»Der Westen fürchtet Chinas Einfluss«

Generalsekretär der Kommunistischen Partei macht externe Einflüsse für Sri Lankas Krise verantwortlich

  • Satyajeet Malik
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Wirtschaftslage bereitet den Menschen Kopfschmerzen: Schlange stehen für Benzin in Colombo am 22.Juli.
Die Wirtschaftslage bereitet den Menschen Kopfschmerzen: Schlange stehen für Benzin in Colombo am 22.Juli.

Nach dem Rücktritt von Gotabaya Rajapaksa wurde dessen Gefolgsmann Ranil Wickremesinghe als Präsident gewählt. Was heißt das für die Protestierenden?

Interview

Dr. Geeganage Weerasinghe ist Generalsekretär der Kommunistischen Partei Sri Lankas. Das asiatische Land steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Nach wochenlangen Massenprotesten traten die Regierung und der Präsident Gotabaya Rajapaksa zurück. Über die Lage im Land sprach mit Weerasinghe Satyajeet Malik.

Natürlich würde ich nicht sagen, dass alle Demonstranten glücklich sind, aber es gibt sicherlich einen großen Teil, der mit dem Ergebnis zufrieden ist und Wickremesinghe eine längere Chance geben will. Aber es gibt auch viele, die ihn absetzen wollen, denn seine erste Amtshandlung als Präsident war, die Demonstranten gewaltsam aus dem Präsidialsekretariat und seiner Umgebung zu entfernen.

Wickremesinghe gilt als dem Westen nahe stehend. Warum hat er dann noch keinen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) bekommen?

Wir gehen davon aus, dass Wickremesinghe im vergangenen Jahr bestimmte Äußerungen gemacht hat, die beim Westen nicht gut ankamen. 2021 haben wir hier den 100. Jahrestag der Kommunistischen Partei Chinas gefeiert. Wickremesinghe nahm an dieser Veranstaltung teil und hielt eine sehr positive Rede über China. Außerdem feierten wir im Februar dieses Jahres den 65. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Sri Lanka und China. Dort gab er deutliche Erklärungen ab und sagte, dass die Welt jetzt multipolar und asienzentriert geworden sei und dass China diese Entwicklung anführe. Deshalb müssen wir unsere Beziehungen neu ausrichten. Zum Konflikt in der Ukraine sagte er, die Ukraine sei in die Falle des Westens getappt. Diese Äußerungen sind sehr ernst zu nehmen und müssen den Westen wohl verärgert haben, weil sie dem dortigen Narrativ nicht entsprechen.

Wie viel Wahrheit steckt in der Behauptung, die Krise in Sri Lanka sei das Ergebnis der »China-Schuldenfalle«-Politik?

Im Westen hat es schon immer eine antikommunistische Propaganda gegeben, und jetzt wird diese in Form der sogenannten China-Schuldenfalle auf China gerichtet. Wenn wir uns jedoch ein reales Bild machen, stammen laut der Zentralbank Sri Lankas mehr als 47 Prozent unserer Gesamtverschuldung beim internationalen Finanzmarkt, einschließlich Geschäftsbanken. Niemand im Westen und auch nicht der IWF spricht darüber. 13 Prozent der Gesamtschulden kommen von der asiatischen Entwicklungsbank, zehn Prozent von China, zehn bis elf Prozent von Japan, Indien (fünf Prozent) und andere Akteure machen den Rest der 53 Prozent Schulden aus. Von den gesamten Darlehen aus China werden 80 Prozent zu Vorzugsbedingungen und nur 20 Prozent auf kommerzieller Basis vergeben. Daher ist die Behauptung, es gäbe hier eine riesige chinesische Schuldenfalle, nicht zutreffend. Das ist faktisch falsch und ein Propagandainstrument.

Wie ist es dann zu dieser hohen Verschuldung gekommen?

Ausgelöst wurde die akute Krise hauptsächlich durch die Folgen der Covid-Pandemie. Die ineffiziente Verwaltung des Landes war und ist sicher auch nicht hilfreich, aber strukturell ist die Krise hauptsächlich auf zwei Gründe zurückzuführen: Unsere Auslandsdevisenreserven und unsere Staatseinnahmen sind stetig und schnell zurückgegangen, weil wir mehr konsumieren, als wir uns leisten können. Wir wurden dazu gedrängt, dies zu tun. Der IWF hat seit 1978 eine Freihandelspolitik in unserem Land eingeführt und fordert nun erneut, noch mehr Handelsbeschränkungen abzubauen. Die freie Marktwirtschaft und der Kult des Neoliberalismus haben dazu geführt, dass unsere Einfuhren doppelt so hoch sind wie unsere Ausfuhren. Das geht nun schon seit Jahrzehnten so. Auf der anderen Seite sind die Staatseinnahmen gesunken, da die neoliberale Politik uns dazu gebracht hat, den privaten Sektor zu fördern und Steuern zu senken. Das Handelsdefizit und die gesunkenen Staatseinnahmen sind also die Gründe dafür, dass wir in eine Situation geraten sind, in der unsere Reserven aufgebraucht sind und wir keine Dollars mehr haben, um etwas zu kaufen. Sri Lanka ist bankrott.

Was ist wahr an den Berichten, dass eine Gruppe von Demonstranten von den USA unterstützt wird?

Diesbezüglich kann ich Ihnen nur so viel sagen, dass es eine externe Hand gibt, und diese Hand ist der Westen. Die Proteste dauern nun schon seit drei Monaten an, und die Demonstranten sind bestens versorgt mit Lebensmitteln und Unterkünften. Das ist doch recht überraschend, vor allem in einer Zeit, in der es im Land kein Geld gibt. Sie haben eine Finanzierungsquelle, und wir haben Beweise dafür, dass Einzelpersonen und Organisationen diese Mittel bereitstellen. Außerdem war die US-amerikanische Botschafterin in Sri Lanka seit den Protesten sehr aktiv und hat sie ermutigt. Wir wissen, dass sie täglich mit dem Präsidenten Gotabaya Rajapaksa sprach und ihn davon abhielt, die Demonstrationen aufzulösen.

Aber warum unterstützen die USA diese Proteste?

Die USA haben seit langem Pläne für Sri Lanka, da sie das Land in ihre pazifische Strategie einbinden wollen. Es hat ja doch viele Versuche gegeben, Sri Lanka in bestimmte militärische Abkommen wie Sofa, Acsa und auch in die MCC-Millennium Challenge Cooperation mit einzubeziehen. Doch Sri Lanka lehnte immer ab. Natürlich hat Washington diesen Versuch aber nicht aufgegeben, Sri Lanka in ihre Strategie einzubinden. Die Amerikaner setzen dabei darauf, dass Sri Lankas Wirtschaft zusammenbricht und das Land gezwungen wird, einen weiteren IWF-Kredit aufzunehmen, um so einen politischen Regimewechsel zu erzwingen, wie in so vielen anderen Ländern auch. Das ist ihr Masterplan.

Und die USA betrachten die Rajapaksas nicht als ihre Verbündeten?

Mahinda Rajapaksa, der Ex-Premierminister, hält sich selbst für einen Sozialisten, obwohl er kein Sozialist ist, aber trotzdem. Er ist froh, mit China und Putin befreundet zu sein. Mahinda wird deshalb vom Westen als Feind betrachtet.

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