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Zwischen Erfolg und Pleite
Fußball als wirtschaftlicher Überlebenskampf: Die 3. Liga geht in die 15. Saison
An diesem Freitag eröffnen der VfL Osnabrück und der MSV Duisburg die 15. Spielzeit der 3. Liga. Der Fußball-Osten schaut in dieser Jubiläumssaison besonders nach Sachsen: Neben dem FSV Zwickau sind die Zweitligaabsteiger Dynamo Dresden und Erzgebirge Aue in inniger Abneigung auch in der Drittklassigkeit vereint. Ein Grund zum Feiern ist das keineswegs, ist doch diese Spielklasse die ambivalenteste im deutschen Fußball.
Zwei immer wieder benutzte Zuschreibungen stehen für die Widersprüchlichkeit der höchsten vom Deutschen Fußball-Bund verantworteten Liga im Männerbereich: Erfolgsmodell und Pleiteliga. Beide Bezeichnungen fielen auch am vergangenen Montag in der Medienrunde des DFB zum Saisonstart. So wurde daran erinnert, dass es in den vergangen zehn Spielzeiten zehn Insolvenzen gab. Das letzte Beispiel mangelnder Professionalität lieferte Türkgücü München: Der letztendliche Rückzug aus dem Spielbetrieb im März wirbelte die Tabelle mitten im Endspurt um Aufstieg und Klassenerhalt durcheinander, weil alle bisherigen Spiele gegen den zweifelhaften Emporkömmling aus der Wertung genommen wurden.
Jürgen Wehlend kam das Wort »Erfolgsmodell« am Montag dann auch nur sehr zögerlich über die Lippen. Es steht nicht in den Statuten des DFB, scheint aber im offiziellen Sprachgebrauch des Verbandes im Sinne der Vermarktung vorgegeben zu sein. Wehlend, der Geschäftsführer der SG Dynamo Dresden, verwies in der Folge sogleich auf einen weiteren Fall von Ungerechtigkeit und fehlender Fairness. Einen legalen Wettbewerbsvorteil hätte sich der 1. FC Kaiserslautern im Frühjahr 2020 mit seiner Insolvenz verschafft. Denn diese blieb aufgrund der Corona-Sonderbestimmungen des Verbandes folgenlos.
Im Mai trafen sich beide Vereine in der Relegation: Der FCK stieg auf, die SGD ab. Und die Dresdner kochten vor Wut. Während sie selbst sehr solide gewirtschaftet haben, sind die Pfälzer einen über Jahre gewachsenen Schuldenberg in Millionenhöhe einfach per Insolvenz losgeworden. Konsequenzen mussten andere tragen – auch Dynamo Dresden. Eine sechsstellige Rate aus dem Transfer von Lucas Röser bekamen sie nicht mehr. Und mit der plötzlichen neuen Liquidität ließen die Lauterer in der Folgesaison nicht nur andere Drittligakonkurrenten hinter sich, sondern konnten auch Zweitligisten im Kampf um Neuzgänge ausstechen. So wechselte Stürmer Terence Boyd im vergangenen Januar nicht nach Dresden, sondern zum 1. FC Kaiserslautern.
Manuel Hartmann macht in Sachen Drittklassigkeit von Berufs wegen gute Miene. Er leitet beim DFB den Spielbetrieb. Ein Fall wie Türkgücü dürfe sich aus seiner Sicht nicht wiederholen. Er versprach, dass sich »der Ausschuss 3. Liga damit beschäftigen wird«. Zum anderen berichtete er über Ergebnisse von Langzeitbeobachtungen. »Vereine mit einem großem und überdurchschnittlichem Personalaufwand spielen gegen den Abstieg oder steigen ab«, sagte Hartmann. Um den Aufstieg würden hingegen Klubs mit einem durchschnittlichen Personalaufwand spielen. Indem er die »sportliche Kompetenz« als »wichtigen wirtschaftlichen Faktor« beschrieb, suchte er Schuldige bei den Vereinen.
Wer klug und vernünftig plant, bekommt also keine Probleme? Hartmann hat teilweise recht, Glücksritter gibt es immer mal wieder. Nachvollziehbarer Widerspruch kam jedoch prompt von Jürgen Wehlend. Der 56-Jährige kennt die 3. Liga gut. Mehr als neun Jahre führte er die Geschäfte beim VfL Osnabrück, seit Januar 2021 bei der SG Dynamo Dresden. Er weiß: »Es ist immer eine wirtschaftliche Gratwanderung.« Wenn er selbst vom »Erfolgsmodell« spricht, meint er das nachweisliche »Wachstum« der Liga, erwähnt jedoch sofort die »systematischen Probleme«. Und die gibt es seit deren Einführung im Jahr 2008.
Dessen ist sich der DFB bewusst. Deshalb wurde im September 2020 – zwölf Jahre nach Gründung der Spielklasse – gehandelt und die Taskforce »Wirtschaftliche Stabilität 3. Liga« ins Leben gerufen. In der nun beginnenden Saison werden die ersten Ergebnisse dieser Kommission umgesetzt. Das betrifft strukturelle Reformen, neue – extrem verschärfte – wirtschaftliche Rahmenvorgaben gelten erst ab der Saison 2023/2024. Hartmann informierte am Montag beispielsweise darüber, dass mit der Reduzierung von bislang 10 000 Pflichtplätzen auf 5001 in den Stadien die Zulassungsvoraussetzungen für kleinere Vereine erleichtert worden seien.
Die Sorgen der Vereine im wirtschaftlichen Überlebenskampf in der Drittklassigkeit dürften dennoch größer geworden sein. Denn was der DFB unter »Präzisierungen im infrastrukturellen und technisch-organisatorischen Bereich« versteht, »um allen Fans und Partnern ein optimales Fußballerlebnis in der 3. Liga zu bieten«, verschärft das Missverhältnis zwischen gefordertem Aufwand und garantiertem Ertrag weiter. Zwei Beispiele: »Die Anforderungen ans Flutlicht erhöhen sich im Sinne verbesserter TV-Übertragungen.« Dabei geht es auch um Flutlichspiele am Nachmittag. Und: »Wenn weder Rasenheizung noch ein entsprechendes Ausweichstadion nachgewiesen werden können, würde der entsprechende Klub im Falle einer Zulassung 25 Prozent weniger Erlöse aus der zentralen TV-Vermarktung erhalten.« Allein das ist eine enorme Belastung. Wie die Vereine das angesichts steigender Energiepreise stemmen sollen, darauf hatte Hartmann keine hilfreiche Antwort.
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