Tour de France: Stumm in Gelb

Die Geschichte einer schrägen Gestalt der Frankreich-Rundfahrt

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.
Kurmmes Ding mit interessanter Geschichte
Kurmmes Ding mit interessanter Geschichte

An der Tour de France nehmen die schrillsten Gestalten teil. Stets fährt ein überdimensional großer gelber Löwe auf einem Fahrzeug des Trikotsponsors LCL an der Spitze der Werbekarawane. Asterix, Obelix und Miraculix sind auch mit dabei. Ein Bärchen ebenso. Allerlei Riesenflaschen von Mixgetränken sind auf Ladeflächen geschraubt, selbst ganze Einkaufswagen. Und unverschraubt, aber ebenfalls anwesend – Menschen verkleidet als Hühner. 150 Fahrzeuge und nochmal so viele skurrile Gestalten ist die Werbekarawane lang.

Die wohl schrägste Erscheinung fährt nicht mit. Vielmehr winkt sie allen eifrig zu, wenn die Karawane und auch das Peloton täglich den Startort verlassen: Eine gekrümmte Banane in Menschengröße steht da im Abfahrtsbereich und hebt zwei Stummelärmchen. Natürlich in Gelb, die Farbe der Frankreich-Rundfahrt.

Wer da die Ärmchen bewegt, ist offenbar der Sprache nicht mächtig. Jedenfalls pflegt das Bananenwesen auf Fragen zu schweigen. Nur gestikulieren kann es, immerhin. Bei Start und Ziel ist es dabei, kommt bei dieser Art von Kommunikation heraus. Seit vier Jahren macht es diese Tätigkeit schon, erfährt man auch. Und vom Sonnenlicht ernährt es sich. Ob ihm die Winkarbeit gefällt, bleibt gestisch aber im Unklaren.

Immerhin hat die Banane einen Assistenten. Pierrick Krommel heißt er und arbeitet für den Bananenproduzenten Banane Guadeloupe et Martinique aus den französischen Überseedepartements. 17 Tonnen der Früchte verteilt sein Unternehmen während der gesamten Tour de France. Man sieht sie überall: Im Startvillage, auch bei den Fahrern. Selbst das Pressezentrum ist übervoll. Am Anfang waren sie begehrt. Je länger die Tour dauert, bleiben immer mehr unberührt in den Auslagen.

Die von Portugiesen aus Südostasien in die Karibik gebrachten Pflanzen sind wichtiges Exportgut für Guadeloupe und Martinique. Sogar eine Sorte namens Cavendish gibt es, erfährt man. So ist der britische Top-Sprinter Mark Cavendish zwar nicht am Start, sein Name fährt aber trotzdem mit. Man sollte Patrick Lefevere, der Cavendish als Teamchef nicht nominierte und zum Ende der Saison wohl auch loswerden möchte, mal nach seinem Bananengeschmack fragen.

Eine große Protestwelle wurde vor drei Jahren auf den Bananeninseln selbst ausgelöst, als herauskam, dass in den Jahrzehnten zuvor großflächig krebserregende Mittel auf den Plantagen versprüht wurden. Spuren des Mittels fanden sich im Blut vieler erwachsener Einwohner. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nannte den Vorfall eine »Umweltkatastrophe«. Zu Recht.

Darüber will die Tour-Banane selbstverständlich nicht reden. Sie redet ja auch so nicht. Also auch über Pestizide nicht. So winkt sie denn tagaus, tagein bei der Tour. Die Nacht verbringt sie angeblich in gekrümmter Position im Lieferwagen, der neben ihr steht, versichert Krommel. Nun, das ist offensichtlich ein Scherz.

Ihr Einfluss auf das Rennen ist noch unerforscht. Lag es bei Tadej Pogacar an zu geringem Bananenkonsum, dass ihn auf der 11. Etappe die Kräfte am Berg plötzlich verließen? Hat eine Zauberbanane Jonas Vingegaard übermenschliche Kräfte verliehen? War es der Banane leid, immer den gleichen Mann in der gleichen Farbe, eben der Bananenfarbe Gelb zu sehen? Fragen über Fragen, die alle unbeantwortet bleiben. Das Orakel von Delphi war aussagekräftiger. Vielleicht findet man die Antwort aber im krummen Schatten, den die Banane auf Frankreichs Straßen wirft.

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