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Koalitionsvertrag eine »historische Peinlichkeit«
Grüne und CDU stimmen Koalitionsvertrag für NRW zu
Durch ein Spalier aus Demonstrant*innen mussten die Delegierten des Grünen Landesparteitags gehen. Rechts Beschäftigte aus den sechs nordrhein-westfälischen Universitätskliniken, die seit fast zwei Monaten für einen Tarifvertrag-Entlastung streiken. Links Aktivist*innen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, die sich für den Erhalt des Dorfes Lützerath engagieren. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag findet sich der Entlastungstarifvertrag gar nicht. Zum Braunkohleabbau will sich die Koalition mit RWE verständigen. Die Tagebauführung soll flächensparend erfolgen.
Über ein Gespräch mit der Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur berichtet ein Aktivist aus Lützerath, dass er die klare Frage gestellt habe, ob er im Herbst mit einer Räumung rechnen muss. Neubaur hätte darauf viel gesagt, seine Frage sei aber nicht beantwortet worden. Es sieht also nicht gut aus für Lützerath. Kathrin Henneberger, Bundestagsabgeordnete der Grünen und früher Sprecherin des Bündnisses »Ende Gelände«, ist eng mit dem Protest in Lützerath verbunden. Gegenüber dem »nd« sagt sie: »Eine grüne Partei darf in einer Koalition die Klimagerechtigkeitsbewegung nicht vergessen und nicht vergessen, dass sie Teil der Bewegung ist.« Für sie bedeutet das, »Räume für zivilgesellschaftliches Engagement zu öffnen.« Konkret heiße das in Nordrhein-Westfalen, »dass wir dafür sorgen müssen, dass Lützerath erhalten bleibt.«
Auch die Beschäftigten der Unikliniken haben konkrete Forderungen an die Grünen. Lisa Schlagheck arbeitet an der Klinik in Münster. Über ein kurzes Gespräch mit Mona Neubaur sagt sie, dass diese die Forderungen offenbar verstanden habe. Neubaur habe zugesagt, »kurzfristig« für eine Refinanzierung sorgen zu wollen, um die Forderungen der Klinikbeschäftigten zu erfüllen. Schlagheck sagt, sie sei gespannt, was in den nächsten ein bis zwei Wochen passiert. Es liege in der Hand der Grünen, dafür zu sorgen, dass es einen guten Tarifabschluss gibt.
Davon, dass es Konflikte und Widerstände gegen die schwarz-grüne Koalition gibt, ist im Saal erstmal nichts zu spüren. Minutenlang ist der Applaus für Mona Neubaur, für das Verhandlungsteam, für die Beschäftigten der Landesgeschäftsstelle. Gute Laune pur. Das ändert sich erst bei der Aussprache zum Koalitionsvertrag. Viele Redner*innen, gerade aus der Grünen Jugend, kritisieren den Koalitionsvertrag. Eine der prägnantesten Reden kommt von Alba de Curtis aus Münster: der Parteitag verhalte sich wie »in Watte gepackt«, mit seiner demonstrativen Freude. Der Koalitionsvertrag sei »eine historische Peinlichkeit«. Es fehle eine Mietpreisbremse, genauso wie der Tarifvertrag-Entlastung. Ständig stehe in dem Vertrag, dass man etwas »prüfen« müsse, dabei sei doch besonders bei der Klimapolitik klar, was zu tun sei.
Kritik gab es auch von erfahrenen Landtagsabgeordneten. Hier ging es aber vor allem um die Personalauswahl und die Ressortzuschnitte. Der Umweltpolitiker Norwich Rüße erklärte, dass er es für »grundfalsch« halte, dass der Bereich Landwirtschaft aus dem Umweltministerium herausgelöst wurde. Dadurch sei »der gute Wein« des Koalitionsvertrags »etwas säuerlich« geworden. Rüße war trotzdem für eine Zustimmung des Koalitionsvertrags.
Grüner Umwelt- und Verkehrsminister soll der bisherige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Oliver Krischer werden. Das dürfte für einige Ernüchterung bei Arndt Klocke gesorgt haben, er hat sich in den vergangenen Jahren als Verkehrspolitiker einen Namen gemacht. Klocke äußerte sich frustriert über die Parteiführung: »Mein Eindruck ist, dass unsere Spitze ein Closed Shop ist, der erfahrene Fachpolitiker wie mich nicht einbindet oder bewusst ausgrenzt.« Klocke kritisierte, der Führungsstil passe nicht zur offenen Kultur der Grünen.
Stimmen wie die von Klocke blieben allerdings einzeln. Am späten Nachmittag stimmten 85 Prozent der Delegierten dem Koalitionsvertrag mit der CDU zu. Mona Neubaur erklärte dazu: »Die inhaltliche Grundlage des Koalitionsvertrags ist stabil, sie ist ambitioniert und sie gibt Antworten auf die vielen Herausforderungen, vor denen unser Land heute steht.«
Die CDU war schon am Mittag mit ihrem Parteitag fertig. Dort stimmten nur vier von 640 Delegierten gegen den Koalitionsvertrag. Am kommenden Dienstag soll der Landtag Hendrik Wüst zum Ministerpräsidenten wählen.
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