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Qualifiziert und streitbar
Die Publizistin Ferda Ataman wurde zur Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt
Es ist selten, dass ein normaler Wahlgang im Bundestag schon im Vorfeld so hohe Wellen schlägt. Am Donnerstag wurde Ferda Ataman von einer Mehrheit des Bundestags zur Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt. »Ich danke für das Vertrauen und freue mich sehr auf die neue Aufgabe. Als Antidiskriminierungsbeauftragte werde ich mich für alle Menschen einsetzen, die Benachteiligungen erleben – sei es wegen ihres Alters, wegen einer Behinderung, der Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Identität, der Religion oder Weltanschauung«, sagte die 42-Jährige nach ihrer Wahl. Ataman kündigte darüber hinaus an, sich für eine rasche Umsetzung der im Koalitionsvertrag angekündigten Verbesserungen im rechtlichen Schutz vor Diskriminierungen stark zu machen und hier die Expertise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes einzubringen. Neben dieser Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sei überdies der Ausbau flächendeckender, auch zivilgesellschaftlicher Beratung gegen Diskriminierung wichtig.
Im Vorfeld der Wahl war seit ihrer Nominierung durch Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) eine erbitterte Debatte um die Personalie geführt. Noch am Mittwoch hatte die AfD versucht, den Wahlgang ohne Aussprache durch eine Änderung der Tagesordnung zu blockieren. Selbst einzelne Abgeordnete der FDP erklärten im Vorfeld, sie wollten Ataman nicht wählen. Doch FDP-Fraktionschef Christian Dürr empfahl seiner Fraktion die Zustimmung: Ataman sei »sehr streitbar«, es gebe aber keinen Zweifel an ihrer Qualifikation. Gewählt wurde sie schließlich mit etwas mehr als der notwendigen sogenannte Kanzlermehrheit von 369 Stimmen. 376 Abgeordnete stimmten für Ataman, 278 gegen sie. Es gab 14 Enthaltungen. Auch die Linkspartei unterstützte Ataman. »Ich kenne sie seit Jahren aus der Antidiskriminierungsarbeit und bin sicher, dass sie den Finger immer in die Wunde legen wird und Diskriminierung bennennen und sich für Abhilfe einsetzen wird, egal von welcher Seite sie kommt«, sagte Elif Eralp, Sprecherin für Antidiskriminierung der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, zu »nd«.
Die 1979 in Stuttgart geborene und in Nürnberg aufgewachsene Journalistin und Politikwissenschaftlerin konzentrierte sich schon während ihres Studiums auf die Themen Migration und Integration. Nach dem Studium arbeitete sie ab 2005 als Redenschreiberin für den damaligen Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen Armin Laschet. 2007 machte Ataman eine Ausbildung an der Berliner Journalistenschule und arbeitete danach in verschiedenen Zeitungsredaktionen. Von 2010 bis 2012 leitete sie das Referat Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. 2009 gründete sie das Netzwerk Neue deutsche Medienmacher*innen mit, das sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzt. Von 2013 bis 2016 leitete die 43-Jährige, deren Eltern aus der Türkei nach Deutschland kamen, den Mediendienst Integration, eine wissenschaftliche Plattform für Journalisten zu den Themen Migration, Integration und Asyl. An fachlichen Qualifikationen und Kompetenz mangelt es ihr nicht.
Doch darum ging es bei den öffentlich geführten Auseinandersetzungen meistens gar nicht. Der Parlamentsgeschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, sprach von einer »krassen Fehlbesetzung«. Ataman sei eine »linke Aktivistin« und bisher vor allem mit »verbalen Ausfällen gegenüber Menschen ohne Migrationshintergrund« aufgefallen. Gemeint ist damit wohl, dass sie einmal in einer Kolumne verteidigte, dass manche Menschen mit Migrationshintergrund weiße Deutsche im Scherz »Kartoffel« nennen. Der ehemalige Innenminister Horst Seehofer war wegen der Anwesenheit von Ataman einmal dem Integrationsgipfel der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel ferngeblieben, da sie in einer Kolumne die Einführung des Heimatministeriums kritisiert hatte. Und die FDP-Politikerin Linda Teuteberg warf ihr vor, die Gesellschaft zu spalten. Die Liberale kritisierte außerdem, dass Ataman eine Reihe von Tweets gelöscht haben soll, die sie möglicherweise in Bedrängnis gebracht hätten. Doch auch migrantische Organisationen und Einzelpersonen kritisierten die Nominierung. Der Publizist Ahmad Mansour warf ihr etwa vor, sie würde behaupten, nur Weiße könnten rassistisch sein.
Diese und andere Vorwürfe hat der Journalist Stephan Anpalagan detailliert anhand Atamans eigener Texte entkräftet, in denen sie über antisemitische Ausfälle von Migrant*innen schreibt oder über Zwangsheirat in muslimischen Communities. Ihre Kritiker*innen könnten das alles wissen. Ataman selbst äußerte sich im Vorfeld der Wahl nicht.
»Wer wirksame Antidiskriminierungsarbeit leisten will, muss willens sein, sich konsequent für das Recht marginalisierter Gruppen auf Gleichbehandlung einzusetzen, auch wenn es unbequem ist. Genau das tut Ferda Ataman seit Jahren und wird es, da habe ich keinen Zweifel, auch in ihrem neuen Amt erfolgreich tun«, sagte Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank. Er könne sich keine bessere Person für die Stelle vorstellen.
Auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hält Ataman »in jedem Fall« für die Richtige für das Amt, sagte sie am Donnerstag im »Deutschlandfunk«. Viele Behauptungen gegen Ataman seien haltlos. »Viel zu lange haben wir diese Antidiskriminierungsstelle und auch die Leitung der Stelle nicht ausreichend berücksichtigt«, so Haßelmann. Die Stelle war von 2018 bis 2022 gar nicht besetzt gewesen. Das lag daran, dass es immer wieder Klagen von Konkurrent*innen gegeben habe, auch gegen die Besetzung der Pädagogin Christine Lüders, die das Amt zuletzt innehatte. Nun hatte erstmals der Bundestag das letzte Wort. Damit geht auch eine Stärkung des Amtes einher. Der Wahl Atamans war im Mai 2022 eine Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorangegangen. Demnach wird die Leitung der Antidiskriminierungsstelle für eine Amtszeit von fünf Jahren (mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl) vom Bundestag gewählt und erhält den Status einer Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung. Die Regierungsfraktionen haben damit eine entsprechende Ankündigung im Koalitionsvertrag umgesetzt.
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