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Völkerrechtsprinzipien gegen Energie
Die Linke wirft der Bundesregierung den Ausverkauf der Rechte der Sahrauis an der Westsahara vor
Der Schmusekurs der Bundesregierung mit dem autokratischen Königreich Marokko geht weiter. Das zeigen Antworten auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen und der Linksfraktion, die dem »nd« vorliegt. Die beschäftigt sich mit der illegalen Okkupation der Westsahara durch Marokko im Jahr 1975, auch im Hinblick auf die Energiefrage. Aus den Antworten kann geschlossen werden, dass sich auch Berlin auf eine faktische Anerkennung des Anspruchs Marokkos auf die Westsahara zubewegt und das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis wirtschaftlichen Interessen opfert.
Schon der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte die marokkanische Hoheit über die Kolonie offen anerkannt – gegen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN). Die sehen eine Entkolonisierung der Region vor, die als »letzte Kolonie Afrikas« gilt. Auffällig war, dass auch das Außenministerium unter Annalena Baerbock zum Jahreswechsel plötzlich die Basisinformation zu Marokko änderte. Wie schon darin wurde nun auch in den Antworten der Bundesregierung der marokkanische »Autonomie-Plan« als »wichtiger Beitrag« bezeichnet, »um in der Westsaharafrage voranzukommen«.
Diesen »Autonomie-Plan« hatte Marokko im Jahr 2007 vorgelegt. Ein Referendum über die Unabhängigkeit ist darin nicht vorgesehen. Das war aber die Grundlage für das Waffenstillstandsabkommen aus dem Jahr 1991 mit der Befreiungsfront »Frente Polisario«. Die Abstimmung wird seither von Marokko systematisch hintertrieben. Dass die Polisario 2007 erneut das Referendum auf die Tagesordnung setzte, wird dagegen kaum gewürdigt. Die Bundesregierung antwortet nur, der Vorschlag sei vom Sicherheitsrat »zur Kenntnis« genommen worden.
Sie drückt sich auch um eine Antwort darauf, ob »Marokko den unter seiner Kontrolle stehenden Teil der Westsahara annektiert und besetzt hat«. Lapidar wird erklärt: »Der endgültige völkerrechtliche Status der Westsahara ist ungeklärt.« So ist es auch kein Wunder, dass auf die Frage, ob die illegale Besatzung von maßgeblicher Relevanz für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Marokko sei, faktisch mit Nein geantwortet wird: »Es liegt aus Sicht der Bundesregierung im beiderseitigen Interesse, die historisch engen und guten bilateralen Beziehungen weiter zu beleben und zu vertiefen.«
Der Gegensatz zur Ukraine-Politik ist deutlich. Dort wird die Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts sogar mit Waffenlieferungen von der Bundesregierung unterstützt. Dağdelen, Obfrau für Die Linke im Auswärtigen Ausschuss, erklärt deshalb gegenüber »nd«: »Baerbock und die Ampel-Regierung leisten dem Völkerrecht wahrlich einen Bärendienst, wenn sie die Besatzungsmacht Marokko mit Wirtschaftsabkommen und einer Privilegierten Partnerschaft zum Schaden der Sahrauis hofieren und damit die Blockade des lange vereinbarten UN-Referendums über die Zukunft der Westsahara honorieren.«
Auffällig ist auch, wie auf den Webseiten von Germany Trade & Invest (GTAI) die illegal besetzte Kolonie schon bezeichnet wird. Der geplante »Atlantikhafen von Dakha gilt als Prestigeprojekt Marokkos für die Entwicklung der südlichen Provinzen«, schreibt die Gesellschaft der Bundesrepublik für Außenwirtschaft und Standortmarketing. Analog dazu hat die Bundesregierung dem Widerspruch gegen das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuGH) zugestimmt. Das hatte einen bilateralen Vertrag zwischen Marokko und der EU im vergangenen November für nichtig erklärt, da die »Zustimmung des Volkes der Westsahara« über die Ausbeutung der Ressourcen nicht eingeholt worden war. Die Polisario wurde zudem »als Rechtsperson« und als Vertreter der Sahrauis mit Klagerecht anerkannt. Die Bundesregierung hat gegen die Ausbeutung der Westsahara durch Marokko offenbar nichts einzuwenden.
Für Dağdelen ist klar: »Es ist eine einzige große Heuchelei, wenn Baerbock eine wertegeleitete Außenpolitik proklamiert, die Ministerin aber gleichzeitig eine klare Benennung der Annexion und Besetzung der Westsahara durch Marokko als illegale Okkupation sowie als Verstoß gegen das Gewaltverbot verweigert.« In Antworten zur Energiewende räumt die Bundesregierung ein, dass die Westsahara über ein besonders hohes Potenzial für »Erneuerbare Energien, unter anderem zur Produktion von Wasserstoff« verfüge. Marokko habe aber auch Potenzial ohne die Westsahara, wird angemerkt. Für Dağdelen wird aus den Antworten klar, dass für die Energiewende in Deutschland die Besatzungsrealität unter den Teppich gekehrt werden soll. »Hier werden völkerrechtliche Prinzipien und die Rechte der Sahrauis auf Selbstbestimmung billig für grünen Wasserstoff verkauft«, erklärt Dağdelen.
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