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Mehrere Austritte wegen Umgang mit #LinkeMeToo
Sarah Dubiel und weitere Linksjugend-Mitglieder haben die Partei verlassen. Die Linke lässt die Austritte unkommentiert
Auch mehr als zwei Wochen nach dem Erfurter Parteitag sieht sich Die Linke weiter mit den Folgen des hauseigenen #LinkeMeToo-Komplexes konfrontiert. Seit Monaten häufen sich die Berichte von sexuellen Übergriffen innerhalb der Linken. Mehrere Genoss*innen sind inzwischen aus der Partei ausgetreten, unter ihnen auch Sarah Dubiel aus dem achtköpfigen Bundessprecher*innenrat der Linksjugend. Dubiel hatte wie der gesamte Jugendverband entschieden auf Aufklärung der Vorwürfe sexueller Gewalt gedrängt und die Partei dafür kritisiert, mutmaßliche Täter*innen weiter auf deren Posten sitzen zu lassen.
Nun hat Dubiel auf Twitter in einem persönlichen Statement die Gründe für den Austritt dargelegt. Beim Parteieintritt vor drei Jahren sei die Hoffnung noch groß gewesen, sich nun endlich repräsentiert zu sehen: »Ich komme aus einer Familie, für die Armut bittere Realität war.« Das eigene Leben sei »nicht immer entlang einer ‚roten Linie› oder einem Plan« verlaufen. Und: »Ich bin genauso queer, überzeugte Feminist*in und seit Jahren aktiv gegen die Klimakrise und die wachsende Bedrohung von rechts.« Nun ist Dubiel allerdings von der Linken enttäuscht: »Junge Menschen werden in der Partei zu wenig geschätzt.« Die politische Arbeit sei zudem nicht ausgerichtet auf Familienfreundlichkeit. Ein weiterer Grund für den Austritt ist der Umgang der Partei mit den hausinternen Vorwürfen. »Wie richtig und wichtig die Kritik ist, hat sich auf dem Bundesparteitag gezeigt, als Betroffene von sexualisierter Gewalt bei ihren persönlichen Erklärungen ausgebuht und beleidigt wurden«, beklagt Dubiel. Mehrere Leute, auch Dubiel selbst, seien auf dem Parteitag zusammengebrochen.
In Erfurt hatte sich Die Linke intensiv mit den Vorwürfen auseinandergesetzt. Parteichefin Janine Wissler entschuldigte sich in ihrer Eröffnungsrede bei allen Betroffenen von sexueller Gewalt. Mitglieder der Linksjugend hatten in einer gesonderten Debatte etliche Fälle von Übergriffen geschildert, stellvertretend für die Betroffenen. Die Delegierten beschlossen, die Vorwürfe aufzuarbeiten und die Strukturen zu verbessern.
Allerdings zeigten sich Mitglieder der Linksjugend unzufrieden mit der erneuten Wahl Wisslers an die Parteispitze. Nachdem sich die Vorsitzende neben dem neuen Ko-Chef Martin Schirdewan von den Delegierten feiern lassen hatte, traten nacheinander mehrere junge Genossinnen ans Mikrofon. Mit ihrem Votum pro Wissler habe die Partei entschieden, dass Betroffene kein Gehör fänden und Täter geschützt würden, beklagte eine von ihnen: »Ich bin sauer darüber, dass wir Personen an die Spitze unserer angeblich feministischen Partei setzen, die ganz klar Täterschutz betreiben!« Der Saal reagierte zum Teil mit Unmutsbekundungen.
Eine andere, Lea Sankowske, berichtete unter Tränen von einem persönlich erlittenen Übergriff. »Ich weiß nicht, ob ich in dieser Partei bleiben kann«, sagte sie zum Schluss. Nun ist auch Sankowske aus der Linken ausgetreten. In einer persönlichen Erklärung schreibt sie: »Wir beide haben Janine weder vorgeworfen, eine Täterin zu sein, noch etwas für das Verhalten irgendwelcher Männer zu können. Dennoch steht der Vorwurf, dass sie zu wenig gegen solche Übergriffe in ihrem Umfeld oder unter ihren Mitarbeitern getan hat und auch zuletzt als Parteivorsitzende zu wenig zur Aufklärung beitrug.« Wissler soll von einem Übergriff ihres Ex-Freundes im hessischen Landesverband gewusst, aber auf einen Hilferuf der Betroffenen nicht ausreichend reagiert haben. Die Partei ließ die Austritte am Dienstag auf »nd«-Anfrage unkommentiert.
Eine weitere Genossin, Katharina Grudin, entgegnete auf dem Parteitag, sie sei sicher, dass es Konsequenzen geben werde. Es sei falsch, eine Frau wie Janine Wissler wegen Taten von Männern zu beschuldigen. Gleichwohl sind Dubiel und Sankowske nicht die einzigen Genoss*innen, die der Partei nun den Rücken gekehrt haben. Auch Jakob Hammes, Bundessprecher der Linksjugend, der immer wieder auf Aufklärung der Vorwürfe sexueller Gewalt drängte, hat mittlerweile seinen Austritt verkündet. Im Jugendverband wollen Dubiel und Hammes aber bleiben.
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