Medien zu Trumps Amtsantritt: Erst die Ruhe, dann der Sturm

Sheila Mysorekar kommentiert die Berichterstattung deutscher Medien über den Amtsantritt von Donald Trump

Elon Musk zeigt den Hitlergruß bei der Amtseinführung von Donald Trump.
Elon Musk zeigt den Hitlergruß bei der Amtseinführung von Donald Trump.

Interessant, so eine Machtübernahme live und in Farbe. In der Sendung »ZDF Spezial« sprach Elmar Theveßen zurückhaltend über die Inaugurationsfeier, ohne sich je zu einem Urteil hinreißen zu lassen. Die Gäste, das Sitzarrangement, die Klamotten, das Wetter, alles kam vor. Um Politik ging es weniger, aber vielleicht wollte das ZDF auch einfach die Ruhe vor dem Sturm genießen. Und dann kam ein Sturm, aber so richtig.

Es war schon später am Abend, da redete der Mann, der den amtierenden Präsidenten mit unanständig viel Geld im Wahlkampf unterstützt hat – Milliardär Elon Musk. Am Ende seiner Rede hob er zweimal zackig seinen rechten Arm schräg in die Höhe; eine Geste, die ich als Deutsche binnen Millisekunden völlig problemlos identifizieren kann.

Zum Thema: Willkommen im neuen Faschismus – Friedrich Burschel über den Amtsantritt von Donald Trump

Nicht so die Springer-Presse. »Römischer Gruß oder Geste von Herzen? Streit um Auftritt von Elon Musk«, rätselte die »Welt« im Liveticker von der Inauguration. »BILD «Bild» schrieb: «Aufregung um seltsame Musk-Geste». Selbst die «Süddeutsche Zeitung» sprach von einem «römischen Gruß».

Die britische Zeitung «The Guardian» hingegen nannte es klipp und klar einen «fascist salute» (faschistischen Gruß). Ich habe übrigens ein paar ältere Leute gefragt, die noch das Original miterlebt haben: Sie meinten übereinstimmend, niemand habe das je einen «römischen Gruß» genannt: «Nö, das hieß Heil Hitler!»

Sheila Mysorekar

Sheila Mysorekar ist Vorsitzende der Neuen Deutschen Organisationen, einem Netzwerk postmigrantischer Organisationen. Für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Schwarz auf Weiß«. Darin übt sie Medienkritik zu aktuellen Debatten in einer Einwanderungsgesellschaft.

«Elon Musk irritiert mit mutmaßlichem Hitlergruß» schrieb «Zeit online» am Tag nach der Amtsübernahmefeier und berichtete von zahlreichen Interpretationen in den sozialen Medien, zu denen auch «eine ungeschickte Geste im Moment der Begeisterung» gehörte. Zwei Stunden später war bei der «Zeit» anscheinend durchgesickert, dass man die Sache durchaus auch anders einordnen könnte, und sie publizierte einen Kommentar mit dem Titel «Ein Hitlergruß ist ein Hitlergruß ist ein Hitlergruß». Weiter hieß es da: «Es braucht da kein ›vermeintlich‹ oder ›ähnlich‹ oder ›umstritten‹. Die Geste spricht für sich, sie ist im Video dokumentiert.» Mein großes Dankeschön geht an Redakteur Lenz Jacobsen für klare Haltung und klare Worte. Gar nicht so selbstverständlich heutzutage.

Wichtiger als die Symbolik der Amtseinführung ist jedoch eine kontinuierliche Berichterstattung über die Politik der neuen Regierung. Hier wird sich zeigen, ob die deutschen Medien ihrer Aufgabe gerecht werden. Und so wie es schon am ersten Tag losging mit zahllosen «executive orders» (Dekreten) von Präsident Trump, werden wir fähige Journalist*innen brauchen, die sowohl die Rechtsstaatlichkeit beurteilen als auch die Auswirkungen dokumentieren können, gerade auf marginalisierte Bevölkerungsgruppen.

Zum Thema: Willkommen im Café Größenwahn – Donald Trumps zweite Amtseinführung weist auf den neoimperialen Kurs eines Autokraten hin

Unter dem Titel «Der Geruch von Machtergreifung» kommentierte die ›tageszeitung‹: «Eine radikale Agenda ersten Ranges. Aber nach acht Jahren Trumpismus ist die Normalisierung des extremistischen Wahnsinns offenbar abgeschlossen. Es regt sich niemand mehr auf.»

Dass sich «niemand» mehr aufregt, würde ich so nicht sagen. Vielleicht fehlen Emotionen im politischen Establishment und in vielen Medien. Aber die Menschen, die als erstes von Trumps Maßnahmen betroffen sind, regen sich durchaus auf. Die «Tagesschau» berichtete direkt am Tag des Amtsantritts von der Verzweiflung Geflüchteter an der mexikanischen Grenze, die nunmehr keinen Asylantrag in den USA mehr stellen konnten, obwohl sie bereits einen Termin dafür hatten. Es ist wichtig, dass die konkreten Auswirkungen der Politik – in diesem Fall der Grenzpolitik – kontinuierlich dokumentiert werden, auch Menschenrechtsverletzungen und Missachtung des Völkerrechts. Da wird es in den nächsten Jahren noch viel zu berichten geben.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.