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Mit dem Fahrrad in den Spanienkrieg
In Chemnitz wird der bundesweit erste neue Erinnerungsort für Interbrigadisten seit 1990 eingeweiht
Von Chemnitz bis nach Spanien sind es gut 2000 Kilometer. Otto Kreutzmann legte die Strecke ab dem Neujahrstag 1937 gemeinsam mit zwei Gleichgesinnten mit dem Fahrrad zurück. Dem jungen Mann ging es indes nicht um eine sportliche Herausforderung. Vielmehr wollte er der Spanischen Republik in ihrem existenziellen Kampf beistehen. Im Juli 1936 hatte es einen Putsch rechter Militärs unter Führung von General Francisco Franco gegeben, der von Hitlerdeutschland und dem faschistischen Regime in Italien unterstützt wurde. Der demokratisch gewählten Regierung wiederum wollten Freiwillige aus ganz Europa beistehen, von denen viele in Internationalen Brigaden kämpften. Kreutzmann war einer von ihnen. Wie es ihm im Bürgerkrieg erging, ist nicht bekannt, sagt Enrico Hilbert, Stadtchef der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) in Chemnitz: »Wir wissen wenig über ihn.« Im November 1937 wurde er von der Gestapo ermordet.
Jetzt steht Kreutzmanns Name mit 23 weiteren auf einer Tafel, die an diesem Donnerstag in Chemnitz enthüllt wird. Es handelt sich um Spanienkämpfer, die in der sächsischen Stadt geboren wurden oder dort lebten, bevor sie in den Bürgerkrieg zogen. Die Tafel ergänzt eine 1979 eingeweihte Stele zur Erinnerung an den in Spanien ums Leben gekommenen Kommunisten Hans Beimler – und sie ist der erste Erinnerungsort für Spanienkämpfer, der seit 1990 in der Bundesrepublik neu entstand, betont Hilbert.
Spanienkämpfer als Namenspate einer Bibliothek
In der DDR war das Gedenken an die Interbrigadisten ein Teil der antifaschistischen Erinnerungskultur. Nach Otto Kreutzmann wurde beispielsweise ein Agrarbetrieb in der Nähe von Halle benannt; ein Gedenkstein erinnert dort an ihn. Auch Schulen und Straßen trugen Namen von Spanienkämpfern. Denkmäler gab es indes überraschend wenige, sagt Hilbert; solche mit lokalen Bezügen noch viel weniger. In Karstädt in der Prignitz entstand ein Gedenkstein für den dort geborenen Hans Kahle. Ansonsten handelte es sich oft um eher symbolische Erinnerungsorte. In Berlin erinnerten zwei Denkmäler an die Internationalen Brigaden allgemein und an Arthur Becker; in Rostock wurde im Überseehafen Hans Beimler gewürdigt. Die Stele in Chemnitz, die von dem Bildhauer Volker Beier geschaffen und vor 43 Jahren eingeweiht wurde, steht in einem damals neu entstandenen Wohngebiet, das seinen Namen trug, so wie auch ein Einkaufszentrum und eine Bibliothek. Allerdings war Beimler gebürtiger Bayer; in Chemnitz hielt er sich nie auf. Es ging, sagt Hilbert, »um symbolische Traditionspflege«.
In den Jahren seit 1990 stand vielerorts der Kampf um den Erhalt der Denkmäler im Mittelpunkt. Der Stein für Hans Kahle in Karstädt sollte 2004 entfernt werden. In Berlin gab es bereits 1992 einen Sprengstoffanschlag auf das Mahnmal für die Interbrigadisten im Friedrichshain, dessen zentrale Plastik von Fritz Cremer stammt. Später entschied eine »Kommission zum Umgang mit politischen Denkmälern«, dass zwar Cremers Werk eine »qualitätvolle Arbeit« sei, aber der Text einer Gedenktafel zu ändern sei, weil diese teils Geschichtsfälschung betreibe. In Chemnitz sollte Ende 2000 die Hans-Beimler-Bibliothek umbenannt werden, wogegen sich aber die Mehrheit der Leser aussprach. Inzwischen ist sie geschlossen.
Auch Walter Janka ging von Chemnitz nach Spanien
Die Chemnitzer Initiative, auch örtliche Spanienkämpfer zu ehren, entstand bereits 2011 anlässlich einer Ausstellung zum 75. Jahrestag des Spanienkrieges. Erstes Ziel war eine Sanierung der Stele, die nach einem von Linke, SPD und Grünen gefassten Beschluss des Stadtrats schließlich 2018 erfolgte. Zudem aber »wollten wir einen lokalen Bezug«, sagt Hilbert. Inhaltlich waren die Voraussetzungen gut: Er ist Mitautor eines 2013 erschienenen Lexikons, das biografische Angaben zu rund 4500 deutschen Spanienkämpfern enthält. In den Internationalen Brigaden stellten diese das fünftgrößte Kontingent. 21 der dort erwähnten Kämpfer stammten aus Chemnitz, einer aus dem heute eingemeindeten Wittgensdorf. Der bekannteste ist Walter Janka, der in der frühen DDR zunächst Leiter des Aufbau-Verlages war und 1956 in einem Schauprozess wegen angeblicher konterrevolutionärer Bestrebungen verurteilt wurde. Im Zuge weiterer Forschungen stieß Hilbert auf zwei weitere Interbrigadisten, darunter mit der Unternehmertochter Käthe Lichtenstein eine der zwei Frauen unter den jetzt Geehrten.
Die Initiatoren der Ehrung hatten ursprünglich größere Pläne: eine künstlerische Ergänzung der Stele, für die Volker Beier bereits einen Entwurf geschaffen hatte. Dafür reichten schließlich die Mittel nicht, trotz einer Spendensammlung, zu der auch der Bürgerverein »Für Chemnitz« aufgerufen hatte. Entstanden ist nun eine Edelstahlplatte, auf der die Namen eingraviert sind; ein grafisches Signet greift das Motiv der Stele auf. Die Platte wird mit einem musikalisch umrahmten kleinen Festakt eingeweiht – elf Jahre nach der ersten Idee. Federführend für das Vorhaben war der städtische Kulturbetrieb.
Hilbert freut sich über das Ereignis; wunschlos glücklich ist er aber nicht. Zum einen erinnert er daran, dass ein Chemnitzer Friedhof für NS-Opfer, auf dem auch Spanienkämpfer beerdigt sind, nach wie vor nicht unter Denkmalschutz steht und also potenziell bedroht ist. Zum anderen weist er darauf hin, dass die Bundesrepublik die Interbrigadisten bisher offiziell nicht ehrt. In Spanien seien diese »Ehrenstaatsangehörige«, sagt er; in Luxemburg und der Schweiz seien sie rehabilitiert worden. In Deutschland gab es 2001 einen Vorstoß für eine Ehrung im Bundestag, der aber scheiterte. Und auch zwei Jahrzehnte später steht eine offizielle Würdigung der Männer und Frauen, die in einem der großen Konflikte des 20. Jahrhunderts für Demokratie und Freiheit kämpften, weiter aus.
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