Et hätt noch immer jot jejange

Rechte Chats sind die Keimzelle für Taten in der realen Welt. Das ist bei den meisten in Medien und Politik nicht angekommen, meint Sheila Mysorekar

Bevor die Nicht-Rheinländer unter der Leserschaft verwirrt ihre Lektüre dieses Artikels abbrechen, hier eine Übersetzung der Überschrift: Das bedeutet auf Kölsch sowas wie: »Mach dir keine Sorgen, irgendwie geht am Ende immer alles gut aus.« Und genau so kann man auch die Haltung der Politik gegenüber Rechtsextremen in den Sicherheitskräften zusammenfassen – et hätt noch immer jot jejange.

Die Rede ist von rechtsextremen Chatgruppen bei der Polizei, die in verschiedenen Bundesländern aufgedeckt wurden. Da fragt man sich als migrantisch-deutsche Bürgerin ja schon, wozu genau dienen denn diese privaten Chatgruppen? Bei Beamt*innen, die wir mit Steuergeldern bezahlen und bewaffnen, damit sie uns beschützen vor bösen Leuten, zum Beispiel vor Nazis?

Ich habe zwei Familien-Chatgruppen, jeweils mit dem deutschen und mit dem argentinischen Teil der Familie. Sowie Chatgruppen, die mit der Arbeit oder politischem Engagement zu tun haben. Und dann noch kurzzeitige Chats mit Kleingruppen, etwa um eine Party zu organisieren. Manchmal chatten wir einfach in diesen Gruppen, posten Fotos und Memes. Ganz oft verabreden wir uns auch, um etwas zu unternehmen, außerhalb der digitalen Welt, im echten Leben. Das heißt, mit der Chatgruppe zu kommunizieren dient dann nur zur Verabredung zu einer Aktivität: Das eigentliche Ziel ist also, eine konkrete Handlung auszuführen.

Deswegen wundere ich mich, dass Innenministerien in den Länder so vollkommen ruhig sind, wenn es um rechtsextreme Chatgruppen bei der Polizei oder der Bundeswehr geht. Sie sind sich anscheinend völlig sicher, dass diesen rechtsradikalisierten Sicherheitskräften niemals einfällt, aus der digitalen in die analoge Welt zu wechseln. Also zum Beispiel, anstatt Fotos von bombardierten Moscheen zu posten, höchstpersönlich Bomben in echten Moscheen zu detonieren. Oder dass Leute, die Hitler-Grüße lustig finden, möglicherweise auf die Idee kommen, Waffen für Neonazis zu besorgen.

Nein, die Innenministerien sind weiterhin tiefenentspannt. Und das gilt auch für die Berichterstattung über diese rechtsextremen Seilschaften bei der Polizei. Die offizielle Lesart, die da lautet »Der beißt nicht, der chattet nur«, wird von Redaktionen oft kritiklos übernommen. Aber »Chatgruppen« heißen sie ja nur deswegen, weil dies als erstes aufflog, als Handys überprüft wurden. Man kann davon ausgehen, dass diese Beamt*innen auch im echten Leben rechtsradikalen Aktivitäten nachgegangen sind. Ich hoffe inständig, dass dies momentan mit Hochdruck untersucht wird. Möglichst nicht durch interne Ermittler*innen, sondern durch unabhängige Personen.

Es ist eine gefährliche Bagatellisierung rechter Strukturen in den Sicherheitskräften, wenn Medien das Narrativ von »Chatgruppen« übernehmen. Das grenzt an Verharmlosung. Dieses Verhalten kann daran liegen, dass in den meisten Fällen keine Konsequenzen folgten. Chatgruppen sind privat; das heißt, egal was man postet, es wird nicht »der Öffentlichkeit zugänglich« gemacht. Und damit greift der Straftatbestand der Volksverhetzung nicht. Auch die Maßnahmen gegen Radikalisierung sind überschaubar: In Nordrhein-Westfalen soll beispielsweise die Polizei-Seelsorge dabei mithelfen, dass die Staatsdiener*innen auf demokratischem Kurs bleiben.

Aber es gibt Ausnahmen: Das Spezialeinsatzkommando der Polizei in Frankfurt wurde aufgelöst, als der Chatgruppen-Skandal ans Tageslicht kam. 13 Beamte dieser Einheit waren übrigens in jener Nacht im Einsatz, als ein Neonazi in Hanau aus rassistischen Motiven neun Menschen tötete. Inwiefern sie an Einsatzentscheidungen beteiligt waren, ist bis heute nicht öffentlich bekannt. Für die Angehörigen der Ermordeten ist dies ein Skandal.

Und ein Skandal ist auch, dass deutsche Medien – bis auf wenige rühmliche Ausnahmen – sorglos auf Recherchen zu diesen »Chatgruppen« verzichten. Et hätt noch immer jot jejange.

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