- Wirtschaft und Umwelt
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Keine Trendumkehr
Bafög-Empfänger bekommen etwas mehr Geld
Durch die Corona-Pandemie haben viele Studentinnen und Studenten ihre Nebenjobs verloren. Auch die aktuellen Preiserhöhungen sorgen bei jungen Menschen für noch mehr finanzielle Not. Wer eine Ausbildung oder ein Studium macht, lebt oft am Existenzminimum. Der Bundestag hat am Donnerstag mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und Linken eine Erhöhung der Bafög-Sätze beschlossen. Union und AfD stimmten dagegen.
Der Höchstsatz für Studentinnen und Studenten wird von aktuell 427 auf 452 Euro im Monat ab dem Wintersemester angehoben. Wer nicht mehr bei den Eltern wohnt, kann bis zu 360 statt bisher 325 Euro für die Miete bekommen. Auch wer sich selbst kranken- und pflegeversichern muss, erhält dafür höhere Zuschläge. Auch Schülerinnen und Schüler sowie Azubis, die nicht bei ihren Familien wohnen, können künftig bis zu 632 statt bisher 585 Euro erhalten.
»Die aktuelle Erhöhung um 5,75 Prozent wird faktisch von der Inflation schon wieder aufgefressen«, kommentierte Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks die Erhöhung. Dieses forderte am Donnerstag eine Anhebung der Bafög-Sätze um mindestens zehn Prozent. Auch der Dachverband der Studierendenvertretungen, der Freie Zusammenschluss von Student*innenschaften (FSZ), kritisierte die Erhöhung als zu niedrig. Mit dem Gesetz würden kurzfristig Löcher geflickt, so Lone Grotheer, Vorstandsmitglied des FSZ. »Dieses Flickwerk darf nicht davon ablenken, dass das Bafög dringend einer grundlegenden Erneuerung bedarf.« Die studentische Armut wachse von Semester zu Semester.
Das liegt unter anderem daran, dass die Mieten in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind, wohingegen das Wohngeld im Bafög unrealistisch niedrig bemessen ist. Eine am Donnerstag veröffentlichte Analyse des Portals Immowelt hat zudem ergeben, dass auch das Verhältnis zwischen dem neu beschlossenen Bafög-Höchstsatz und den Angebotsmieten nicht passt. In 31 von 68 untersuchten Hochschulstädten ist die Kaltmiete für eine typische Studentenwohnung von ein bis zwei Zimmern höher als die neue Bafög-Wohnpauschale von 360 Euro. Vor der Anhebung lag die Wohnpauschale demnach in 38 Unistädten unter der Kaltmiete.
Bereits Ende April hatte ein breites Bündnis eine umfassende Reform des Bafög gefordert. Derzeit gebe es »historisch niedrige Förderquoten« von unter 11,4 Prozent aller Studentinnen und Studenten, während im Jahr 1971 noch etwa 45 Prozent der Studierenden Bafög bezogen hätten. »Insbesondere Studierende aus der unteren Mittelschicht fallen durchs Raster, Schülerinnen und Schüler können sich keine Laptops leisten und Auszubildende erhalten oft weder genug Lohn noch genug Bafög, um sich über Wasser zu halten«, prangerte das Bündnis an. Vor allem in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Bafög-Empfänger stark gesunken.
Um den Kreis der Empfänger zu vergrößern, sollen künftig 2415 Euro des monatlichen Elterneinkommens anrechnungsfrei bleiben. Bisher sind es 2000 Euro. Angehoben werden auch weitere Freibeträge, etwa für Verheiratete und Studierende mit Kind. Auch das Schonvermögen, das nicht auf das Bafög angerechnet wird, wird angehoben. Zudem dürfen Studentinnen und Studenten mehr in einem Nebenjob verdienen, ohne dass sich das auf die Bafög-Höhe auswirkt. Auch die Altersgrenze für das Bafög wurde von 30 auf 45 Jahre angehoben, für Menschen, die erst später studieren wollen oder können.
Doch das reicht vielen nicht. So kritisierte etwa Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: »Anders als im Koalitionsvertrag versprochen packt die Koalition weder die Senkung des Darlehensanteils des Bafög zugunsten einer Zuschussförderung noch die Auszahlung eines elternunabhängigen Garantiebetrags für alle Studierenden an.« Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband äußerte sich kritisch zu den Bafög-Reformen. »Die Armutsquote bei Studierenden ist schon jetzt doppelt so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Das ist dramatisch«, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Dieser hatte im Mai eine Studie veröffentlicht, derzufolge jeder dritte Studierende arm ist. Von den Studierenden, die Bafög erhalten, lebt demnach sogar fast jeder zweite unter der allgemeinen Armutsschwelle.
Die Ampel-Koalition verteidigte am Donnerstag die Neuerungen: Im Zuge der Bafög-Reform stelle man in den kommenden Jahren zwei Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Das nun beschlossene Gesetz sei zudem nur der erste Schritt. Das Bafög soll nach den Plänen der Koalition langfristig »elternunabhängiger« werden, indem die von SPD, Grünen und FDP geplante Kindergrundsicherung direkt an Studentinnen und Studenten ausgezahlt wird – als »Grundsockel der Studienfinanzierung«.
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