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  • Flugplatz Johannisthal

Koalitionskonflikt um Bebauungsplan

Damit ein Investor mehr Wohnungen bauen kann wird auf dem ehemaligen Flugplatz Johannisthal Geschichte abgeräumt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) will den Bebauungsplan für einen Teil des ehemaligen Flugplatzes Johannisthal in Treptow-Köpenick gegen Kritik von Grünen und Linke durchdrücken. Nach nd-Informationen soll dieser bei der Senatssitzung am kommenden Dienstag beschlossen werden.

Linke-Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg wendet sich in einem »nd« vorliegenden Schreiben mit der Bitte an die Fraktionsspitze, dem Bebauungsplan nicht zuzustimmen. Sie begründet das vor allem mit Denkmalschutzaspekten. Die geplante städtebauliche Neuordnung des Areals Müller Erben, so der Name der Fläche am Segelfliegerdamm 1-45, nehme keine Rücksicht auf dessen gewachsene Struktur. Dort wurde 1909 der erste unternehmerisch geführte Flugplatz Deutschlands eröffnet, später wurden auf dem Areal Flugzeuge, Autos und Kühlschränke gebaut, hinzu kam die Nutzung als Filmproduktionsstandort. Es handelt sich um eine denkmalgeschützte Gesamtanlage mit mehreren als Baudenkmal eingetragenen Gebäuden.

Konkret geht es um die 140 Meter lange und 30 Meter breite denkmalgeschützte Halle 4, die laut Plan durch einen Neubau mit den gleichen Abmessungen ersetzt werden soll. Einige Bauelemente des beeindruckenden Gebäudes sollen wiederverwendet werden. Dabei belegt ein Gutachten von 2021 dessen Erhaltungsfähigkeit in Teilen. »Argumentiert wird, dass für den Investor Bauwert zu wenig Geschossfläche übrig bliebe«, so Gennburg. Bauwert kaufte 2019 dem englischen Zweig der Erbengemeinschaft deren 50-prozentigen Anteil ab.

Neben Gewerbe sollen 1800 Wohnungen auf dem Areal entstehen. Dass eine Reduzierung der Geschossfläche möglicherweise Ansprüche der Investoren gegenüber Berlin nach sich zieht, dafür sorgt ein im Juli 2016 geschlossener städtebaulicher Vertrag. Damals war Andreas Geisel das erste Mal Stadtentwicklungssenator und somit zuständig. »Dem Investor Bauwert wird hier unnötig entgegengekommen, denn auch das Landesdenkmalamt würde lieber den Erhalt der Halle 4 sehen«, schreibt Katalin Gennburg.

»Wir sehen nicht den Zeitdruck, dass der Bebauungsplan noch in der Sommerpause beschlossen werden muss. Denn es gibt noch Diskussionsbedarf«, sagt auch Julian Schwarze zu »nd«. Er ist der Stadtentwicklungsexperte der Grünen im Abgeordnetenhaus.

»Der Beschluss des B-Plans mitten in der Sommerpause soll wohl für möglichst wenig Aufmerksamkeit sorgen«, sagt FDP-Landespolitiker Stefan Förster zu »nd«. Der Abriss der Halle 4 sei »ärgerlich«, weil der Eigentümer zum Erhalt bereit gewesen wäre, wenn es einen entsprechenden Nutzer gegeben hätte. Förster, zugleich Vorsitzender des Bezirksdenkmalrats Treptow-Köpenick, nennt das Technikmuseum als möglichen Kandidaten. Bauwert hätte wohl die entgangene Rendite mit dem Wohnungsbau durch eine hohe Miete für die Halle kompensiert.

In der Stadtentwicklungsverwaltung ist man sich keiner Schuld bewusst. »Es ist der Erhalt wesentlicher Teile der denkmalgeschützten Halle vorgesehen und so auch mit dem Landesdenkmalamt abgestimmt«, heißt es auf nd-Anfrage. Änderungen habe man in den B-Plan eingearbeitet, »wesentliche Interessen der Koalitionspartner« seien berücksichtigt.

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