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- Attentat in Texas
Zur Wiederholung verdammt
Leo Fischer über das Attentat in Texas und die Beharrungskräfte, die auf dem System liegen
Ein weiteres Schulmassaker in den USA. Eine traurige Normalität: 27 gab es allein in diesem Jahr, 2021 waren es 34. Jedes Einzelne von ihnen ein unermessliches Grauen: für die Hinterbliebenen, die Überlebenden, ihre Angehörigen. Jedes Einzelne von ihnen müsste Anlass sein, etwas grundsätzlich anders zu machen, und es fehlt nicht an entsprechenden Appellen – und doch ändert sich nichts. Die Forderungen, den Umgang mit Waffen anders zu regeln, sind ebenso ritualisiert und wirkungslos wie die »thoughts and prayers«, die konservative Politiker als Trost anbieten – während sie weiter das Geschäft der Waffenlobby betreiben.
In den sozialen Medien mehren sich die Stimmen jener US-Amerikaner*innen, die nicht nur Appelle formulieren, sondern auch diese Routinen hinterfragen. Sie fragen sich, wie es sein kann, dass die Apologet*innen laxer Waffengesetze seit dem Attentat von Columbine 1999 praktisch identisch argumentieren – und das, wo sich nun fast jede Woche ein Columbine ereignet.
Doch die Wiederholung des Grauens, seine Normalisierung, sein Herabsinken zur Routine der Trauer gehört zum Lebensgefühl eines Kapitalismus, in dem Austauschbarkeit aller gegen alle täglich eingeübt werden muss. Die Zahlen der im Mittelmeer Ertrunkenen, die Zahlen der Personen, die von Covid dahingerafft wurden – es sind doch nur Zahlen. Abstrakt wissen alle, dass etwas dagegen getan werden müsste, aber die Fundamente, auf denen die Gesellschaft ruht, sind zu fest. Zu viel müsste umgebaut werden, zu viele Fragen würden gestellt, vor allem aber: Das alltägliche Lebensgefühl würde sich zu stark ändern, unsere Vorstellungen von der Normalität wären erschüttert.
Wer sich indes daran gewöhnen kann, dass fast jede Woche Schulkinder Schulkinder umbringen, kann sich an fast alles gewöhnen. Die Drohung, die von einem Schulmassaker ausgeht, ist gegen die ganze Gesellschaft gerichtet; sie erschafft eine soziale Wirklichkeit, in der latente Todesangst den Alltag aller grundiert. Ausgewanderte Amerikaner*innen erzählen davon, welche Spannung, welche Paranoia schon über einfachen Fahrten in der U-Bahn liegt oder einem Besuch im Kino, in dem Wissen: Das alles hier könnte gleich Kulisse werden für ein Blutbad, jeder hier könnte ein Shooter sein. Ähnlich wie das zum Luxussegment verwandelte Gesundheitssystem ist die so gehegte Waffenkultur Biopolitik, als Damoklesschwert über den Körpern, die Konformität und Compliance herstellt; wohl auch deswegen wird so wenig daran gerührt.
Die Wirklichkeit, in der das stattfindet, scheint zu endloser Wiederholung verdammt, ein Skript, das seit mindestens zwanzig Jahren läuft und keiner Korrektur fähig scheint. Die Beharrungskräfte, die auf dem System liegen, sind so gewaltig, weil die Vorstellung von dem, wie wir eigentlich leben wollen, seit den 80ern quasi eingefroren sind. Es ist unmöglich, den Leuten das Autofahren abzuerziehen, wenn die Populärkultur seit einem halben Jahrhundert das Autofahren mit Autonomie und Erwachsensein gleichsetzt; Waffenbesitz, der Sicherheit vor anderen Waffenbesitzenden verspricht, ist da noch perfider, er legitimiert sich selbst als Lösung für ein Problem, das er selbst ist.
Milliarden hat es gekostet, die Menschen nur von der Notwendigkeit von Pandemie-Maßnahmen zu überzeugen, die gerade einmal das Weiter-so des Kapitalismus garantierten. Wenn die Bilder von der Normalität Automobil und Waffenbesitz implizieren, werden sie gewinnen, werden ihre Konsequenzen, Klimakatastrophe und school shootings für immer als Preis der Normalität wahrgenommen.
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