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  • AfD-Bundesparteitag in Riesa

Machtkampf vor der Entscheidung

Auf ihrem Bundesparteitag stimmt die AfD über ihre künftige personelle Ausrichtung ab

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 5 Min.

Tut er es oder nicht? Björn Höcke weiß, wie er sich ins Gespräch bringt. Ein paar vage Andeutungen auf einem AfD-Landesparteitag in Thüringen im Mai genügten, und die Spekulationen liefen heiß, ob es der 50-Jährige tatsächlich wagt, auf dem an diesem Freitag beginnenden Bundesparteitag im sächsischen Riesa für den Vorstand zu kandidieren. Genährt wurden die Gerüchte auch dadurch, weil der um seine Wiederwahl kämpfende Tino Chrupalla später erklärte, er werde im Fall einer Kandidatur Höckes nicht zurückziehen. Eine Kampfabstimmung zwischen dem Sachsen und dem einflussreichen Thüringer Landeschef?

Spätestens an diesem Punkt musste klar sein, dass Höcke mit hoher Wahrscheinlichkeit keine ernsthaften Ambitionen auf den Posten des Bundesvorsitzenden hat. Schon strategisch ergäbe eine Kampfkandidatur gegen Chrupalla keinen Sinn: Sie würde das Lager der völkischen Nationalist*innen mit ihren Machtzentren in den Landesverbänden Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zerreißen. Zur Erinnerung: Chrupalla gelang 2019 der Sprung an die Parteispitze nur dank massiver Unterstützung Höckes, damals gedacht als Gegengewicht zum Lager des Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Nachdem dieser im Frühjahr die AfD verließ, stehen die Marktradikalen ohne ein prominentes Gesicht in der ersten Reihe da, ihre Chancen in Riesa bei den Vorstandswahlen nennenswerte Erfolge zu erzielen, sind so gering wie nie. Einer, der es dennoch versucht, ist der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter. Zwar ist der 36-Jährige stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, doch mit seiner teils vehementen Kritik am völkischen Lager genießt er selbst im eigenen Landesverband kaum Rückhalt. Unterstützung dürfte Kleinwächter von jenen bekommen, die Chrupalla um jeden Preis stürzen wollen. Zu dieser Gruppe von Ex-Meuthen-Getreuen gehört die hessische Bundestagsabgeordnete Joana Cotar. Am Tag nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen forderte die Beisitzerin im Bundesvorstand Chrupalla auf, nicht noch einmal als Parteisprecher zu kandidieren. Eine Forderung, die einige in der Partei zwar vom Inhalt, nicht aber im Stil teilen, sind öffentlich ausgetragene Machtkämpfe doch eines der Hauptprobleme der AfD. Cotars öffentliche Forderung an Chrupalla könnte damit Kleinwächters ohnehin geringe Chancen weiter schmälern.

Cleverer stellt sich Nicolaus Fest an. Der frühere stellvertretende Chefredakteur der »Bild am Sonntag« stellt sich bei seiner Kandidatur als jemand dar, der die Partei wieder einen will. »Wählen Sie einen Vorstand, der alle Strömungen vereint«, appelliert Fest in seinem Bewerbungsvideo an die Delegierten. In einem zweiten Clip spricht der Europaabgeordnete über seine Vorstellungen für einen künftigen Vorstand, der genau dieser Idee von einer neuen Geschlossenheit folgt. Nur ob neben ihm Chrupalla oder Kleinwächter Co-Bundessprecher werden soll, lässt Fest offen. Dem Vernehmen nach wäre ihm ein Co-Chef Kleinwächter lieber. Einem unmittelbaren Machtkampf geht Fest aus dem Weg, indem wohl er erst für den Posten des zweiten Bundessprechers antritt. Theoretisch würde die AfD-Satzung zwei oder sogar drei gleichberechtigte Parteivorsitzende erlauben. In Riesa steht allerdings auch ein Antrag zur Abstimmung, dass es künftig sogar nur noch eines Vorsitzenden bedarf. Weil für eine entsprechende Satzungsänderung jedoch eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, ist ein Ausgang schwer abzusehen.

Bereits vor Fest hatte Chrupalla seine Vorstellungen für das künftige Personaltableau an der Parteispitze dargelegt. Wen er dabei auf welchen konkreten Posten sieht, ließ er zwar offen, auf der von ihm als »Team Zukunft« bezeichneten Liste stehen allerdings einige politische AfD-Schwergewichte. Mit dabei ist Alice Weidel, neben Chrupalla Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion und aktuell stellvertretende Bundesvorsitzende. Ob sie sogar als zweite Bundessprecherin kandidiert, ist bisher offen. Für weitergehende Ambitionen spricht, dass Weidel angekündigt hat, ihren Posten als Landesvorsitzende in Baden-Württemberg abzugeben. Ämterhäufung wird in der AfD nicht gern gesehen. An der Parteibasis ist die Ökonomin nach wie vor populär. Ebenfalls auf Chrupallas Liste stehen der aktuelle Parteivize und Höcke-Vertraute Stephan Brandnersowie mit dem Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt, Martin Reichardt, ein weiterer Vertreter des völkischen Lagers. Mit der Benennung des Vorsitzenden der Jungen Alternative, Carlo Clemens, versucht Chrupalla offenbar zudem, den vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuften AfD-Jugendverband hinter sich zu sammeln.

Höckes Name fehlt in Chrupallas »Team Zukunft«, was jedoch weniger als Affront gegen den Faschisten zu werten ist, sondern viel mehr als ein weiterer Hinweis, dass der Thüringer Landesvorsitzende selbst gar nicht in den Parteivorstand will. Seine Ankündigung, »vielleicht die Parteiführung auf Bundesebene auch mitzuprägen«, lässt auch andere Schlüsse als eine Kandidatur zu.

Umtriebig wie bisher selten äußert Höcke öffentlich seine Gedanken und Pläne zur Zukunft der Partei, bei Facebook hat er dazu eine dreiteilige Textreihe veröffentlicht. Sein zentraler Vorschlag: Eine Kommission soll Konzepte für eine Strukturreform der Parteiinstitutionen erarbeiten.

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