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Die Axt an der direkten Demokratie
Schwarz-Grün im Norden will Bürgerbegehren erschweren. Dagegen regt sich Widerstand
Das im Herbst zur Abstimmung stehende Bürgerbegehren zur zukünftigen Ausrichtung der unter kommunaler Trägerschaft betriebenen Imland-Klinik-Standorte Rendsburg und Eckernförde – es geht unter anderem um den Erhalt der Geburtenstation in Eckernförde – könnte eine der letzten größeren Akte direkter Demokratie auf kommunaler Ebene in Schleswig-Holstein sein. Die neue schwarz-grüne Koalition will nämlich die Hürden für Bürgerbegehren und -entscheide deutlich erhöhen.
Nach Bayern ist es bisher Schleswig-Holstein, das gemessen an seiner Einwohnerzahl am häufigsten eine solche politische Bürgerteilhabe auf den Weg gebracht hat. Mit der von Schwarz-Grün geplanten Partizipationsbremse wäre damit jedoch Schluss. Werden aus Koalitionssicht Belange berührt, die eine landes- oder bundesweite Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung oder das Erreichen gesetzter Klimaziele gefährden, kann ein Bürgerbegehren vom Innenministerium, das die Kommunalaufsicht führt, untersagt werden, so der Plan.
Der Verein »Mehr Demokratie« rechnet damit, dass mit der geplanten neuen schwarz-grünen Generalklausel 80 bis 90 Prozent aller eingereichten Bürgerbegehren verhindert würden, und spricht davon, dass die Bürgerbeteiligung um mindestens 40 Jahre zurückgeworfen werde. Das Bundesvorstandsmitglied Karl-Martin Hentschel, von 2000 bis 2005 und 2006 bis 2009 Fraktionschef der Grünen im Kieler Landtag, reagiert mit Unverständnis: »Fast die Hälfte aller Bürgerbegehren zielen auf mehr Klimaschutz.« Sie hätten sich rückblickend vielfach als Motor für die Verkehrs- und Energiewende erwiesen.
So viel Planungsbeschleunigung und Entbürokratisierung für Infrastrukturprojekte gehen selbst der FDP zu weit. Man wolle »die Menschen nicht mehr an wichtigen politischen Entscheidungen teilhaben lassen«, sagt Oliver Kumbartzky, der im Herbst den Landesvorsitz in seiner Partei anstrebt. Deutliche Worte findet auch SPD-Innenpolitiker Kai Dolgner: »Das Vorhaben atmet den Geist des preußischen Obrigkeitsstaates.« Er stellt fest, dass es in den letzten fünf Jahren landesweit nur drei Bürgerbegehren zu Windkraftanlagen gegeben habe, von denen zwei verloren worden seien. Dies sei mit Sicherheit kein entscheidender Faktor für den stockenden Windkraftausbau gewesen.
Weitere Bremsklötze für die Bürgerbeteiligung: Die Quoren für kommunale Mitbestimmung sollen heraufgesetzt und Fristen für die Einreichung eines Begehrens gegen Beschlüsse kommunaler Gremien auf drei Monate beschränkt werden.
»Mehr Demokratie« prüft, ob man gegen die angepeilte Reform vor das Verfassungsgericht gehen kann. Sollte die Koalition ihre Ankündigungen wahr machen, will man im Bündnis mit anderen Vereinen und Verbänden eine Volksinitiative auf den Weg bringen. Den Rahmen dafür lässt Schwarz-Grün im Regierungsprogramm unangetastet. Vielmehr soll die digitale Möglichkeit der Unterschriftensammlung sogar noch ausgeweitet werden, wofür »Mehr Demokratie« sogar ein ausdrückliches Lob spendet.
Das eingangs erwähnte formal zulässige Bürgerbegehren der Initiative »Ja! Im Land – Rette unser Krankenhaus«, für das in wenigen Wochen über 11 000 Unterschriften gesammelt wurden, verspricht unterdessen ebenfalls Ärger. Die neue Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) hat bereits vor dem im Herbst zu ermittelnden Abstimmungsergebnis erklärt, dass für sie allein der im März aufgestellte Krankenhausbedarfsplan des Landes richtungsweisend für die von ihr umzusetzende Politik sei und nicht ein etwaiges Bürgervotum. Im Bedarfsplan ist die Geburtenstation in Eckernförde nicht mehr mit Mitteln aus dem Landeshaushalt eingepreist. Die Umsetzung eines entsprechenden Bürgervotums müsste dann allein vom Kreis Rendsburg-Eckernförde finanziert werden, wozu dieser sich aber nicht in der Lage sieht. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens fühlen sich nun durch die Ankündigung der Ministerin düpiert. Die demokratische Teilhabe dürfe nicht zu einer Farce werden, die der Politikverdrossenheit noch mehr Nahrung biete, so die Initiative.
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