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»Leidensbereitschaft hilft niemandem«
Nach elf Wochen Streik konnten die Beschäftigten von sechs Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen einen Flächentarifvertrag Entlastung erkämpfen
Herzlichen Glückwunsch zur Einigung mit den Arbeitgebern. Was konnte nach elf Wochen Streik mit dem »Tarifvertrag Entlastung« erreicht werden?
Albert Nowak ist 24 Jahre alt und arbeitet als Pfleger auf der einer Intensivstation im Universitätsklinikum Köln. Er ist in der Jugend- und Auszubildendendenvertretung aktiv. Während des Streikes war er in der Tarifkommission und hat an den Verhandlungen teilgenommen. Mit Albert Nowak sprach Kirsten Achtelik.
Für uns war das Wichtigste an dem Streik, einen guten Betreuungsschlüssel zwischen Patient*innen und Pflegenden durchzusetzen und auch für die anderen Beschäftigten wie in Labor, Küche und Transport personelle Entlastungen zu erreichen. Beides ist uns gelungen. Auf der Intensivstation an der Uniklinik Köln, wo ich arbeite, heißt der vereinbarte Schlüssel von 1:2 zum Beispiel, dass demnächst sieben Pfleger*innen arbeiten, plus ein Springer in der Früh- und Spätschicht. Vorher waren wir manchmal nur zu fünft. Das ist eine deutliche Verbesserung für die Versorgung der Patient*innen. Wichtig ist hier auch das Konsequenzenmanagement: Wenn die vereinbarten Regelungen unterschritten werden, gibt es als Ausgleich Tage frei. Das soll dazu führen, dass die Kliniken einen größeren Anreiz haben, die Vereinbarung einzuhalten. Dass so viele Berufsgruppen in den Geltungsbereich des Tarifvertrags aufgenommen wurden, ist ein großer Erfolg, das hat es bei vorherigen Entlastungstarifverträgen nicht gegeben.
Kann die Freizeitregelung nicht dazu führen, dass der Betreuungsschlüssel schlechter wird, weil mehr Kolleg*innen frei haben?
Es braucht mehr Personal, das ist klar. Kurzfristig kann so eine Regelung dazu führen, dass Betten gesperrt oder Leistungen gestrichen werden – für uns ist es aber sehr wichtig, dass es eine gute Versorgung gibt, und dafür ist der Stellenschlüssel ein sehr wichtiger Bestandteil. Damit Leute nicht kündigen oder ihre Ausbildung abbrechen, sondern wieder in den Beruf zurückkommen, ist die Entlastung immens wichtig.
Welche Kröten mussten für diesen Abschluss geschluckt werden?
Wir haben unsere Ziele nicht leichtfertig aufgegeben, deswegen hat der Streik auch so lange gedauert – obwohl das natürlich hauptsächlich daran lag, dass sich die Arbeitgeber nicht bewegt haben. Leider konnten wir für die nicht refinanzierten Bereiche nicht so starke Regelungen erzielen wie für die refinanzierten Bereiche. Für die Bereiche, die aus den Fallpauschalen herausgenommen sind und in denen die Bundesregierung die Kosten deckt, hatten die Arbeitgeber weniger Hemmungen, größere Zugeständnisse zu machen. Auch in Stationen wie Labor oder Ambulanz soll es zusätzliche pauschale Entlastungstage und Stellenausbau geben, das wird aber nicht reichen und ist nicht das, was wir uns erhofft haben.
Auf der Pressekonferenz der Beschäftigten am Dienstag hieß es, 30 Prozent der Auszubildenden würden die Ausbildung abbrechen, von den anderen würden 70 Prozent nach der Ausbildung nicht im Krankenhaus bleiben wollen – das sind ja horrende Zahlen.
Ja, und deswegen war es uns so wichtig, wirkliche Entlastungen zu erreichen und auch schon in der Ausbildung die Bedingungen zu verbessern. Als Auszubildendenvertreter bin ich mit den Ergebnissen sehr zufrieden, zum Beispiel mit dem höheren Praxisanteil und dass es einen längeren Vorlauf für die Dienstpläne geben soll.
Elf Wochen Streik, viel moralischer Druck seitens der Arbeitgeber, die gemauert und blockiert haben – wie haben die Beschäftigten es geschafft, so lange durchzuhalten?
Es macht mich gerade wirklich glücklich, nochmal daran zurückzudenken, wie stark unser Zusammenhalt war – weder haben wir uns zwischen den verschiedenen Häusern noch zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen aufspalten lassen. Wir waren uns aber immer einig: Krankenhaus ist Teamarbeit, wir arbeiten jeden Tag zusammen, wir brauchen Entlastung für alle. Das Ziel Flächentarifvertrag für alle war immer klar, das hat uns Kraft gegeben.
Wie soll und kann es jetzt weitergehen für die Krankenhausbewegung?
Wir müssen die Pflege, nicht nur im Krankenhaus, viel stärker gewerkschaftlich organisieren, um unsere Forderungen durchsetzen zu können und nicht nur als Bittsteller aufzutreten. Das bedeutet weitere Auseinandersetzungen für Entlastung und bessere Arbeitsbedingungen und damit auch für eine bessere Versorgung. Dazu müssen wir auch die Ökonomisierung des Gesundheitssystems angreifen und Jahrzehnte verfehlter Gesundheitspolitik rückgängig machen. Der Großteil der Pflege spielt sich nicht im Krankenhaus, sondern im häuslichen Bereich ab, da gibt es einen riesigen Nachholbedarf an Organisierung. Die Menschen, die da arbeiten, gleichen viel zu viel Misswirtschaft und strukturelle Probleme mit persönlicher Aufopferung aus. Diese Leidensbereitschaft hilft am Ende niemandem.
Die Ökonomisierung des Gesundheitssystems zurückzudrängen ist ein gewaltiges Projekt, wie kann das gelingen?
Unser Flächentarifvertrag Entlastung hat einen kleinen Beitrag weg von der Ökonomisierung geleistet, indem wir die Landesregierung gezwungen haben, die Entlastung zu finanzieren. Das Bundesgesundheitsministerium hat Eckpunkte für eine Pflegepersonalbemessung in Krankenhäusern vorgestellt, das ist auch kein Zufall, dass das jetzt passiert, sondern dem Druck, den wir in den letzten Wochen aufgebaut haben, geschuldet. Aber auch das soll nur fürs Krankenhaus gelten und da für viele Bereiche nicht. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber wir müssen hin zu einer bedarfsgerechten Pflege. Personalmangel führt zu direktem Leid und gesundheitlichen Schäden. Mehr Konzentration, Zeit und Ruhe in der Versorgung senkt letzten Endes sogar die Kosten, weil es beispielsweise Folgeerkrankungen verhindert.
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