- Berlin
- Arbeitskampf
Kein Raum für Diskussionen bei Foot Locker
Mit massiven Gehaltskürzungen und Entlassungen geht das US-Unternehmen gegen seine Betriebsräte in Berlin vor
»Ich kann das Geld ja nicht einfach hervorzaubern«, sagt Amin Barakat zu »nd«, während er vor dem Berliner Arbeitsgericht in Tiergarten steht und auf das Urteil wartet. Ein paar Stunden später steht fest: Der Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen seine Kündigung durch die US-amerikanische Schuhladenkette Foot Locker wurde abgelehnt. Für Barakat bedeutet das Urteil, dass er mindestens bis zur Verhandlung der Kündigungsschutzklage im Oktober ohne Job und Einkommen dasteht: »Und das gerade jetzt, wo alles teurer wird.« Mit dem Job hatte er sein Studium finanziert. Jetzt muss er auf sein Erspartes zurückgreifen, wird von Freund*innen und Familie unterstützt.
Eigentlich hätte Barakat im Juli sein 10-jähriges Jubiläum bei Foot Locker gefeiert. »Plötzlich hatte ich im Mai die außerordentliche Kündigung im Briefkasten liegen«, sagt er. »Ohne Anhörung, ohne nichts.« Erst auf Nachhaken des Betriebsrates sei ihm das Recht auf diese gewährt worden. »Auf der Anhörung wurde mir dann Arbeitszeitbetrug vorgeworfen. Ich soll meine Stunden falsch angegeben haben und deshalb hat man mir gekündigt.« Die Vorwürfe streitet er ab, sie seien »de facto falsch«.
Hinter seiner Kündigung, vermutet Bakarat, stehen andere Beweggründe. Erst im April war er zum Ersatzmitglied des Betriebsrats für die Filialen in der Mall of Berlin und der Schlossstraße gewählt worden – also einen Monat vor seiner unerwarteten Entlassung. Kündigungen dieser Art seien bei Foot Locker nichts Neues, sagt er: »Es zieht sich ein Muster durch bei Foot Locker seit 2018.« Immer wieder würden Mitarbeiter*innen, die im Betriebsrat aktiv waren und sich kämpferisch zeigten, unter dem Vorwurf des Betrugs gekündigt. »Ich bin jetzt einer von diesen Fällen.«
Insgesamt fünf Betriebsratmitglieder und drei Mitarbeiter*innen soll Foot Locker laut seines Gesamtbetriebsrats innerhalb der letzten Jahre entlassen haben. »Es ist darauf hinausgelaufen, dass die Betriebsräte in einem langen Rechtsstreit zermürbt wurden, man sich irgendwann geeinigt hat und sie dann gegangen sind«, sagt dessen Vorsitzender Murat Atas zu »nd«. Er selbst bekommt seit Ende Mai kein volles Gehalt mehr überwiesen, genauso wie sämtliche Mitglieder der Betriebsräte in Berlin.
Auslöser soll laut Atas eine vom Unternehmen gewünschte Einführung von Stundenzetteln für Mitarbeiter*innen der Betriebsräte gewesen sein, über die man noch habe verhandeln wollen: »Es ist uns wichtig, dass hier ein Schutzmechanismus eingepflegt wird, um vor außerordentlichen Kündigungen auf Verdacht der Arbeitszeitmanipulation zu schützen.« Auch hier sei Foot Locker ohne Ankündigung vorgegangen, habe aus heiterem Himmel gekürzt. Erst auf Nachfrage habe es von Seiten des Unternehmens geheißen, dass die Gehälter nicht voll ausbezahlt würden, solange die Betriebsräte keine Stundenzettel einführen, sagt Atas. »Ich persönlich fühle mich gemobbt.«
Den darauffolgenden Rechtsstreit haben die Betriebsräte in erster Instanz verloren, nun soll es eine Etage höher gehen. Franziska Foullong, Gewerkschaftssekretärin von Verdi in Berlin und Brandenburg, ist vom Vorgehen Foot Lockers regelrecht entsetzt: »Man kann ja darüber verhandeln und diskutieren, wie man die Arbeitszeit von Betriebsräten erfasst, aber das Druckmittel, Geld einzubehalten, ist skandalös.« Es sind massive Kürzungen, die das Unternehmen laut Verdi an den Gehältern vornimmt. Foullong nennt unter anderem einen Fall, in dem nur noch ein Viertel des Bruttolohns von 2400 Euro übrig blieb. Die Summe, die das Unternehmen seinen Mitarbeiter*innen schulde, belaufe sich auf mittlerweile über 8400 Euro.
»Die Strategie des Unternehmens wird sehr schnell offensichtlich: massiver Druck auf die Beschäftigten, auf die Betriebsräte und Geldentzug sollen für ängstliche Ruhe im Betrieb sorgen«, kritisiert Foullong. »Und wenn das nicht reicht, wird gekündigt.« Dass der Antrag von Amin Bakarat auf eine einstweilige Verfügung zurückgewiesen wurde, sei leider keine Überraschung: »Das zeigt nochmal sehr deutlich, dass der Rechtsweg Betriebsrät*innen und Beschäftigte vor Union Busting nicht ausreichend schützt.« Die rechtliche Auseinandersetzung werde nun im Hauptsacheverfahren weitergeführt.
Auch in der Politik sorgt der Fall Foot Locker für Aufregung. »Es kann nicht sein, dass Unterstellungen und Verdächtigungen ausreichen, um jemandem zu kündigen«, sagt Susanne Ferschl, Vize-Chefin der Linksfraktion im Bundestag, zu »nd«. Der Gesetzgeber müsse endlich aktiv werden, um Betriebsräte besser zu schützen, zum Beispiel durch eine Beweislastumkehr. »Es sollte das Unternehmen sein, das die Anschuldigungen erst einmal beweisen muss.« Dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Behinderung von Betriebsratarbeit als Offizialdelikt einstufen wolle und damit die Staatsanwaltschaft in entsprechenden Fällen von sich aus ermitteln müsste, reiche nicht aus: »Wir brauchen Schwerpunktsstaatsanwaltschaften und wir brauchen mehr Erleichterungen bei der Gründung von Betriebsräten.«
Foot Locker selbst hält sich auf Anfrage von »nd« bedeckt. »Wir äußern uns nicht zu Einzelfällen«, teilt der Konzern mit. An positiven Beziehungen zu den Betriebsräten werde gearbeitet. Und weiter: »Beim Aufbau dieser Zusammenarbeit befolgen wir alle Richtlinien und Anforderungen des jeweiligen Landes.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.