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»Die Behörden sind der Flaschenhals«
Rechtsanwältin Bettina Offer fordert effizientere Anerkennungsverfahren für ausländische Fachkräfte
Die Bundesregierung will die Einwanderung von Fachkräften erleichtern. Künftig können ausländische Fachkräfte bereits eine Stelle antreten, bevor ihr Abschluss in Deutschland anerkannt wurde. Ist die geplante Gesetzesnovelle eine Erleichterung?
Die Rechtsanwältin Bettina Offer berät international tätige Konzerne und mittelständische Unternehmen, die ausländische Mitarbeiter*innen beschäftigen. Ulrike Wagener sprach mit ihr über Fachkräftemigration und die geplante Gesetzesänderung der Bundesregierung.
Alles, was ein bisschen hilft, ist eine Erleichterung. Besonders bei beruflich ausgebildeten Fachkräften kann es sinnvoll sein, wenn der Anerkennungsprozess erst im Inland stattfindet. Für Fachkräfte mit Studienabschluss gibt es diese Möglichkeit in Teilen bereits.
Besonders überzeugt klingen Sie nicht. Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Probleme?
Das größte Problem ist die Ausstattung der Verwaltung. Die Ausländerbehörden sind durch die ganze Republik hinweg so überlastet, dass es schlicht keine zeitnahen Termine gibt. Sie sind der Flaschenhals, an dem eine vernünftige Einwanderungspolitik scheitert. Bei einer Ausländerbehörde in Hessen muss man aktuell bis November auf einen Termin warten. Bei den Auslandsvertretungen ist es ähnlich. Teilweise sind die Mitarbeiter dort auch nicht auf dem neuesten Stand der Gesetzeslage und schreiben Ablehnungen, wo wir nur kopfschüttelnd davorstehen. Es geht aber auch um die Mentalität der Behörden. Der Paradigmenwechsel, der in der Bundespolitik stattgefunden hat, weil wir tatsächlich ausländische Arbeitskräfte brauchen, ist bei den Behörden noch nicht angekommen. Die handeln oft nach dem Motto: »Jeder Ausländer, der draußen bleibt, ist ein guter Ausländer.« Eine Ausnahme ist da die Bundesagentur für Arbeit.
Was könnte der Bund aus Ihrer Sicht tun?
Der Bund hat bereits die Vorschrift erlassen, dass die Länder sich zentrale Ausländerbehörden geben sollten, um die Zuwanderung qualifizierter Kräfte zu beschleunigen. Das haben leider nicht alle Länder umgesetzt. Einige sind irrtümlicherweise der Meinung, dass bei ihnen alles wundervoll läuft. Da wäre es schön, wenn der Bund etwas mehr Druck ausüben könnte. Angesichts des Fachkräftemangels muss sich der Bund auch überlegen, ob er für die Arbeitgeber irgendeine Form des Rechtsanspruchs einrichtet, den diese erwerben können. Wenn Sie zum Beispiel eine Sondergebühr zahlen und dann erwarten können, dass die so finanzierte Behörde auch funktioniert und innerhalb einer bestimmten Zeit eine Entscheidung fällt. Ich vergleiche das immer mit den Kindergartenplätzen. Dafür war in den Kommunen auch nie Geld da, bis der Bund einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz eingeführt hat. Auf einmal ging es. Das wäre natürlich eine Kampfansage des Bundes an die Kommunen.
Warum wollen Sie diesen Rechtsanspruch bei den Unternehmen ansiedeln und nicht bei den einzelnen Migrant*innen? Damit wäre es vermutlich abhängig von der Finanzstärke des Unternehmens, ob es sich für mich als Arbeiterin einsetzt.
Das kann so sein. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass selbst kleine und mittelständische Unternehmen oft private Personalvermittler bezahlen. Die meisten Unternehmen haben das eingepreist und ich verspreche mir von einem solchen Vorgehen auch, dass die größeren Unternehmen mit ihrer finanziellen Ressource das Tor aufbrechen.
Die Kosten für das Anerkennungsverfahren sollen die Unternehmen tragen. Was ist, wenn die Qualifikation nicht anerkannt wird, die Person aber schon hier ist?
Das ist eine gute Frage. Laut geltendem Recht könnte die Person eine Stufe unterhalb der eigentlichen Qualifikation als Helfer arbeiten und nach einer Weiterqualifizierung den Aufenthaltstitel im eigentlichen Bereich bekommen. Wenn sie es nicht schafft, sich zu qualifizieren, muss die Erwerbstätigkeit nach zwei Jahren beendet werden und die Person in ihr Heimatland zurückkehren. Ich glaube, das will man mit dem neuen Gesetzesentwurf sicherlich aufbrechen, weil wir auch die Helfer brauchen.
Müsste der Gesetzgeber nicht mehr tun, um auch Geflüchteten, die bereits hier sind, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, statt besser ausgebildete Migrant*innen anzuwerben?
Im Moment brauchen wir beides. Die Bundesregierung hat auch dort nachgesteuert und mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht vielen Menschen, die schon hier sind, den Spurwechsel ins reguläre Erwerbsmigrationsrecht erlaubt.
Allerdings einmalig für Menschen, die am 1. Januar 2022 fünf Jahre in Deutschland gelebt haben.
Solche Gesetze werden – gerade im Zuwanderungsrecht, wo wir wenig Erfahrung haben – oft erstmal testweise angesetzt und dann verstetigt, wenn sie sich in der Praxis bewähren. So war es mit der Westbalkan-Regelung und ich bin ganz zuversichtlich, dass wir das auch hier erleben werden.
Die Westbalkan-Regelung erlaubt Menschen aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien seit 2016, ein Visum zum Zweck der Erwerbstätigkeit in Deutschland beantragen, wenn ein konkretes Stellenangebot vorliegt und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt. Sie wollen die Westbalkanregelung auch auf andere Drittstaaten anwenden. Warum?
Die Westbalkan-Regelung hatte ursprünglich das Ziel, die Fluchtroute aus dem Westbalkan heraus »auszutrocknen«, indem man Alternativen einer legalen Migration anbietet. In der Evaluation hat man festgestellt, dass darüber viele sehr motivierte und qualifizierte Menschen gekommen sind. Eine solche gesteuerte Migration aus Drittstaaten kann eine sinnvolle Alternative zu Fluchtbewegungen sein, die ökonomisch motiviert sind. Voraussetzung wäre, dass Herkunftsländer willens sind, mehr Deutschunterricht in den Schulen anzubieten.
Was bräuchte es Ihrer Meinung nach, um Einwanderungspolitik zu verändern?
Ich wünsche mir, dass wir ähnlich professionell darauf schauen wie in Kanada. Das Land hat ein Ministerium, das sich dem Thema exklusiv widmet und die Zuständigkeiten bündelt. Und den Behörden ist klar, dass sie Dienstleister sind und nicht die Aufgabe haben, verhindernder Türwächter zu sein.
Also die Behörde als Servicestelle für Unternehmen?
Ja, natürlich. Das ist ja letzten Endes die Idee von Zuwanderung. Wir haben zwei Bereiche: Das eine sind unsere Verpflichtungen im Asylbereich. Das andere sind die Bedürfnisse, die wir auf unserem Arbeitsmarkt haben. Und die werden von den Unternehmen angemeldet, weil sie diejenigen sind, die Stellen nicht besetzen können. Und da haben Sie vom kleinen Handwerksbetrieb, der händeringend den Zerspanungstechniker sucht, bis hin zum Großkonzern, der seine IT-Abteilung nicht besetzt bekommt, alles dabei.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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