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Gefährliches Sicherheitsversprechen
Außenministerin Annalena Baerbock warb bei ihrer Deutschlandtour auch für eine größere Akzeptanz der Bundeswehr
Die Kommunikation der Grünen hat einige Sicherheitslücken. Im Juni war bekannt geworden, dass Hacker auf Mailadressen von Spitzenpolitikern der Partei zugreifen konnten und eingehende E-Mails mit Hilfe einer Umleitung live mitlasen. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Außenressortschefin Annalena Baerbock waren davon betroffen. Die Ermittler erklärten später gegenüber Medien, dass in diesem Fall alle Spuren nach Moskau führten. Beweise dafür legten sie allerdings nicht vor.
Was den Grünen widerfahren ist, war noch recht harmlos, wenn man bedenkt, was im Bereich des Cyberkrieges alles möglich ist. Entsprechende Attacken sind auch Teil des derzeitigen russischen Krieges gegen die Ukraine. So meldete etwa die westukrainische Stadt Lwiw im Mai einen Angriff von Hackern. Einige städtische Dienstleistungen seien nicht mehr verfügbar und Daten gestohlen worden, teilte Vizebürgermeister Andrij Moskalenko mit.
Auch die Bundesregierung hat die Bedeutung des Themas erkannt und will es in die sogenannte Nationale Sicherheitsstrategie aufnehmen, die zurzeit erarbeitet wird. So soll die Bundesrepublik künftig handlungsfähig bei Cyberangriffen sein und die Bundesregierung über eine wirksame IT-Sicherheitsstruktur verfügen. Das hat Annalena Baerbock dieser Tage im Kurznachrichtendienst Twitter erklärt. Am Freitag endete ihre zehntägige Deutschlandreise, bei der sich die Außenministerin mit Bürgern und Unternehmen zur künftigen Sicherheitsstrategie ausgetauscht hat. Sie war auch bei SAP im baden-württembergischen Walldorf zu Gast, um sich zu informieren, wie der Softwarekonzern die Systeme der Regierung schützt. Der genaue Inhalt des Gesprächs wurde selbstverständlich geheimgehalten.
In der Strategie, an der alle Ministerien beteiligt sind, werden außerdem der Katastrophenschutz und Terrorabwehr vorkommen. Deswegen schaute Baerbock im Ahrtal vorbei. Dort erklärte sie angesichts der auch nach einem Jahr noch nicht beseitigten Flutschäden, »dass wir auf die Auswirkungen der Klimakrise nicht bestmöglich vorbereitet sind«. Das solle sich ändern.
Weitaus wichtiger sind in der Strategie die Außenpolitik und die Auseinandersetzungen mit Russland. Baerbock und die Bundesregierung wollen die Bürger hierbei einbinden. Für ihre Tour wurden 3000 Menschen per Einwohnermelderegister ausgesucht und angeschrieben. In jedem Diskussionsort sollten 50 dieser Zufallsbürger an den Diskussionen teilnehmen.
Die Bundesregierung dürfte mit den Ergebnissen der Tour zufrieden sein. Die »FAZ« resümierte kürzlich, dass die Diskussionsrunde mit Baerbock in Karlsruhe gezeigt habe, dass »der Ukrainekrieg das Bewusstsein für eine intakte Armee geschärft zu haben« schien. Denn die Bürger sprachen sich dafür aus, dass die Bundeswehr »gut ausgestattet« und ein »attraktiver Arbeitgeber« sein müsse. Das ist aus Sicht der rot-grün-gelben Bundesregierung die notwendige Rückendeckung für ihr 100-Milliarden-Euro-Aufrüstungsprogramm. »Nicht nur die Außenministerin ist, wie sie häufig sagt, durch Wladimir Putins Krieg in einer anderen Welt aufgewacht. Auch die Zufallsbürger sind es«, heißt es in dem Zeitungsbericht. Wer eine kritische Meinung zu den deutschen Streitkräften hat, der kommt in der Welt von Baerbock und »FAZ« nicht vor.
Als die Außenministerin im März eine Rede bei der Auftaktveranstaltung zur Erarbeitung der Nationalen Sicherheitsstrategie hielt, benutzte sie dabei mehrmals das Wort »Wehrhaftigkeit«. »Für mich beschreibt Wehrhaftigkeit sowohl die Fähigkeit als auch den Willen, sich zu verteidigen«, sagte die Grünen-Politikerin. »Und ich bin mir bewusst, dass das für viele Menschen in Deutschland – für viele hier in diesem Raum, ich würde mich jedenfalls nicht ausschließen davon – lange ein Wort war, was man nicht einfach so in den Mund genommen hat.«
Diese Äußerungen zielen offenbar nicht nur auf ein defensives Vorgehen ab. Zuweilen bezeichnen Politiker auch ihre offensiven militärischen Schritte als »präventive Maßnahmen« und Teil einer »Verteidigungsstrategie«. Zwar führt die Bundeswehr dort zurzeit keine Kampfeinsätze, aber sie ist verstärkt in Ost- und Südosteuropa präsent. Sie stellt nicht nur im Baltikum Truppen, sondern auch in Rumänien und in der Slowakei. Dort werden Nato-Missionen zum »Schutz der Ostflanke« durchgeführt, wie es heißt. Dies geschieht mit Blick auf Russland und den Krieg in der Ukraine, die an mehrere Staaten der Nato und der EU in Osteuropa angrenzt.
Hinzu kommt der langjährige Einsatz der Bundeswehr im Kosovo. Deutschland hatte sich Ende der 1990er Jahre am Nato-Krieg gegen Jugoslawien beteiligt. Die Bundeswehr hat seitdem den Auftrag, die mit westlichen Staaten verbündete Regierung im Kosovo zu unterstützen. Außerdem beteiligt sich die Bundeswehr seit kurzem wieder an der europäischen Mission in Bosnien-Herzegowina, wo Spannungen um die Teilrepublik Republika Srpska, die Russland politisch nahe steht, zunehmen könnten. Auf welche Szenarien sich das westliche Militär vor Ort einstellen muss, wird sich noch zeigen.
Die oppositionelle Union unterstützt die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP im Parlament, wenn es um Auslandseinsätze geht. Für Politiker der Union ist zudem längst klar, dass die Bundeswehr unter bestimmten Umständen selbst Cyberangriffe durchführen sollte. Aus den Reihen der Grünen waren solche Äußerungen noch nicht zu vernehmen. Allerdings haben sie es auch nie ausgeschlossen, dass die Armee entsprechend tätig sein könnte. Bei ihrer Tour durch Deutschland konnte Baerbock schon mal vorfühlen, wie groß die Akzeptanz für die Truppe und deren Aufgaben in der Bevölkerung ist. Die Bundesregierung hat sich etwa ein Jahr Zeit für die Erarbeitung ihrer Sicherheitsstrategie gegeben. Das Dokument wird also voraussichtlich im Frühjahr 2023 vorliegen.
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