Trotz Angriffen im Widerstand

Obwohl sie den »Islamischen Staat« besiegt haben, erhalten die Menschen in Rojava von der Internationalen Gemeinschaft kaum Solidarität.

  • Linda Peikert
  • Lesedauer: 3 Min.
Gedenken an die drei Kämpferinnen der Frauenverteidigungseinheit YPJ, die bei einem Drohnenangriff ums Leben kamen
Gedenken an die drei Kämpferinnen der Frauenverteidigungseinheit YPJ, die bei einem Drohnenangriff ums Leben kamen

Die Bedrohung der Drohnen über ihren Köpfen ist den Menschen in Nordsyrien allzeit präsent. Wenn sie zuschlagen, peilen sie ihr Opfer zielgenau an und reißen es meist direkt in den Tod. Am vergangenen Freitag wurden drei Frauen, die von einer Frauenkonferenz aus der kurdischen Stadt Quamishlo kamen, mit einer Drohne getötet. Alle drei waren Teil der Frauenverteidigungseinheit YPJ der Selbstverwaltungsstrukturen in Nordostsyrien, zwei von ihnen waren auf den Kampf gegen IS-Terror spezialisiert. Auf der Trauerfeier erscheinen viele hunderte Menschen. Sie haben kleine Porträtbilder der jungen Frauen mit einer Sicherheitsnadel an die Kleidung geheftet. Es wird geweint, geklagt, sich gegenseitig umarmt. Der Tod der Kämpferinnen ist wiedermal ein harter Schlag für die Bevölkerung in Nordostsyrien.

Seit 2019 gilt der »Islamische Staat« (IS) zwar als besiegt, doch zahlreiche Schläferzellen reorganisieren sich. Das zeigte unter anderem der großangelegte Anschlag von IS-Kämpfern auf ein Gefängnis in der nordostsyrischen Stadt Hesekê Anfang des Jahres, bei dem mit Autobomben Löcher in die Gefängnismauern gesprengt wurden. Hunderte IS-Insassen konnten so ausbrechen. Und wer fing sie wieder ein? Die Verteidigungseinheiten YPG und YPJ. Wer spürt die Schläferzellen auf? Verhaftet freiherumlaufende IS-Terroristen? Die Anti-Terroreinheiten von YPG und YPJ. Wer kümmert sich um tausende inhaftierte IS-Kämpfer, von denen viele aus dem Westen kommen, und deren Frauen und Kinder? Die Selbstverwaltung in Nordostsyrien. Gerade mal sieben Terroristen wurden seit 2017 laut offizieller Zahlen der Selbstverwaltung weltweit von ihrem Herkunftsland zurückgenommen – und zwar alle von Indonesien.

Als 2014 die Bilder von bärtigen Männern mit großen Säbeln, von enthaupteten Zivilist*innen und geschundenen Leichen in den Medien gezeigt wurden, zitterte die Welt. Die kurdischen Militäreinheiten YPG und YPJ haben mit tausenden Menschenleben mit der USA an ihrer Seite den Terror beendet. Doch die Dankbarkeit verflog schnell: Dem NATO-Partner Türkei sind basisdemokratisch organisierte Kurd*innen vor der Haustür ein Dorn im Auge. Und so fliegen die türkischen Drohnen über die vier Meter hohe Grenzmauer, spähen aus oder begehen tödliche Attacken. Es kann die Menschen in Nordostsyrien jeder Zeit treffen. Niemand kann sich sicher fühlen. Zwar werden oft Personen der Selbstverwaltungs- oder Verteidigungsstrukturen angegriffen, aber die Anschläge treffen genauso Zivilist*innen und Kinder.

In Europa wird viel über Kriegsverbrechen und völkerrechtswidrige Angriffe auf die Ukraine diskutiert. Doch wenn gezielt Menschen getötet werden, die der Welt nach wie vor brutale Djihadisten des IS vom Hals halten, werden die Augen verschlossen. Die Situation im Norden des Landes ist wegen des westlichen Embargos gegen Syrien, der von der Türkei gekappten Wasserversorgung und der Unterbringung tausender Binnengeflüchteter schon schwierig genug. Die überfüllten IS-Gefängnisse sind eine tickende Zeitbombe, die bei einer Explosion nicht nur Nordostsyrien treffen wird. Warum wird nicht wenigstens der Luftraum über der Region geschlossen? Das Surren der Drohnen muss aufhören. Die fast täglichen Hinrichtungen per Knopfdruck müssen aufhören. Wegen der Menschen vor Ort, aber auch für den Schutz vor islamistischem Terror hierzulande.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.