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- „Bündnis für globale Ernährungssicherung“
Problem erkannt, Lösung verkannt
Das »Bündnis für globale Ernährungssicherung« von Entwicklungsministerin Svenja Schulze dient vornehmlich der Gewissensberuhigung, meint Andreas Bohne
Die Ernährungskrise spitzt sich nicht nur, aber vor allem in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine zu. Aus diesem Grund präsentierte Bundesentwicklungministerin Svenja Schulze (SPD) ihre Idee eines »Bündnis für globale Ernährungssicherheit«. Erstmals vorgeschlagen auf der diesjährigen Frühjahrstagung der Weltbank im April wurde auf dem kürzlich stattgefundenen Treffen der G7-Entwicklungsminister das neue Bündnis vereinbart. Es ist mehr als notwendig, dass die anstehende Nahrungsmittelkrise durch kurzfristige Nothilfemaßnahmen abgemildert wird. Jedoch fragt man sich, was das Bündnis genau will: Finanzmittel akquirieren, Aktivitäten anstoßen oder zumindest koordinieren? Und das Bündnis tappt, schaut man auf die wenigen bisher veröffentlichten Informationen, bereits jetzt in die Fallen, in die schon andere Bündnisse getappt sind.
Unklar ist vor allem, wie die Hilfe konkret aussehen soll. Im Moment spricht die Ministerin von einem »agilen Bündnis«, das bestehende Hilfsbemühungen koordinieren will und die Kooperation zu anderen Institutionen sucht: Stiftungen, Philanthropen, Zivilgesellschaft, Privatunternehmen und Institutionen wie die Weltbank sollen einen wichtigen Beitrag leisten und haben bereits teilweise ihre Mitarbeit angekündigt. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Organisationen wie die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung beförderten in den vergangenen Jahren eine stark inputorientierte Landwirtschaft auf Basis einer Grünen Revolution. Trotz vieler Finanzen haben sie aber wenig zur Bekämpfung des Hungers in afrikanischen Staaten beigetragen. Im Gegenteil: Eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung und anderer Organisationen ergab, dass die Zahl der Hungernden in den Schwerpunktländern der Gates-Stiftung sogar anstieg.
Andreas Bohne ist Agrar- und Afrikawissenschaftler und leitet das Afrikareferat der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Statt bestehende Strukturen zu fördern, wird durch das Bündnis ein neues Gebilde gegründet und damit eine weitere Parallelstruktur geschaffen. So stellt sich die Frage, warum nicht der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung oder der Welternährungsausschuss entsprechend finanziell gefördert wird. Das gilt noch mehr für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP). Nicht nur, weil im ersten Haushaltsentwurf des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit im März die Gelder für das WFP gekürzt wurden. Auch, weil am Wochenende vermeldet wurde, dass die Nothilferationen für Geflüchtete im afrikanischen Sahel durch das WFP drastisch gekürzt werden müssen.
»Kohärenz« – sprich: die Abstimmung zwischen Ministerien und anderen Bereichen – wird von Beteiligten und Beobachtern immer wieder gefordert, aber oftmals verfehlt. Fünf Tage vor einem Kommuniqué der G7-Entwicklungsminister*innen, in welchem das Bündnis genannt wird, erschien ein Papier der Agrarminister*innen der Industrieländer. Eine inhaltliche Bezugnahme findet aber nicht statt. Wo bleibt der Schulterschluss, wenigstens der rhetorische, zwischen (internationaler) Agrar- und Entwicklungspolitik? Zwar besteht das Papier der Agrarminister*innen überwiegend aus Absichtserklärungen, jedoch sind hier wenigstens Ideen vorhanden. Das Communiqué der Entwicklungsminister*innen bleibt nur oberflächlich. Und der Verweis darin auf offene Agrarmärkte muss wie Hohn wirken: Es waren die EU-Exportsubventionen der 1980er und 1990er Jahre, welche Europa zum Weizenexporteur und den lokalen Anbau von Grundnahrungsmitteln in afrikanischen Staaten bis heute unattraktiv gemacht haben.
Eingebettet als Initiative während der jetzigen deutschen G7-Präsidentschaft bleibt das »Bündnis für globale Ernährungssicherung« wieder eine Kampagne des Nordens. Anleihe möchte Ministerin Schulze nach einer früheren Aussage an der COVAX-Initiative nehmen. Die Plattform für eine Verteilung von COVID-19-Impfstoffen stieß seit Beginn aufgrund ihres karitativen Charakters auf Kritik. Fundamentale Änderungen wie eine zumindest temporäre Aussetzung von Patenten gingen damit nicht einher. Ähnliches ist bei Schulzes Bündnis zu befürchten.
Verwunderlich reibt man sich die Augen ob des Aktionismus. Denn Meldungen wie über Dürren in Ostafrika bestehen seit Jahren, die globalen Agrarpreise steigen bereits seit zwei Jahren und die chronische Unterfinanzierung von UN-Organisationen ist mehr als bekannt. Mit dem Bündnis mag vielleicht die langjährige Binsenweisheit – es geht nicht um Verfügbarkeit, sondern um Verteilung landwirtschaftlicher Güter – kurzfristig anerkannt und gemildert werden. Zu einer umfassenden strukturellen Problemlösung wird es wohl kaum beitragen.
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