Eine starke Linke braucht das Land

Die Linkspartei fehlt derzeit schmerzlich, meint Felix Kolb. Denn gerade in Zeiten einer Ampel-Koalition könnte sie SPD und Grüne antreiben

  • Felix Kolb
  • Lesedauer: 4 Min.

Sexismus-Vorwürfe, Lagerkämpfe, Rücktritte – das sind die Schlagzeilen, die die Linkspartei in den vergangenen Monaten produziert hat. Das Image der Partei ist ramponiert, Wahlergebnisse auf Landes- und Bundesebene sind desaströs. Kurzum: Die Linke ist angezählt. Der kommende Erfurter Parteitag ist die wahrscheinlich letzte Chance für die Partei, den politischen K.o. abzuwenden. Und nicht nur das: Es ist die Chance, endlich aus der Defensive zu kommen und einen Prozess anzustoßen, der die Partei wieder zu einer wichtigen politischen Kraft der progressiven Linken macht.

Die Linkspartei fehlt derzeit schmerzlich. Denn gerade in Zeiten einer Ampel-Koalition könnte sie SPD und Grüne antreiben. Es geht darum, wichtige progressive Themen zu setzen, den Finger in die Wunde zu legen, aufzuzeigen, wo die Bundesregierung nicht liefert. Friedrich Merz tut das mit seiner Unionsfraktion von rechts, doch links der Ampel-Koalition ist ein Vakuum. Das führt zu einem bundespolitischen Ungleichgewicht. Zudem ist klar: Wird die Linkspartei wieder zu einer echten Konkurrenz für SPD und Grüne, steigt der Anreiz für die Regierungsparteien, mehr progressive Politik durchzusetzen, um nicht Wähler*innen an die Linkspartei zu verlieren.

Felix Kolb
Felix Kolb ist Geschäftsführer des Kampagnennetzwerkes Campact.

Doch geht es perspektivisch um mehr als das Abwerben von Wähler*innen: den Aufbau einer Option für eine Regierung links der Mitte – Berlin, Bremen und Thüringen machen es vor. Fiele Die Linke auf Bundesebene hierbei weiter aus, wäre das fatal. Denn sowohl unter der Ampel als auch bei einer möglichen schwarz-grünen Bundesregierung werden FDP oder CDU/CSU progressive Politik immer wieder blockieren. Nur mit einem rot-rot-grünen Regierungsprojekt ist progressive Politik in einer Konsequenz denkbar, die der Dramatik von sozialer Ungleichheit, Klima- und Biodiversitäts-Krise entspricht. Auch deshalb müssen die Weichen jetzt gestellt werden hin zu der Option einer Mitte-Links-Regierung nach der nächsten Bundestagswahl.

In ihrem derzeitigen Zustand ist die Linkspartei aber weder eine wahrnehmbare Oppositionskraft noch eine potenzielle Regierungspartei – und deswegen für viele Wähler*innen unattraktiv. Der Parteitag muss Startpunkt für eine Neuaufstellung sein. Inhaltliche Konflikte müssen klar entschieden und dürfen nicht länger mit Formelkompromissen zugekleistert werden – auch wenn das dazu führt, dass einzelne prominente Mitglieder die Partei verlassen.

Besonderen Klärungsbedarf gibt es in der Außenpolitik. Hier braucht es ein klares Bekenntnis zur Landes- und Bündnisverteidigung sowie zu universellen Menschenrechten. Und eine eindeutige Position gegen Autokraten und Diktatoren – auch wenn diese in Moskau, Peking, Damaskus oder Havanna verortet sind. Zudem ist es notwendig, dass sich die Linkspartei klar zur Europäischen Union bekennt. Nur so können progressive Politikansätze und Umverteilung transnational durchgesetzt und die Macht von Konzernen begrenzt werden. Die Partei muss sich davon verabschieden, dass das Heil in der vermeintlichen Überschaubarkeit des Nationalstaats liegt.

Gleichzeitig braucht es für eine Neuaufstellung frisches Personal an der Parteispitze, das den neuen Kurs verkörpert und auch gegen Widerstände durchsetzt. Politiker*innen, die dafür sorgen, dass die Partei wieder einen Gestaltungsanspruch reklamiert und konkrete Veränderungen im Hier und Jetzt erzielen will. Politiker*innen, die sich klar das Ziel auf die Fahne geschrieben haben, die Partei regierungsfähig werden zu lassen und dafür zugleich ambitioniert und kompromissfähig zu sein.

Viele ehemalige Linken-Wähler*innen und auch manche Anhänger*innen von SPD und Grünen sehnen sich nach einer funktionierenden Linken – als starke Oppositionspartei und möglichem Koalitionspartner. Womöglich war eine kraftvolle Linkspartei noch nie so gefragt wie heute. Es ist nun die Aufgabe der Parteitagsdelegierten, dieses Momentum zu nutzen. Die Linkspartei kann den K.o.-Schlag nur abwenden, wenn sie sich aus der Deckung traut. Vom Parteitag muss ein Signal der Hoffnung und Perspektive für einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel in diesem Land ausgehen.

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