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Neue Bauordnung nur mit Klimaschutz
SPD-Stadtentwicklungssenator will Koalitionsvorhaben bremsen
»Die Bauordnung muss dringend die Notwendigkeit eines sozial-ökologischen Umbaus abbilden«, sagt die Linke-Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg zu »nd«. Keine Schottergärten, weniger Versiegelung, dafür aber Dach- und Fassadenbegrünung sind einige der Punkte. Viel Soziales stecke für sie schon in den Umweltschutzaspekten. Ganz konkret zum Beispiel die Größe der Abstandsflächen. Soziale Aspekte seien ein hoher Anteil barrierefreier Wohnungen oder als »wirklich soziale Maßnahme« ein Verbot von Werbeplanen an Baugerüsten, so Gennburg.
Doch Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) will bei der bereits angeschobenen Novelle auf die Bremse treten. Man müsse sich fragen, »ob es sinnvoll und vernünftig ist, eine Bauordnung zu verabschieden, die diese Situation möglicherweise noch verschärft und das Bauen völlig unmöglich macht«, sagte er dieser Tage in einem Interview mit der »Berliner Morgenpost«. Er verwies darauf, dass beispielsweise die im Entwurf der Novelle vorgeschriebene Dachbegrünung zu Mehrkosten von 60 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche führe. Eine vergleichweise überschaubare Summe angesichts von Baukosten um die 3000 Euro Euro pro Quadratmeter.
Der Umweltverband Nabu Berlin widersprach nach Vorlage des Senatsentwurfs in einer Mitteilung den Behauptungen, dass ökologische Maßnahmen teuer sein müssten. Nisthilfen für Vögel oder Fledermäuse kosteten selbst bei einem Hochhaus nicht einmal 500 Euro. Eine Fassadenbegrünung mit Wildem Wein oder Efeu lässt sich sogar für weniger als 200 Euro realisieren, hieß es. Lediglich ein Gründach könne teuer werden, wenn es als Intensiv-Begrünung Dachtraglasten von mehr als 300 Kilogramm pro Quadratmeter erfordert. »Da diese Begrünungspflicht jedoch schon bei mehr als zehn Grad Dachneigung entfällt, werden die Architekten je nach Budget des Bauherrn entsprechend planen«, sagte Nabu-Landesgeschäftsführerin Melanie von Orlow. »Der Arten- und Naturschutz wird mal wieder für den Rückgang von Baugenehmigungen und lange Bauzeiten in Berlin verantwortlich gemacht! Dabei sind Materialkostensteigerungen und der Mangel an Bauland, Personal und die Bearbeitungszeit von Genehmigungen maßgeblich«, kritisierte von Orlow.
»Die Anforderungen des Klimawandels und der ökologische Weiterbau der Städte müssen Priorität haben vor den Interessen der Industrie«, sagt Katalin Gennburg. »Wir dürfen die harte Auseinandersetzung nicht scheuen.« Wie schwierig es sei, »sich von Kapitalinteressen zu lösen, sehen wir an den Debatten, die immer wieder vonseiten der Baulobby wegen Kostensteigerungen aufgemacht werden und daran, dass wir es nicht geschafft haben, in der vergangenen Legislaturperiode die Novellierung der Bauordnung zwischen den Koalitionspartnern zu einen«, sagt die Linke-Politikerin.
Kurz vor Ende der Legislaturperiode hatte im August 2021 die SPD-Fraktion im Gegensatz zu Grünen und Linke die Zustimmung zur Änderung der Bauordnung verweigert. Die heutige Innensenatorin und damalige baupolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Iris Spranger, begründete gegenüber »nd« die Ablehnung mit »vernichtender Kritik« der Bezirke wegen fehlenden Personals für die Ausführung, außerdem habe die Stadtentwicklungsverwaltung das Gesetz viel zu spät vorgelegt.
Die Berliner und Brandenburger Architektenkammern haben Ende Juni die Ausrichtung einer Internationalen Bauausstellung zum Thema Klima in der Hauptstadtregion angeregt. »Bevor Leute über eine IBA reden, muss sich die Koalition auf eine Bauordnung einigen, die den Ansprüchen in der Klimakrise gewachsen ist«, sagt Katalin Gennburg.
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