichermaßen unerträglich.

Sofern man sich abseits der Schuldrelativierung nicht am virtuosen Historytainment erfreuen kann, über das gelegentlich Klaus Doldingers Originalmusik weht. 1981 war zwar weniger Lametta, aber trotz ähnlich harmloser Wehrmachtssoldaten mehr Tiefgang. Steinbichler und Gansel, ZDF und Sky, Fans und Vertraute, dürften da einwenden, die zwölf schlimmsten Jahre der Menschheit könne man halt nicht unterhaltsam machen, falls alle Täter schuldig sind. Der Appell lautet deshalb: Dann lasst es doch ganz! Sie lassen es aber nicht. Staffel vier ist längst in Arbeit. Sie dürfte massenhaft deutsche Opfer und wieder sehr wenige deutsche Täter finden. Denn Täter gibt es nur beim Gegner. Böse Briten.

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