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Ermunterung zum dreifachen Spagat

In Sachsen sollen mehr Frauen zu Engagement in Landes- und Kommunalpolitik ermutigt werden

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.

In Sachsen fand am 12. Juni die erste Runde der Landratswahlen statt. 40 Menschen stellten sich zur Wahl, davon waren nur fünf Frauen. Im entscheidenden Wahlgang am 3. Juli sind nur noch drei Frauen im Rennen; mit Dorothee Obst (Freie Wähler) im Kreis Zwickau hat nur eine ernsthafte Siegchancen. Sie wäre erst die sechste Frau, die seit 1990 in Sachsen an die Spitze einer Kreisverwaltung rückt. Dort sind Männer bislang in erdrückender Übermacht.

Das ist keine Ausnahme. Im 2019 gewählten Landtag sind von 119 Abgeordneten nur 33 Frauen, eine Quote von 27 Prozent. Das ist der drittschlechteste Wert bundesweit. Bei der Wahl der Stadt- und Gemeinderäte im gleichen Jahr gingen von 6869 Mandaten nur 1419 an Frauen – ein Fünftel. In vielen Ratssälen herrscht eine männliche Monokultur. Das Genderkompetenzzentrum Sachsen ermittelte, dass von den kommunalen Wahlfunktionen in den vergangenen zehn Jahren 80 Prozent an Männer gegangen seien. Der Freistaat sei damit »Schlusslicht bei der ehrenamtlichen kommunalpolitischen Partizipation von Frauen«.

20 Wochenstunden für das Ehrenamt

Gründe gibt es viele. Ehrenämter in der Kommunalpolitik seien mit bis zu 20 Wochenstunden sehr zeitaufwändig und verlangten gerade Frauen einen »dreifachen Spagat ab zwischen Familie, Beruf und Engagement«, sagt Helga Lukoschat von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF). Jene, die ihn auf sich nehmen, sehen sich häufig mit einer als unangenehm wahrgenommenen Diskussionskultur konfrontiert. Jede Zweite sagt, sie werde in Debatten häufiger unterbrochen als Männer; jede Dritte ist überzeugt, Frauen hätten weniger Chancen, interessante Positionen zu übernehmen; jede Sechste gibt an, nach ihrem Äußeren bewertet zu werden. Gerade junge Frauen verlieren schnell die Lust daran, von selbst ernannten älteren Honoratioren beständig in die Schranken gewiesen zu werden.

Gleichwohl ist die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen in politischen Ämtern wichtig. Sie brächten mit ihrer Orientierung auf mehrere Lebensbereiche und unterschiedliche Lebenserfahrungen wichtige Sichtweisen und Impulse ein, stellten Lukoschat und ihre Kollegin Jana Belscher in einer bereits 2014 erschienenen Studie fest. Kein demokratisches Gemeinwesen, heißt es darin mit Blick auf Bürgermeisterinnen, könne es sich »auf Dauer erlauben, dass die eine Hälfte in den politischen Führungs- und Entscheidungspositionen nicht angemessen vertreten ist«. Studien zufolge wird in Deutschland nur jedes elfte Rathaus von einer Frau geführt.

Sachsen sucht das Problem jetzt anzugehen. Die Koalition aus CDU, Grünen und SPD bekannte sich in ihrem Vertrag 2019 zum »gemeinsamen Ziel« einer »gleichberechtigten Vertretung von Frauen und Männern in den Parlamenten und Räten auf Landes- und Kommunalebene«. Um Ideen zu entwickeln, wie das gelingen kann, wurde eine Fachkommission eingerichtet, die jetzt ihren Bericht vorgelegt hat. Ihr gehörten neben Lukoschat 13 weitere Mitglieder an: Abgeordnete, eine Bürgermeisterin, Wissenschaftlerinnen und Vertreterinnen von Verbänden. Auch ein Mann arbeitete mit.

Eine Idee: Selbstverpflichtung zu mehr Respekt

Die Liste der Vorschläge, die von dem Gremium erarbeitet wurden, ist lang. Netzwerke sollen gestärkt, bereits bestehende Initiativen wie das Frauen.Wahl.Lokal Oberlausitz stärker bekannt gemacht werden. Angeregt wird, bereits Schülerinnen auf politisches Engagement aufmerksam zu machen und interessierten jungen Menschen Mentorinnen zur Seite zu stellen. Marion Prange, die ehrenamtliche Bürgermeisterin von Ostritz, wünscht sich einen Preis für herausragende Kommunalpolitikerinnen. »Es gibt einfach zu wenige weibliche Vorbilder«, sagt sie zur Begründung. Ideen gibt es auch dazu, wie die Arbeitsweise in Parlamenten und Räten gerade für Frauen attraktiver gestaltet werden kann: mehr Möglichkeiten zu digitalen Sitzungen, Wickeltische, Kinderbetreuung und Vertretungsregelungen bei Elternzeit. Auch eine »Selbstverpflichtung zu respektvollen Umgangsformen« wird angeführt. Es brauche, sagt die grüne Justizministerin Katja Meier bei der Vorstellung des Berichts, eine »nachhaltige Veränderung unserer politischen Kultur«. Erst, wenn Frauen in gleichem Maße in politischen Gremien vertreten seien wie Männer, werde die politische Praxis auch deren Lebenswirklichkeit angemessen berücksichtigen.

Kurzfristiges Ziel der Arbeitsgruppe und der Koalition ist es, den Frauenanteil bereits bei der Kommunal- und der Landtagswahl 2024 zu steigern. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Viele Empfehlungen haben Appellcharakter und wären beispielsweise von den Parteien umzusetzen. Zwar regt die Kommission auch eine Kampagne an, die Frauen vorrangig im ländlichen Raum ansprechen soll: über Plakate, Kinospots, im Internet, auf Bierdeckeln und Brötchentüten. Allerdings ist unklar, wer sie initiieren und finanzieren soll. Gespräche zur konkreten Umsetzung finden ab Juli statt, sagt Anna Gürtler, Sprecherin des Justizministeriums, stellt aber auch klar: »Einen Aktionsplan wird es nicht geben.« Der Maßnahmekatalog sei schon recht konkret. Offen ist auch, ob gesetzliche Vorstöße folgen. Die Kommission regt ein Rechtsgutachten zu Möglichkeiten an, Wahllisten und Direktkandidaturen paritätisch zu besetzen. Susanne Köhler, Vorsitzende des Landesfrauenrates, räumt unumwunden ein: »Ein Paritätsgesetz wäre wunderbar.« Allerdings sind Vorstöße in Thüringen und Brandenburg vor den Verfassungsgerichten gescheitert.

Ohnehin würde eine paritätische Listenbesetzung nur auf Landesebene helfen. Bei kommunalen Wahlen können Stimmen laut Gesetz bei einzelnen Personen gehäuft werden. Die Folgen lassen sich bei der Linken studieren. Von ihren aktuell 551 Mandatsträgern in Städten und Gemeinden sind trotz quotierter Listen nur ein Drittel Frauen. Bei der Kommunalwahl 2019, als die Partei ein Drittel ihrer Mandate einbüßte, verloren überdurchschnittlich viele Frauen zwischen 30 und 50 ihre Sitze. Sie waren zwar bereit zum »dreifachen Spagat«. Aber die Wähler gaben auf den Wahllisten weiter hinten platzierten »alten Hasen« den Vorzug.

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