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Teilsieg für Frankreichs Linke

Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit wird das Regieren für Emmanuel Macron sehr schwierig

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Gründer der linken Wahlallianz Nupes, Jean-Luc Mélenchon, will diese auch im Parlament als eine Fraktion sehen.
Der Gründer der linken Wahlallianz Nupes, Jean-Luc Mélenchon, will diese auch im Parlament als eine Fraktion sehen.

Bei den Stichwahlen zur Nationalversammlung hat die regierende Renaissance (bisher Ensemble!) am Sonntag nur 245 Sitze erlangt. Damit blieb sie weit unter der absoluten Mehrheit, für die 289 der 577 Sitze erforderlich sind. Dabei entfielen auf Macrons Bewegung La République en Marche (LREM) 170 Sitze, auf die Zentrumspartei Modem 76 Sitze, auf Horizons, die kleine Partei des Ex-Premiers Édouard Philippe, 26 Sitze und auf die Parti Radical 3 Sitze. Dagegen bekam bei der Parlamentswahl 2017 allein schon Macrons Bewegung LREM 308 Sitze.

Zur stärksten Formation der Opposition wurde mit 133 Sitzen Nupes, das linke Bündnis von Jean-Luc Mélenchon. Dabei entfielen 72 Sitze auf seine Bewegung La France insoumise (LFI), 26 Sitze auf die Sozialisten, 23 auf die Partei der Grünen und 12 Sitze auf die Kommunistische Partei. Hinzu kommen 20 linke Abgeordnete aus Korsika und den Übersee-Départements, die vom Innenministerium als »diverse Linke« gezählt und damit nicht dem Bündnis Nupes zugeordnet wurden, die sich aber mehrheitlich der Fraktion anschließen dürften.

Die Zahl der eingetragenen Wähler, die der Urne ferngeblieben sind, lag mit 53,8 Prozent etwas höher als die 52,5 Prozent beim ersten Wahlgang, war aber niedriger als die 57,4 Prozent, die beim zweiten Wahlgang 2017 für einen Negativrekord sorgten.

Die Neue ökologische und soziale Volksunion Nupes hat das Ziel, die absolute Mehrheit zu erringen und damit Jean-Luc Mélanchon als Premierminister durchzusetzen, nicht erreicht. Trotzdem sprach Mélenchon am Wahlabend von einem Sieg. »Wir haben das politische Ziel erreicht, den Mann zum Stolpern zu bringen, der mit Arroganz ein ganzes Land genötigt hat, ihn als Präsidenten wiederzuwählen, ohne dass man wusste, wofür. Das Lager des Präsidenten ist in einer Sackgasse gelandet«, sagte er in seiner Ansprache. »Jetzt ist alles möglich, wir haben viele Karten in der Hand. Es kommt überhaupt nicht infrage zu zögern. Ich selbst werde meinen Kampfposten wechseln, aber mich bis zuletzt in der ersten Reihe dieses Kampfes engagieren.« Nupes hat bereits angekündigt, dass sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Misstrauensantrag gegen die Regierung einbringen wird. Für Nupes war das Votum nur relativ erfolgreich, weil es für die linken Parteien und Bewegungen insgesamt etwa bei ihrer bisherigen Zahl von Sitzen bleibt. LFI hat zugelegt und das Bündnis wird nun erste Kraft der Opposition im Parlament.

Einen beispiellosen Erfolg erzielte das rechtsradikale Rassemblement National (RN). Während die RN-Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen für ihre Bewegung noch vor Tagen mit bestenfalls 60 Sitzen gerechnet hatte, wurden es letztlich 89. Bisher war RN im Parlament mit acht Abgeordneten vertreten und in der Legislaturperiode 2012–2017 sogar nur mit zwei. Angesichts der neuen Lage hat Le Pen am Montag entschieden, den Vorsitz der Bewegung, den sie für die Präsidentschafts- und Parlamentswahl an ihren bisherigen Stellvertreter Jordan Bardella abgegeben hatte, nicht wieder zu übernehmen. Sie will sich jetzt ganz der Führung der RN-Parlamentsfraktion widmen. Marine Le Pen beansprucht bereits für sich die Rolle der Oppositionsführerin, weil sie RN nicht mit Nupes vergleicht, sondern darauf pocht, dass ihre Fraktion größer ist als die der Bewegung La France insoumise.

Die rechtsbürgerlichen Republikaner errangen diesmal 64 Sitze (bisher 92) und verlieren damit ihre Rolle als führende Oppositionskraft im Parlament. Allerdings können sie sich Hoffnung machen, bei Bedarf als Mehrheitsbeschaffer umworben zu werden und damit einen gewissen Einfluss auf Gesetzentwürfe und Entscheidungen der Regierung nehmen zu können. Noch sind aber bei den Republikanern zahlreiche namhafte Politiker nicht bereit, sich zu »Erfüllungsgehilfen von Macron« machen zu lassen.

Von den 15 Mitgliedern der Regierung, die sich dem Votum der Wähler gestellt hatten, waren zwölf erfolgreich. Zu ihnen gehört Premierministerin Elisabeth Borne, die bisher noch nie ein Wahlmandat hatte. Die drei unterlegenen Minister müssen jetzt die Regierung verlassen. In diesem Zusammenhang, und um die seit der Präsidentschaftswahl amtierende provisorische Regierung zu ergänzen, ist für die nächsten Tage mit einer Regierungsumbildung zu rechnen.

Durch die Dreiteilung der politischen Landschaft in das Regierungslager, das Linksbündnis Nupes und die rechtsextreme Bewegung RN wird das Land sehr schwer zu regieren sein. Während bisher die wesentlichen Entscheidungen vom Präsidenten gefällt wurden, der sich auf eine übermächtige Parlamentsmehrheit stützen konnte, verlagert sich jetzt das Schwergewicht vom Élysée zum Palais Bourbon, dem Sitz der Nationalversammlung.

»An die Stelle des bisherigen jupiterhaften Regierens von oben wird jetzt ein ständiges Verhandeln um Mehrheiten und Einfluss auf Inhalte treten«, meint ein Rundfunkkommentator. »Für Macron wird es so praktisch unmöglich, sein ambitiöses Programm von Reformen und allem voran die einschneidende Rentenreform weiter voranzubringen, ohne Abstriche machen zu müssen.« Die Zeitung »Libération« wertet das Wahlergebnis als »schallende Ohrfeige« für den Präsidenten und kommentiert: »Damit ist der Kern des Macronismus getroffen, der den Anspruch erhoben hatte, die besten Kräfte von links und rechts abzuwerben und damit diese beiden Lager bedeutungslos zu machen.« Doch damit habe Macron die Masse der Unzufriedenen den entschlossen links stehenden Kräften und den Rechtsextremen zugeführt oder ganz von der Politik entfremdet.

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