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Präsident Macky Sall verliert an Rückhalt
Senegals Regierungskoalition muss nach starken Verlusten bei den Parlamentswahlen Unterstützer suchen
Während der Senegal auf die vorläufigen offiziellen Ergebnisse der Parlamentswahl vom 31. Juli wartete, verkündete Staatspräsident Macky Sall am Donnerstagabend kurzerhand und für viele überraschend via Twitter ein Friedensabkommen mit einem Teil der im Süden des Landes seit Jahren den Aufstand probenden Rebellengruppe MFDC. Die Rebellen, die sich für eine Unabhängigkeit der Region Casamance einsetzen, hatten Anfang des Jahres senegalesische Soldaten entführt. Und so den Jahrzehnte alten Konflikt zwischen dem Zentralstaat und den Rebellen wieder entfacht. Zumindest auf dem Papier löst Sall jetzt also einen der ältesten Konflikte auf dem gesamten afrikanischen Kontinent. Der radikalere Teil der Rebellengruppe um Staatsfeind Salif Sadio hat sich diesem Abkommen allerdings noch nicht angeschlossen.
Für Sall ist das Abkommen ein wichtiger Erfolg. Denn bei der Parlamentswahl, wie die noch offiziell zu bestätigenden vorläufigen Ergebnisse zeigen, hat seine Koalition, Benno Bokk Yakaar (Zusammen für ein gemeinsames Ziel), massiv verloren. Seine Kritiker sehen damit den Anfang vom Ende von Salls Zeit an der Macht. Nach den provisorischen offiziellen Wahlergebnissenverliert BBY 43 Sitze im Vergleich zu den vergangenen Parlamentswahlen aus dem Jahr 2017. Laut dem von der nationalen Wahlkommission veröffentlichten Ergebnis kommt Salls Koalition im neuen Parlament des westafrikanischen Landes auf 82 der 165 Sitze. Das größte Oppositionsbündnis aus Yewwi Askan WI (Yaw; Befreit das Volk) und Wallu Sénégal (Rettet Senegal) gewann bei der Wahl am Sonntag 80 Sitze. Drei kleine oppositionelle Allianzen holten die übrigen drei Mandate.
Die Opposition wertet dieses Ergebnis als »historischen Erfolg« und als »Lektion für Macky Sall«. Denn noch nie seit der Unabhängigkeit des Senegals von Frankreich im Jahre 1960 hat die Regierungskoalition eine absolute Mehrheit im Parlament verpasst. Salls Regierungskoalition muss sich nun mühsam Partner aus den Reihen der zersplitterten Opposition für ihre Gesetzesvorhaben zusammensuchen. Die Opposition besteht neben dem großen Wahlbündnis Yaw-Wallu nur aus einzelnen Abgeordneten von kleineren Parteien. Diese werden jetzt zu Königsmachern aufgewertet, titelt die senegalesische Presse. »Am ehesten könnte die Regierungskoalition mit dem Vertreter von Bokk Guiss Guiss zusammenarbeiten«, erklärt Birane Gueye, der bei der Parlamentswahl 1988 als Kandidat für die senegalesische Arbeiterpartei kandidierte und heute für die Linke in Duisburg aktiv ist.
Es wird seit Monaten kolportiert – was zu heftigen Protesten und Unmut in der Bevölkerung geführt hatte –, dass Präsident Sall für eine dritte Amtszeit als Präsident des Senegals kandidieren wolle. Die aktuelle Verfassung sieht jedoch eine dritte Amtszeit nicht vor. Sall schwieg bislang zumindest öffentlich zu diesen hartnäckigen Gerüchten. Diese mutmaßlichen Ambitionen Salls dürften nun aber ein abruptes Ende gefunden haben. »Die Frage nach einer dritten Amtszeit von Sall ist vom Volk bereits bei dieser Wahl definitiv geregelt worden. Mit diesem Wahlergebnis und mit den Kräfteverhältnissen im neuen Parlament hat er keine Möglichkeit mehr, die Verfassung entsprechend für ein drittes Mandat zu ändern«, erklärt der Verfassungsrechtler Ngouda Mboup von der staatlichen Universität Cheikh Anta Diop in Dakar.
Nur etwa 47 Prozent der Wahlberechtigten waren zur Stimmabgabe am vergangenen Sonntag gegangen. Ein Zeichen dafür, dass die Senegalesen mit der aktuellen Politik und ihrem Präsidenten unzufrieden sind. Bei der vergangenen Parlamentswahl stimmten immerhin noch knapp 54 Prozent ab.
Das Oppositionsbündnis Yaw-Wallu wittert Wahlbetrug in einzelnen Wahlbezirken. Vor allem im Norden. Dort, wo Salls Koalition stark ist. Aïda Mbobj von Yaw-Wallu sprach davon, dass eigens für BBY fingierte Stimmzettel in die Wahlurnen gemischt worden sein sollen. Zudem soll das Wahlregister zu Gunsten von BBY und Macky Sall manipuliert worden sein. So sollen Menschen, die nicht zur Stimmabgabe erschien sind, dennoch in den Niederschriften – ohne deren Unterschrift – vermerkt worden sein.
Yaw-Wallu hat bereits Einspruch bei der nationalen Wahlkommission gegen die vorläufigen Ergebnisse eingelegt. Auf die Verkündung der endgültigen Wahlergebnisse müssen die Senegalesen also noch warten. Internationale Wahlbeobachter und auch der französische Präsident Emmanuel Macron lobten hingegen die Wahlen als »friedlich und transparent«.
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